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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Gedult der Geistlichen.

13. Diesem Gott-seeligen München kan zugesellet werden der H. Ro-In ejus
Vita.

mualdus/ welcher im Novitiat unter dem Einsidler Marino seinem Ma-
gistro das Psalter außwendig lernen muste; so offt er nun fehlete/ wurde er
von dem Lehr-Meister mit einer Ruthen allemahl ans lincke Ohr geschla-
gen. Dieses hat der Romualdus ein sehr geraume Zeit gedültiglich auß-
gestanden; biß er endlich den Marinum angesehen/ und gesagt: Jch bit-
te dich/ schlage mich doch/ wanns dir gefallet/ hinführo ans rechte Ohr;
dieweilen mir das Gehör deß lincken Ohrs zumahlen vergehet. Jn An-
sehung dieser Gedult hat Marinus den Romualdum nicht mehr als einen
Novitzen; sondern als einen getriebenen Alt-Vatter gehalten. Der from-In Vit.
P. P.

me Joannes/ ein Jünger deß Alt-Vatters Ammonis hat seinem geistlichen
in die zwölff Jahr Bett-lägerigen Vatter treulich auffgewartet; und hat in
allen diesen Jahren niemahlen ein eintziges gutes oder friedliches Wort von
selbigem erhalten; dieses aber ist zu seinem grossen Vortheil geschchen;
zumahlen er solcher Gestalt viel grössern Lohn bey Gott erworben/ und da der
Alte gestorben/ hat er seinen Jünger dem alten Geistlichen überlibert/ und
gesagt: dieser ist ein Engel GOttes; dann er hat in allen seinen Beschwer-
lichkeiten von mir niemahlen ein tröstliches Wort gehabt/ und hat mir dan-
noch treulich gedienet.

14. Wie viele/ ja unzahlbare seynd nicht gewesen/ die allen Unbill und
Schmach mit grossem Helden-Muth überwunden haben. Auß deren
Zahl der H. Dorotheus/ von einem seiner Brüder mit vielen Schand- und
Schmähe-Worten täglich verunehret worden/ und hat gleichwohl demselbi-
gen niemalen mit einem eintzigen Wort zu wider geredet: so gar auch hat der
fromme Dorotheus diesen seinen Schänder/ da er von andern dieserthal-
ben verklagt worden/ und nun solte gestraffet werden/ bey dem Vorsteher ent-
schuldiget/ und durch Jesum Christum für ihn umb Vergebung gebetten/
und gesagt/ daß vielmehr er gesündiget/ als sein Bruder; und derhalben
die gesetzte Straff verdienet habe. Mit vielen andern schwären Unbillen
haben dessen Mit-Brüder demselben fast immer zur Ungedult angereitzet;
er aber hat alles mit Freuden überstanden/ und nicht allein nicht mit Wor-
ten sich jemahln verthätiget; sondern dieserthalben keinen immer sauer ange-
sehen. Von diesem Gott-seeligen Dorotheo schlag ich meine Augen auff
die H. Jungfrau Magdalena de Pazzis/ und sehe/ daß sich der leidige Sa-In Vit.
than in die Gestalt dieser Jungfrauen verwandelt/ und also das Fleisch
auß dem Camin der gemeinen Kuchen stehlet. Die Kuchen-Meisterin be-
rüchtiget Magdalenam billiger massen/ und macht kundbar/ was sie gese-

hen
N n 3
Von der Gedult der Geiſtlichen.

13. Dieſem Gott-ſeeligen Muͤnchen kan zugeſellet werden der H. Ro-In ejus
Vita.

mualdus/ welcher im Novitiat unter dem Einſidler Marino ſeinem Ma-
giſtro das Pſalter außwendig lernen muſte; ſo offt er nun fehlete/ wurde er
von dem Lehr-Meiſter mit einer Ruthen allemahl ans lincke Ohr geſchla-
gen. Dieſes hat der Romualdus ein ſehr geraume Zeit geduͤltiglich auß-
geſtanden; biß er endlich den Marinum angeſehen/ und geſagt: Jch bit-
te dich/ ſchlage mich doch/ wanns dir gefallet/ hinfuͤhro ans rechte Ohr;
dieweilen mir das Gehoͤr deß lincken Ohrs zumahlen vergehet. Jn An-
ſehung dieſer Gedult hat Marinus den Romualdum nicht mehr als einen
Novitzen; ſondern als einen getriebenen Alt-Vatter gehalten. Der from-In Vit.
P. P.

me Joannes/ ein Juͤnger deß Alt-Vatters Ammonis hat ſeinem geiſtlichen
in die zwoͤlff Jahr Bett-laͤgerigen Vatter treulich auffgewartet; und hat in
allen dieſen Jahren niemahlen ein eintziges gutes oder friedliches Wort von
ſelbigem erhalten; dieſes aber iſt zu ſeinem groſſen Vortheil geſchchen;
zumahlen er ſolcher Geſtalt viel groͤſſern Lohn bey Gott erworben/ und da der
Alte geſtorben/ hat er ſeinen Juͤnger dem alten Geiſtlichen uͤberlibert/ und
geſagt: dieſer iſt ein Engel GOttes; dann er hat in allen ſeinen Beſchwer-
lichkeiten von mir niemahlen ein troͤſtliches Wort gehabt/ und hat mir dan-
noch treulich gedienet.

14. Wie viele/ ja unzahlbare ſeynd nicht geweſen/ die allen Unbill und
Schmach mit groſſem Helden-Muth uͤberwunden haben. Auß deren
Zahl der H. Dorotheus/ von einem ſeiner Bruͤder mit vielen Schand- und
Schmaͤhe-Worten taͤglich verunehret worden/ und hat gleichwohl demſelbi-
gen niemalen mit einem eintzigen Wort zu wider geredet: ſo gar auch hat der
fromme Dorotheus dieſen ſeinen Schaͤnder/ da er von andern dieſerthal-
ben verklagt worden/ und nun ſolte geſtraffet werden/ bey dem Vorſteher ent-
ſchuldiget/ und durch Jeſum Chriſtum fuͤr ihn umb Vergebung gebetten/
und geſagt/ daß vielmehr er geſuͤndiget/ als ſein Bruder; und derhalben
die geſetzte Straff verdienet habe. Mit vielen andern ſchwaͤren Unbillen
haben deſſen Mit-Bruͤder demſelben faſt immer zur Ungedult angereitzet;
er aber hat alles mit Freuden uͤberſtanden/ und nicht allein nicht mit Wor-
ten ſich jemahln verthaͤtiget; ſondern dieſerthalben keinen immer ſauer ange-
ſehen. Von dieſem Gott-ſeeligen Dorotheo ſchlag ich meine Augen auff
die H. Jungfrau Magdalena de Pazzis/ und ſehe/ daß ſich der leidige Sa-In Vit.
than in die Geſtalt dieſer Jungfrauen verwandelt/ und alſo das Fleiſch
auß dem Camin der gemeinen Kuchen ſtehlet. Die Kuchen-Meiſterin be-
ruͤchtiget Magdalenam billiger maſſen/ und macht kundbar/ was ſie geſe-

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[285/0313] Von der Gedult der Geiſtlichen. 13. Dieſem Gott-ſeeligen Muͤnchen kan zugeſellet werden der H. Ro- mualdus/ welcher im Novitiat unter dem Einſidler Marino ſeinem Ma- giſtro das Pſalter außwendig lernen muſte; ſo offt er nun fehlete/ wurde er von dem Lehr-Meiſter mit einer Ruthen allemahl ans lincke Ohr geſchla- gen. Dieſes hat der Romualdus ein ſehr geraume Zeit geduͤltiglich auß- geſtanden; biß er endlich den Marinum angeſehen/ und geſagt: Jch bit- te dich/ ſchlage mich doch/ wanns dir gefallet/ hinfuͤhro ans rechte Ohr; dieweilen mir das Gehoͤr deß lincken Ohrs zumahlen vergehet. Jn An- ſehung dieſer Gedult hat Marinus den Romualdum nicht mehr als einen Novitzen; ſondern als einen getriebenen Alt-Vatter gehalten. Der from- me Joannes/ ein Juͤnger deß Alt-Vatters Ammonis hat ſeinem geiſtlichen in die zwoͤlff Jahr Bett-laͤgerigen Vatter treulich auffgewartet; und hat in allen dieſen Jahren niemahlen ein eintziges gutes oder friedliches Wort von ſelbigem erhalten; dieſes aber iſt zu ſeinem groſſen Vortheil geſchchen; zumahlen er ſolcher Geſtalt viel groͤſſern Lohn bey Gott erworben/ und da der Alte geſtorben/ hat er ſeinen Juͤnger dem alten Geiſtlichen uͤberlibert/ und geſagt: dieſer iſt ein Engel GOttes; dann er hat in allen ſeinen Beſchwer- lichkeiten von mir niemahlen ein troͤſtliches Wort gehabt/ und hat mir dan- noch treulich gedienet. In ejus Vita. In Vit. P. P. 14. Wie viele/ ja unzahlbare ſeynd nicht geweſen/ die allen Unbill und Schmach mit groſſem Helden-Muth uͤberwunden haben. Auß deren Zahl der H. Dorotheus/ von einem ſeiner Bruͤder mit vielen Schand- und Schmaͤhe-Worten taͤglich verunehret worden/ und hat gleichwohl demſelbi- gen niemalen mit einem eintzigen Wort zu wider geredet: ſo gar auch hat der fromme Dorotheus dieſen ſeinen Schaͤnder/ da er von andern dieſerthal- ben verklagt worden/ und nun ſolte geſtraffet werden/ bey dem Vorſteher ent- ſchuldiget/ und durch Jeſum Chriſtum fuͤr ihn umb Vergebung gebetten/ und geſagt/ daß vielmehr er geſuͤndiget/ als ſein Bruder; und derhalben die geſetzte Straff verdienet habe. Mit vielen andern ſchwaͤren Unbillen haben deſſen Mit-Bruͤder demſelben faſt immer zur Ungedult angereitzet; er aber hat alles mit Freuden uͤberſtanden/ und nicht allein nicht mit Wor- ten ſich jemahln verthaͤtiget; ſondern dieſerthalben keinen immer ſauer ange- ſehen. Von dieſem Gott-ſeeligen Dorotheo ſchlag ich meine Augen auff die H. Jungfrau Magdalena de Pazzis/ und ſehe/ daß ſich der leidige Sa- than in die Geſtalt dieſer Jungfrauen verwandelt/ und alſo das Fleiſch auß dem Camin der gemeinen Kuchen ſtehlet. Die Kuchen-Meiſterin be- ruͤchtiget Magdalenam billiger maſſen/ und macht kundbar/ was ſie geſe- hen In Vit. N n 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/313>, abgerufen am 16.07.2024.