Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

verrahtet JEsum mit einem Kuß.
freygebig gegen denen Aussätzigen/ also zwar/ daß er auf
offentlicher Gassen je und allemal dergleichen arme und
elende Leuth mit einem freundlichen Kuß empfangen.
Einsmals aber begegnete ihm ein Aussätziger mit sol-
cher abscheulichen Gestalt/ daß sich jederman darob ent-
setzte/ massen das faule Eyter aus der Massen häuffig
herab geflossen/ der heilige Mann war ganz freygebigCaesat. lib.
8.

gegen diesem bedrangten Menschen/ und reichte ihme
dar ein reichliches Allmosen vom paarem Geld/ welches
er aber geweigert anzunehmen/ sondern allein gebetten/
er Bischoff/ wolte ihme doch nur das Angesicht abtrück-
nen/ welches er auch aus Antrieb der Lieb urbietig voll-
zogen/ es beklagte sich aber der Aussätzige/ daß er ihme
hierdurch zu grossen Schmerzen verursache/ bate also/ er
wolte ihme die geschwürige Materi mit der Zung able-
cken/ ob welchem anfangs der heilige Mann ein natür-
liches Abscheuen getragen/ doch endlichen allem Wi-
derstand der Natur ganz Lobwürdig obgesieget/ und als
er bereits mit der Zung den Unflat aus der Nasen wol-
te ziehen/ sihe Wunder! an statt des eyterigen Wustes/ zo-
ge er ein sehr kostbahres Edelgestein in den Mund/ worü-
ber dieser Elende Aussätzige/ massen Christus der HErr
selbsten gewesen/ augenblicklich verschwunden.

Die Erinnerung dieser Geschicht hat mich mehr zum
Mitleyden bewogen/ absonderlich/ weil ich sahe/ daß der
graußliche Aussatz diesen Menschen gar so häuffig über-
zogen/ da ich nun in Mitte dieser Gedancken gestanden/
redet mich ein bekandter Barbierer an/ ich soll mich doch
von diesem Gewissen-losen Lumpengesind nit bethören
lassen/ als welches durch lauter Betrug und Falschheit
das Allmosen von den Leuthen erpresse/ er wisse nur
gar zu wohl/ daß dieser lose Gesell der gesundeste Mensch/
sein Gestalt zwar dem Aussatz gleich sehe/ aber in der
Warheit seye nichts als die Falschheit/ er nehme/ wie

ihm

verrahtet JEſum mit einem Kuß.
freygebig gegen denen Auſſaͤtzigen/ alſo zwar/ daß er auf
offentlicher Gaſſen je und allemal dergleichen arme und
elende Leuth mit einem freundlichen Kuß empfangen.
Einsmals aber begegnete ihm ein Auſſaͤtziger mit ſol-
cher abſcheulichen Geſtalt/ daß ſich jederman darob ent-
ſetzte/ maſſen das faule Eyter aus der Maſſen haͤuffig
herab gefloſſen/ der heilige Mann war ganz freygebigCæſat. lib.
8.

gegen dieſem bedrangten Menſchen/ und reichte ihme
dar ein reichliches Allmoſen vom paarem Geld/ welches
er aber geweigert anzunehmen/ ſondern allein gebetten/
er Biſchoff/ wolte ihme doch nur das Angeſicht abtruͤck-
nen/ welches er auch aus Antrieb der Lieb urbietig voll-
zogen/ es beklagte ſich aber der Auſſaͤtzige/ daß er ihme
hierdurch zu groſſen Schmerzen verurſache/ bate alſo/ er
wolte ihme die geſchwuͤrige Materi mit der Zung able-
cken/ ob welchem anfangs der heilige Mann ein natuͤr-
liches Abſcheuen getragen/ doch endlichen allem Wi-
derſtand der Natur ganz Lobwuͤrdig obgeſieget/ und als
er bereits mit der Zung den Unflat aus der Naſen wol-
te ziehen/ ſihe Wunder! an ſtatt des eyterigen Wuſtes/ zo-
ge er ein ſehr koſtbahres Edelgeſtein in den Mund/ woruͤ-
ber dieſer Elende Auſſaͤtzige/ maſſen Chriſtus der HErr
ſelbſten geweſen/ augenblicklich verſchwunden.

Die Erinnerung dieſer Geſchicht hat mich mehr zum
Mitleyden bewogen/ abſonderlich/ weil ich ſahe/ daß der
graußliche Auſſatz dieſen Menſchen gar ſo haͤuffig uͤber-
zogen/ da ich nun in Mitte dieſer Gedancken geſtanden/
redet mich ein bekandter Barbierer an/ ich ſoll mich doch
von dieſem Gewiſſen-loſen Lumpengeſind nit bethoͤren
laſſen/ als welches durch lauter Betrug und Falſchheit
das Allmoſen von den Leuthen erpreſſe/ er wiſſe nur
gar zu wohl/ daß dieſer loſe Geſell der geſundeſte Menſch/
ſein Geſtalt zwar dem Auſſatz gleich ſehe/ aber in der
Warheit ſeye nichts als die Falſchheit/ er nehme/ wie

ihm
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0303" n="271"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">verrahtet JE&#x017F;um mit einem Kuß.</hi></fw><lb/>
freygebig gegen denen Au&#x017F;&#x017F;a&#x0364;tzigen/ al&#x017F;o zwar/ daß er auf<lb/>
offentlicher Ga&#x017F;&#x017F;en je und allemal dergleichen arme und<lb/>
elende Leuth mit einem freundlichen Kuß empfangen.<lb/>
Einsmals aber begegnete ihm ein Au&#x017F;&#x017F;a&#x0364;tziger mit &#x017F;ol-<lb/>
cher ab&#x017F;cheulichen Ge&#x017F;talt/ daß &#x017F;ich jederman darob ent-<lb/>
&#x017F;etzte/ ma&#x017F;&#x017F;en das faule Eyter aus der Ma&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;uffig<lb/>
herab geflo&#x017F;&#x017F;en/ der heilige Mann war ganz freygebig<note place="right"><hi rendition="#aq">&#x017F;at. lib.<lb/>
8.</hi></note><lb/>
gegen die&#x017F;em bedrangten Men&#x017F;chen/ und reichte ihme<lb/>
dar ein reichliches Allmo&#x017F;en vom paarem Geld/ welches<lb/>
er aber geweigert anzunehmen/ &#x017F;ondern allein gebetten/<lb/>
er Bi&#x017F;choff/ wolte ihme doch nur das Ange&#x017F;icht abtru&#x0364;ck-<lb/>
nen/ welches er auch aus Antrieb der Lieb urbietig voll-<lb/>
zogen/ es beklagte &#x017F;ich aber der Au&#x017F;&#x017F;a&#x0364;tzige/ daß er ihme<lb/>
hierdurch zu gro&#x017F;&#x017F;en Schmerzen verur&#x017F;ache/ bate al&#x017F;o/ er<lb/>
wolte ihme die ge&#x017F;chwu&#x0364;rige Materi mit der Zung able-<lb/>
cken/ ob welchem anfangs der heilige Mann ein natu&#x0364;r-<lb/>
liches Ab&#x017F;cheuen getragen/ doch endlichen allem Wi-<lb/>
der&#x017F;tand der Natur ganz Lobwu&#x0364;rdig obge&#x017F;ieget/ und als<lb/>
er bereits mit der Zung den Unflat aus der Na&#x017F;en wol-<lb/>
te ziehen/ &#x017F;ihe Wunder! an &#x017F;tatt des eyterigen Wu&#x017F;tes/ zo-<lb/>
ge er ein &#x017F;ehr ko&#x017F;tbahres Edelge&#x017F;tein in den Mund/ woru&#x0364;-<lb/>
ber die&#x017F;er Elende Au&#x017F;&#x017F;a&#x0364;tzige/ ma&#x017F;&#x017F;en Chri&#x017F;tus der HErr<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;ten gewe&#x017F;en/ augenblicklich ver&#x017F;chwunden.</p><lb/>
        <p>Die Erinnerung die&#x017F;er Ge&#x017F;chicht hat mich mehr zum<lb/>
Mitleyden bewogen/ ab&#x017F;onderlich/ weil ich &#x017F;ahe/ daß der<lb/>
graußliche Au&#x017F;&#x017F;atz die&#x017F;en Men&#x017F;chen gar &#x017F;o ha&#x0364;uffig u&#x0364;ber-<lb/>
zogen/ da ich nun in Mitte die&#x017F;er Gedancken ge&#x017F;tanden/<lb/>
redet mich ein bekandter Barbierer an/ ich &#x017F;oll mich doch<lb/>
von die&#x017F;em Gewi&#x017F;&#x017F;en-lo&#x017F;en Lumpenge&#x017F;ind nit betho&#x0364;ren<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en/ als welches durch lauter Betrug und Fal&#x017F;chheit<lb/>
das Allmo&#x017F;en von den Leuthen erpre&#x017F;&#x017F;e/ er wi&#x017F;&#x017F;e nur<lb/>
gar zu wohl/ daß die&#x017F;er lo&#x017F;e Ge&#x017F;ell der ge&#x017F;unde&#x017F;te Men&#x017F;ch/<lb/>
&#x017F;ein Ge&#x017F;talt zwar dem Au&#x017F;&#x017F;atz gleich &#x017F;ehe/ aber in der<lb/>
Warheit &#x017F;eye nichts als die Fal&#x017F;chheit/ er nehme/ wie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihm</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0303] verrahtet JEſum mit einem Kuß. freygebig gegen denen Auſſaͤtzigen/ alſo zwar/ daß er auf offentlicher Gaſſen je und allemal dergleichen arme und elende Leuth mit einem freundlichen Kuß empfangen. Einsmals aber begegnete ihm ein Auſſaͤtziger mit ſol- cher abſcheulichen Geſtalt/ daß ſich jederman darob ent- ſetzte/ maſſen das faule Eyter aus der Maſſen haͤuffig herab gefloſſen/ der heilige Mann war ganz freygebig gegen dieſem bedrangten Menſchen/ und reichte ihme dar ein reichliches Allmoſen vom paarem Geld/ welches er aber geweigert anzunehmen/ ſondern allein gebetten/ er Biſchoff/ wolte ihme doch nur das Angeſicht abtruͤck- nen/ welches er auch aus Antrieb der Lieb urbietig voll- zogen/ es beklagte ſich aber der Auſſaͤtzige/ daß er ihme hierdurch zu groſſen Schmerzen verurſache/ bate alſo/ er wolte ihme die geſchwuͤrige Materi mit der Zung able- cken/ ob welchem anfangs der heilige Mann ein natuͤr- liches Abſcheuen getragen/ doch endlichen allem Wi- derſtand der Natur ganz Lobwuͤrdig obgeſieget/ und als er bereits mit der Zung den Unflat aus der Naſen wol- te ziehen/ ſihe Wunder! an ſtatt des eyterigen Wuſtes/ zo- ge er ein ſehr koſtbahres Edelgeſtein in den Mund/ woruͤ- ber dieſer Elende Auſſaͤtzige/ maſſen Chriſtus der HErr ſelbſten geweſen/ augenblicklich verſchwunden. Cæſat. lib. 8. Die Erinnerung dieſer Geſchicht hat mich mehr zum Mitleyden bewogen/ abſonderlich/ weil ich ſahe/ daß der graußliche Auſſatz dieſen Menſchen gar ſo haͤuffig uͤber- zogen/ da ich nun in Mitte dieſer Gedancken geſtanden/ redet mich ein bekandter Barbierer an/ ich ſoll mich doch von dieſem Gewiſſen-loſen Lumpengeſind nit bethoͤren laſſen/ als welches durch lauter Betrug und Falſchheit das Allmoſen von den Leuthen erpreſſe/ er wiſſe nur gar zu wohl/ daß dieſer loſe Geſell der geſundeſte Menſch/ ſein Geſtalt zwar dem Auſſatz gleich ſehe/ aber in der Warheit ſeye nichts als die Falſchheit/ er nehme/ wie ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/303
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/303>, abgerufen am 21.11.2024.