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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Sechzehente Geistliche Lection
heutige Stund/ biß auff gegenwärtiges Augenblick/ diese gifftige Seucht
den meisten Theil der Menschen zur ewigen Verdamnuß sendete! Jn dessen
In Epist.
ad Rom.
c. 1.
Thom
Canti-
prat.
Betrachtung der H. Remigius also spricht: Jch nehme auß die kleine/ und hal-
te darfür/ daß wegen der Geilheit deß Fleisches auß der Zahl der andern wenig
seelig werden. Eben selbiger Meynung ist die wunderbarliche Christiana/
so mit ungläublichen Zähren das durch die fleischliche Wollüsten fast
gantzes behaffte menschliche Geschlecht unauffhörlich zu beweinen pflegte;
dieweilen sie vernünfftlich urtheile/ daß dieserthalben der gefaste Zorn Got-
tes über die Menschen nothwendiglich müste außgegossen werden.
Weiters sagen viele hoch-erleuchte Männer/ daß unter hundert verdambten
Jünglingen neun und neunzig wegen der verübten Geilheit diesen Straffen
seynd zu theil worden. Soll sich aber hier über einer verwundern und einbilden/
daß diese Rechnung ohne den Wirth gemacht seye; der erinnere sich der
Worten deß H. Joannes in seinem ersten Sendschreiben am 5. Cap. am 19.
vers. Die gantze Welt ligt in der Bößheit. Diesen Text verdol-
In S. Jo-
an. c.
5.
metschet der H. Thomas also/ und sagt: Die gantze Welt ligt in
der Bößheit/ das ist/ in einem bösen Feur: Dahero nicht
wunder ist/ daß der meiste Theil durch dieses Feuer/
das ist/ die Geilheit auff Erden angezundet/ und nach-
mahls in die höllische Flammen; das Feur zum Feuer ge-
worffen werde.

3. Grausen solte billig einen Christglaudigen/ wann er gedencke/ daß
das Hertz eines wollüstigen Menschens seye ein wahre Herber[g] deß bösen
Feinds. Bezeugt nicht solches die H. Schrifft selbst/ da sie meldet/ daß der
Geist GOttes nicht werde verbleiben in dem Menschen; warumb? quia
caro est,
dieweilen er Fleisch ist; dieweilen er am meisten durch die
fleischliche Sünden mich/ seinen GOtt/ zum Zorn anreitzet. Von dem
aber der Geist GOttes weichet/ in selbigem bleibt der böse Geist: dann
der Mensch muß oder ein Kind GOttes oder ein Kind deß Teuffels seyn.
Wann nun niemand ein Kind GOttes zu seyn vermag ohne den Geist
GOttes; so muß ja nothwendiglich folgen/ daß in aller geilsüchtigen
Menschen Hertzen dieß garstige höllische Luder seine Wohnung mache;
und zu solchen Herbergen gehören solche Gäst; derhalben hat CHristus den
Schwarm dieser losen Gesellen/ wie in dem Evangelio deß H. Lucä zu le-
sen/ auff ihr Begehren in die Koth-liebende Schwein gesendet. Da-
mit nemblich/ nach Meinung deß H. Augustini/ der Heyland uns zu ver-

stehen

Die Sechzehente Geiſtliche Lection
heutige Stund/ biß auff gegenwaͤrtiges Augenblick/ dieſe gifftige Seucht
den meiſten Theil der Menſchen zur ewigen Verdamnuß ſendete! Jn deſſen
In Epiſt.
ad Rom.
c. 1.
Thom
Canti-
prat.
Betrachtung der H. Remigius alſo ſpricht: Jch nehme auß die kleine/ und hal-
te darfuͤr/ daß wegen der Geilheit deß Fleiſches auß der Zahl der andern wenig
ſeelig werden. Eben ſelbiger Meynung iſt die wunderbarliche Chriſtiana/
ſo mit unglaͤublichen Zaͤhren das durch die fleiſchliche Wolluͤſten faſt
gantzes behaffte menſchliche Geſchlecht unauffhoͤrlich zu beweinen pflegte;
dieweilen ſie vernuͤnfftlich urtheile/ daß dieſerthalben der gefaſte Zorn Got-
tes uͤber die Menſchen nothwendiglich muͤſte außgegoſſen werden.
Weiters ſagen viele hoch-erleuchte Maͤnner/ daß unter hundert verdambten
Juͤnglingen neun und neunzig wegen der veruͤbten Geilheit dieſen Straffen
ſeynd zu theil wordẽ. Soll ſich aber hier uͤber einer verwundern und einbilden/
daß dieſe Rechnung ohne den Wirth gemacht ſeye; der erinnere ſich der
Worten deß H. Joannes in ſeinem erſten Sendſchreiben am 5. Cap. am 19.
verſ. Die gantze Welt ligt in der Boͤßheit. Dieſen Text verdol-
In S. Jo-
an. c.
5.
metſchet der H. Thomas alſo/ und ſagt: Die gantze Welt ligt in
der Boͤßheit/ das iſt/ in einem boͤſen Feur: Dahero nicht
wunder iſt/ daß der meiſte Theil durch dieſes Feuer/
das iſt/ die Geilheit auff Erden angezůndet/ und nach-
mahls in die hoͤlliſche Flammen; das Feur zum Feuer ge-
worffen werde.

3. Grauſen ſolte billig einen Chriſtglaudigen/ wann er gedencke/ daß
das Hertz eines wolluͤſtigen Menſchens ſeye ein wahre Herber[g] deß boͤſen
Feinds. Bezeugt nicht ſolches die H. Schrifft ſelbſt/ da ſie meldet/ daß der
Geiſt GOttes nicht werde verbleiben in dem Menſchen; warumb? quia
caro eſt,
dieweilen er Fleiſch iſt; dieweilen er am meiſten durch die
fleiſchliche Suͤnden mich/ ſeinen GOtt/ zum Zorn anreitzet. Von dem
aber der Geiſt GOttes weichet/ in ſelbigem bleibt der boͤſe Geiſt: dann
der Menſch muß oder ein Kind GOttes oder ein Kind deß Teuffels ſeyn.
Wann nun niemand ein Kind GOttes zu ſeyn vermag ohne den Geiſt
GOttes; ſo muß ja nothwendiglich folgen/ daß in aller geilſuͤchtigen
Menſchen Hertzen dieß garſtige hoͤlliſche Luder ſeine Wohnung mache;
und zu ſolchen Herbergen gehoͤren ſolche Gaͤſt; derhalben hat CHriſtus den
Schwarm dieſer loſen Geſellen/ wie in dem Evangelio deß H. Lucaͤ zu le-
ſen/ auff ihr Begehren in die Koth-liebende Schwein geſendet. Da-
mit nemblich/ nach Meinung deß H. Auguſtini/ der Heyland uns zu ver-

ſtehen
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[200/0228] Die Sechzehente Geiſtliche Lection heutige Stund/ biß auff gegenwaͤrtiges Augenblick/ dieſe gifftige Seucht den meiſten Theil der Menſchen zur ewigen Verdamnuß ſendete! Jn deſſen Betrachtung der H. Remigius alſo ſpricht: Jch nehme auß die kleine/ und hal- te darfuͤr/ daß wegen der Geilheit deß Fleiſches auß der Zahl der andern wenig ſeelig werden. Eben ſelbiger Meynung iſt die wunderbarliche Chriſtiana/ ſo mit unglaͤublichen Zaͤhren das durch die fleiſchliche Wolluͤſten faſt gantzes behaffte menſchliche Geſchlecht unauffhoͤrlich zu beweinen pflegte; dieweilen ſie vernuͤnfftlich urtheile/ daß dieſerthalben der gefaſte Zorn Got- tes uͤber die Menſchen nothwendiglich muͤſte außgegoſſen werden. Weiters ſagen viele hoch-erleuchte Maͤnner/ daß unter hundert verdambten Juͤnglingen neun und neunzig wegen der veruͤbten Geilheit dieſen Straffen ſeynd zu theil wordẽ. Soll ſich aber hier uͤber einer verwundern und einbilden/ daß dieſe Rechnung ohne den Wirth gemacht ſeye; der erinnere ſich der Worten deß H. Joannes in ſeinem erſten Sendſchreiben am 5. Cap. am 19. verſ. Die gantze Welt ligt in der Boͤßheit. Dieſen Text verdol- metſchet der H. Thomas alſo/ und ſagt: Die gantze Welt ligt in der Boͤßheit/ das iſt/ in einem boͤſen Feur: Dahero nicht wunder iſt/ daß der meiſte Theil durch dieſes Feuer/ das iſt/ die Geilheit auff Erden angezůndet/ und nach- mahls in die hoͤlliſche Flammen; das Feur zum Feuer ge- worffen werde. In Epiſt. ad Rom. c. 1. Thom Canti- prat. In S. Jo- an. c. 5. 3. Grauſen ſolte billig einen Chriſtglaudigen/ wann er gedencke/ daß das Hertz eines wolluͤſtigen Menſchens ſeye ein wahre Herberg deß boͤſen Feinds. Bezeugt nicht ſolches die H. Schrifft ſelbſt/ da ſie meldet/ daß der Geiſt GOttes nicht werde verbleiben in dem Menſchen; warumb? quia caro eſt, dieweilen er Fleiſch iſt; dieweilen er am meiſten durch die fleiſchliche Suͤnden mich/ ſeinen GOtt/ zum Zorn anreitzet. Von dem aber der Geiſt GOttes weichet/ in ſelbigem bleibt der boͤſe Geiſt: dann der Menſch muß oder ein Kind GOttes oder ein Kind deß Teuffels ſeyn. Wann nun niemand ein Kind GOttes zu ſeyn vermag ohne den Geiſt GOttes; ſo muß ja nothwendiglich folgen/ daß in aller geilſuͤchtigen Menſchen Hertzen dieß garſtige hoͤlliſche Luder ſeine Wohnung mache; und zu ſolchen Herbergen gehoͤren ſolche Gaͤſt; derhalben hat CHriſtus den Schwarm dieſer loſen Geſellen/ wie in dem Evangelio deß H. Lucaͤ zu le- ſen/ auff ihr Begehren in die Koth-liebende Schwein geſendet. Da- mit nemblich/ nach Meinung deß H. Auguſtini/ der Heyland uns zu ver- ſtehen

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/228>, abgerufen am 21.11.2024.