Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Geylheit. ob er schon in diesem Streit gar ritterlich gefochten; so hat er gleichwol seinenFeind nicht zumahlen können auß dem Feld schlagen; dahero hat endlich bey sich beschlossen/ sothane unzimbliche Gedancken durch immerwährende Erinnerung deß Todts auß seinem Hertzen zu verbannen: in diesem seinem Vorhaben sendet ihm die Göttliche Vorsichtigkeit einen Menschen auß AEgypten/ von dem er vernommen/ daß dieses schöne Weib gestorben seye: worauff er sein Hüttlein GOtt befohlen/ und sich auff die Reise zum Grab deß verstorbenen Weibs gemacht hat: und so bald er hinzu kommen/ hat er diesen vorgenommenen letztern Streit mit seinem Feind zu wagen ange- fangen: bey nächtlicher Weil hat er den Stein vom Grab geweltzet/ die Erde außgeworffen/ und ist also zum todten Leichnamb gelanget; und sich selbsten folgender Gestalt hertzhafft angeredet: Siehe du alter/ da ist dein Schatz/ da ligen deine Lüsten/ nimb doch deine so wehrte und liebe Creatur hinweg; du must ja von dem Golt/ daß du mit so grosser Mühe außgegraben hast/ einen guten Theil mit dir nehmen: dieses hat er nicht allein zu sich selb- sten gesagt/ sondern er hats auch gethan/ und einen guten theil deß Schleuers/ so von Eyter und Fäuligkeit getröpffet/ mit sich darvon getragen: diesen wohlriechenden Raub hat er in dem Hüttlein vor seine Augen gestellet/ und sich mit diesem unmenschlichen Gestanck so lang geplaget/ biß er die unreine Gedancken gantz und gar vernichtiget. Hierauß hast du/ mein Christliche Seel zu lehrnen/ daß die Gedächtnuß deß Todts ein bewährtes Mittel seye/ diesen Feind zu überwinden. Nun möchte ich dir dergleichen Recepten gern mehrere vorschreiben; weilen aber von der anjetzt gehandleten Materi zu re- den/ an andern Oerther Gelegenheit vorfallen wird; derhalben wollen wir es hiemit bewenden lassen/ und zu weiterm Versuch die Tugenden zu pflan- tzen/ und das schädliche Unkraut zu vertilgen fortschreiten. Die C c 2
Von der Geylheit. ob er ſchon in dieſem Streit gar ritterlich gefochten; ſo hat er gleichwol ſeinenFeind nicht zumahlen koͤnnen auß dem Feld ſchlagen; dahero hat endlich bey ſich beſchloſſen/ ſothane unzimbliche Gedancken durch immerwaͤhrende Erinnerung deß Todts auß ſeinem Hertzen zu verbannen: in dieſem ſeinem Vorhaben ſendet ihm die Goͤttliche Vorſichtigkeit einen Menſchen auß Ægypten/ von dem er vernommen/ daß dieſes ſchoͤne Weib geſtorben ſeye: worauff er ſein Huͤttlein GOtt befohlen/ und ſich auff die Reiſe zum Grab deß verſtorbenen Weibs gemacht hat: und ſo bald er hinzu kommen/ hat er dieſen vorgenommenen letztern Streit mit ſeinem Feind zu wagen ange- fangen: bey naͤchtlicher Weil hat er den Stein vom Grab geweltzet/ die Erde außgeworffen/ und iſt alſo zum todten Leichnamb gelanget; und ſich ſelbſten folgender Geſtalt hertzhafft angeredet: Siehe du alter/ da iſt dein Schatz/ da ligen deine Luͤſten/ nimb doch deine ſo wehrte und liebe Creatur hinweg; du muſt ja von dem Golt/ daß du mit ſo groſſer Muͤhe außgegraben haſt/ einen guten Theil mit dir nehmen: dieſes hat er nicht allein zu ſich ſelb- ſten geſagt/ ſondern er hats auch gethan/ und einen guten theil deß Schleuers/ ſo von Eyter und Faͤuligkeit getroͤpffet/ mit ſich darvon getragen: dieſen wohlriechenden Raub hat er in dem Huͤttlein vor ſeine Augen geſtellet/ und ſich mit dieſem unmenſchlichen Geſtanck ſo lang geplaget/ biß er die unreine Gedancken gantz und gar vernichtiget. Hierauß haſt du/ mein Chriſtliche Seel zu lehrnen/ daß die Gedaͤchtnuß deß Todts ein bewaͤhrtes Mittel ſeye/ dieſen Feind zu uͤberwinden. Nun moͤchte ich dir dergleichen Recepten gern mehrere vorſchreiben; weilen aber von der anjetzt gehandleten Materi zu re- den/ an andern Oerther Gelegenheit vorfallen wird; derhalben wollen wir es hiemit bewenden laſſen/ und zu weiterm Verſuch die Tugenden zu pflan- tzen/ und das ſchaͤdliche Unkraut zu vertilgen fortſchreiten. Die C c 2
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Von der Geylheit.
ob er ſchon in dieſem Streit gar ritterlich gefochten; ſo hat er gleichwol ſeinen
Feind nicht zumahlen koͤnnen auß dem Feld ſchlagen; dahero hat endlich
bey ſich beſchloſſen/ ſothane unzimbliche Gedancken durch immerwaͤhrende
Erinnerung deß Todts auß ſeinem Hertzen zu verbannen: in dieſem ſeinem
Vorhaben ſendet ihm die Goͤttliche Vorſichtigkeit einen Menſchen auß
Ægypten/ von dem er vernommen/ daß dieſes ſchoͤne Weib geſtorben ſeye:
worauff er ſein Huͤttlein GOtt befohlen/ und ſich auff die Reiſe zum Grab
deß verſtorbenen Weibs gemacht hat: und ſo bald er hinzu kommen/ hat er
dieſen vorgenommenen letztern Streit mit ſeinem Feind zu wagen ange-
fangen: bey naͤchtlicher Weil hat er den Stein vom Grab geweltzet/ die
Erde außgeworffen/ und iſt alſo zum todten Leichnamb gelanget; und ſich
ſelbſten folgender Geſtalt hertzhafft angeredet: Siehe du alter/ da iſt dein
Schatz/ da ligen deine Luͤſten/ nimb doch deine ſo wehrte und liebe Creatur
hinweg; du muſt ja von dem Golt/ daß du mit ſo groſſer Muͤhe außgegraben
haſt/ einen guten Theil mit dir nehmen: dieſes hat er nicht allein zu ſich ſelb-
ſten geſagt/ ſondern er hats auch gethan/ und einen guten theil deß Schleuers/
ſo von Eyter und Faͤuligkeit getroͤpffet/ mit ſich darvon getragen: dieſen
wohlriechenden Raub hat er in dem Huͤttlein vor ſeine Augen geſtellet/ und
ſich mit dieſem unmenſchlichen Geſtanck ſo lang geplaget/ biß er die unreine
Gedancken gantz und gar vernichtiget. Hierauß haſt du/ mein Chriſtliche
Seel zu lehrnen/ daß die Gedaͤchtnuß deß Todts ein bewaͤhrtes Mittel ſeye/
dieſen Feind zu uͤberwinden. Nun moͤchte ich dir dergleichen Recepten gern
mehrere vorſchreiben; weilen aber von der anjetzt gehandleten Materi zu re-
den/ an andern Oerther Gelegenheit vorfallen wird; derhalben wollen wir es
hiemit bewenden laſſen/ und zu weiterm Verſuch die Tugenden zu pflan-
tzen/ und das ſchaͤdliche Unkraut zu vertilgen fortſchreiten.
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