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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Ein und zwantzigste Geistliche Lection
dem Leben sehr angenehm seye/ lehret uns Christus/ da er zu der H. Brigittä
L. 6. Re-
vel. e.
111.
also spricht: Was förchtest du dich? wann du schon zehenmal im Tag essest
auß Gehorsamb/ so wird dir solches doch nicht zur Sünde gerechnet werden:
dann die Jungfrawschafft verdienet ihre Cron; der Wittwe-Stand näheret
sich zu Gott; aber der Gehorsamb leitet alle zum ewigen Leben.

In ejus
vita.

15. Dem H. Joanni Damasceno wird von seinem Lehr - Meister befoh-
len/ er solle zu Damasco einige Körblein verkauffen: ihm wird aber so hoher
Preiß derselben eingesetzt/ daß sie nicht allein niemand kauffen wolte; sondern
auch für einen Narren außgelacht/ und mit Prügeln hergenommen wurde:
er obwohl nun dieser heiliger Jünger gnugsamb erachten können/ daß ihm der
Preiß von seinem geistlichen Vatter gar zu hoch gesetzet wurde; hat er sich
jedoch im geringsten nicht beklagen wollen/ sondern ist mit aller Hurtigkeit
zum Marck hingangen/ und nach vielem außlachen und Schlägen (wie vor-
hin gemeldet) hat sichs zugetragen/ daß unter diesen einer/ der vorhin deß Jo-
annis,
als Richtern daselbst/ Diener gewesen/ seinen Herrn gekennet/ ihme
alle Körblein umb den begehrten Preiß abgekauffet/ und seinen gewesenen
Herrn also von der Ungestümmigkeit der Leuten errettet. Joannes aber ist
nach vollbrachtem Befelch seines geistlichen Vatters/ in aller Demut wie-
derumb zum Closter gekehret. Daß nun unter so vielen hundert tausend Geist-
lichen so wenig gefunden werden/ welche die Vollkommenheit und Heylig-
keit deß gemeldten Joannis Damasceni erreichen/ müssen sie billig ihrer
Langsambkeit im gehorchen zuschreiben; sintemahlen der fliegende Gehor-
sambkeit dieses frommen Dieners dem allmächtigen GOTT also gefal-
len/ daß er ihn mit seinen göttlichen Gnaden unbeschreiblicher massen über-
häuffet hat.

16. Wann nun einem/ der seiner Obrigkeit so willigen Gehorsamb lei-
stet/ mit himmlischen Gaben dergestalt begnädiget wird; was hat dann nicht
zu hoffen der jenige/ so da nicht allein dem Obern/ und auch nicht allein seines
In vit.
ejus.
gleichen/ sondern auch einem geringern sich unterwerffet? Thomas von
Aquin ein Welt berühmbt- gelehrter und heiliger Mann gehet einsmahls
in seinem Closter zu Bononien spatzieren/ da trifft ihn an ein anderer Geist-
licher desselben Ordens/ so gastweiß daselbst sich auffhaltet/ und vielleicht
den Thomam nicht kennet/ befilcht ihm/ er solle zur Stund mit jhme in die
Statt gehen; und setzet hinzu/ daß ihm von dem Vorsteher erlaubt seye/
den jenigen mit sich zu nehmen/ welcher am wenigsten beschäfftiget seye:
Thomas entschuldiget sich im geringsten nicht/ sondern ergreifft alsbald den
Bettel-Sack/ legt selbigen auff seine Achseln/ und gehet mit seinem Gesellen

hinauß:

Die Ein und zwantzigſte Geiſtliche Lection
dem Leben ſehr angenehm ſeye/ lehret uns Chriſtus/ da er zu der H. Brigittaͤ
L. 6. Re-
vel. e.
111.
alſo ſpricht: Was foͤrchteſt du dich? wann du ſchon zehenmal im Tag eſſeſt
auß Gehorſamb/ ſo wird dir ſolches doch nicht zur Suͤnde gerechnet werden:
dann die Jungfrawſchafft verdienet ihre Cron; der Wittwe-Stand naͤheret
ſich zu Gott; aber der Gehorſamb leitet alle zum ewigen Leben.

In ejus
vita.

15. Dem H. Joanni Damaſceno wird von ſeinem Lehr - Meiſter befoh-
len/ er ſolle zu Damaſco einige Koͤrblein verkauffen: ihm wird aber ſo hoher
Preiß derſelben eingeſetzt/ daß ſie nicht allein niemand kauffen wolte; ſondern
auch fuͤr einen Narren außgelacht/ und mit Pruͤgeln hergenommen wurde:
er obwohl nun dieſer heiliger Juͤnger gnugſamb erachten koͤnnen/ daß ihm der
Preiß von ſeinem geiſtlichen Vatter gar zu hoch geſetzet wurde; hat er ſich
jedoch im geringſten nicht beklagen wollen/ ſondern iſt mit aller Hurtigkeit
zum Marck hingangen/ und nach vielem außlachen und Schlaͤgen (wie vor-
hin gemeldet) hat ſichs zugetragen/ daß unter dieſen einer/ der vorhin deß Jo-
annis,
als Richtern daſelbſt/ Diener geweſen/ ſeinen Herrn gekennet/ ihme
alle Koͤrblein umb den begehrten Preiß abgekauffet/ und ſeinen geweſenen
Herrn alſo von der Ungeſtuͤmmigkeit der Leuten errettet. Joannes aber iſt
nach vollbrachtem Befelch ſeines geiſtlichen Vatters/ in aller Demut wie-
derumb zum Cloſter gekehret. Daß nun unter ſo vielen hundert tauſend Geiſt-
lichen ſo wenig gefunden werden/ welche die Vollkommenheit und Heylig-
keit deß gemeldten Joannis Damaſceni erreichen/ muͤſſen ſie billig ihrer
Langſambkeit im gehorchen zuſchreiben; ſintemahlen der fliegende Gehor-
ſambkeit dieſes frommen Dieners dem allmaͤchtigen GOTT alſo gefal-
len/ daß er ihn mit ſeinen goͤttlichen Gnaden unbeſchreiblicher maſſen uͤber-
haͤuffet hat.

16. Wann nun einem/ der ſeiner Obrigkeit ſo willigen Gehorſamb lei-
ſtet/ mit himmliſchen Gaben dergeſtalt begnaͤdiget wird; was hat dann nicht
zu hoffen der jenige/ ſo da nicht allein dem Obern/ und auch nicht allein ſeines
In vit.
ejus.
gleichen/ ſondern auch einem geringern ſich unterwerffet? Thomas von
Aquin ein Welt beruͤhmbt- gelehrter und heiliger Mann gehet einsmahls
in ſeinem Cloſter zu Bononien ſpatzieren/ da trifft ihn an ein anderer Geiſt-
licher deſſelben Ordens/ ſo gaſtweiß daſelbſt ſich auffhaltet/ und vielleicht
den Thomam nicht kennet/ befilcht ihm/ er ſolle zur Stund mit jhme in die
Statt gehen; und ſetzet hinzu/ daß ihm von dem Vorſteher erlaubt ſeye/
den jenigen mit ſich zu nehmen/ welcher am wenigſten beſchaͤfftiget ſeye:
Thomas entſchuldiget ſich im geringſten nicht/ ſondern ergreifft alsbald den
Bettel-Sack/ legt ſelbigen auff ſeine Achſeln/ und gehet mit ſeinem Geſellen

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[258/0286] Die Ein und zwantzigſte Geiſtliche Lection dem Leben ſehr angenehm ſeye/ lehret uns Chriſtus/ da er zu der H. Brigittaͤ alſo ſpricht: Was foͤrchteſt du dich? wann du ſchon zehenmal im Tag eſſeſt auß Gehorſamb/ ſo wird dir ſolches doch nicht zur Suͤnde gerechnet werden: dann die Jungfrawſchafft verdienet ihre Cron; der Wittwe-Stand naͤheret ſich zu Gott; aber der Gehorſamb leitet alle zum ewigen Leben. L. 6. Re- vel. e. 111. 15. Dem H. Joanni Damaſceno wird von ſeinem Lehr - Meiſter befoh- len/ er ſolle zu Damaſco einige Koͤrblein verkauffen: ihm wird aber ſo hoher Preiß derſelben eingeſetzt/ daß ſie nicht allein niemand kauffen wolte; ſondern auch fuͤr einen Narren außgelacht/ und mit Pruͤgeln hergenommen wurde: er obwohl nun dieſer heiliger Juͤnger gnugſamb erachten koͤnnen/ daß ihm der Preiß von ſeinem geiſtlichen Vatter gar zu hoch geſetzet wurde; hat er ſich jedoch im geringſten nicht beklagen wollen/ ſondern iſt mit aller Hurtigkeit zum Marck hingangen/ und nach vielem außlachen und Schlaͤgen (wie vor- hin gemeldet) hat ſichs zugetragen/ daß unter dieſen einer/ der vorhin deß Jo- annis, als Richtern daſelbſt/ Diener geweſen/ ſeinen Herrn gekennet/ ihme alle Koͤrblein umb den begehrten Preiß abgekauffet/ und ſeinen geweſenen Herrn alſo von der Ungeſtuͤmmigkeit der Leuten errettet. Joannes aber iſt nach vollbrachtem Befelch ſeines geiſtlichen Vatters/ in aller Demut wie- derumb zum Cloſter gekehret. Daß nun unter ſo vielen hundert tauſend Geiſt- lichen ſo wenig gefunden werden/ welche die Vollkommenheit und Heylig- keit deß gemeldten Joannis Damaſceni erreichen/ muͤſſen ſie billig ihrer Langſambkeit im gehorchen zuſchreiben; ſintemahlen der fliegende Gehor- ſambkeit dieſes frommen Dieners dem allmaͤchtigen GOTT alſo gefal- len/ daß er ihn mit ſeinen goͤttlichen Gnaden unbeſchreiblicher maſſen uͤber- haͤuffet hat. 16. Wann nun einem/ der ſeiner Obrigkeit ſo willigen Gehorſamb lei- ſtet/ mit himmliſchen Gaben dergeſtalt begnaͤdiget wird; was hat dann nicht zu hoffen der jenige/ ſo da nicht allein dem Obern/ und auch nicht allein ſeines gleichen/ ſondern auch einem geringern ſich unterwerffet? Thomas von Aquin ein Welt beruͤhmbt- gelehrter und heiliger Mann gehet einsmahls in ſeinem Cloſter zu Bononien ſpatzieren/ da trifft ihn an ein anderer Geiſt- licher deſſelben Ordens/ ſo gaſtweiß daſelbſt ſich auffhaltet/ und vielleicht den Thomam nicht kennet/ befilcht ihm/ er ſolle zur Stund mit jhme in die Statt gehen; und ſetzet hinzu/ daß ihm von dem Vorſteher erlaubt ſeye/ den jenigen mit ſich zu nehmen/ welcher am wenigſten beſchaͤfftiget ſeye: Thomas entſchuldiget ſich im geringſten nicht/ ſondern ergreifft alsbald den Bettel-Sack/ legt ſelbigen auff ſeine Achſeln/ und gehet mit ſeinem Geſellen hinauß: In vit. ejus.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/286>, abgerufen am 24.11.2024.