Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von den Versuchungen. terschiedliche/ so wohl Weib-als Männlichen Geschlechts abschewliche Ent-blösung angefochten; und sie gegen diese Gewalt mit heroischem Gemüth obgesiget hatte; ist ihr Christus in sichtbarlicher Gestalt erschienen; den sie mit diesen kläglichen Worten angeredet und gesagt: O ich armselige! wo warest du/ mein Heyland/ da so entsetzliche und unkeusche Vorbildungen mein Hertz bestritten? der Bräutigamb hat ihr geantwortet: ich ware in deinem Hertzen gegenwärtig mein Catharina, und sahe dem Spiel zu: Als sie nun weiters mit Verwunderung gefragt/ wie es immer seyn möge/ daß der aller- reineste JESUS in einem/ mit so vielen unsaubern Gedancken gleichsamb erfülltem Hertzen habe zugegen seyn können? hat sie der Herr gefragt: hast du in die so unflätige und sottige Einbildungen verwilliget? haben dich diese Venus-Schmeichlungen nicht erlüstiget? mit nichten/ sagt die keusche Jung- fraw: daß seye weit von mir/ O Herr; zumahlen mir nichts mißfälligers und beschwärlichers jemahlen hätte vorkommen können: so ist dann/ sagt Christus/ dieser der Lorber-Krantz deines erhaltenen Siegs; dieß ist die Cron deß Verdiensts; dieß ist der Ruhm und Glori deines Streits/ dem ich per- söhnlich hab beygewohnet. Keiner wird die Wunden der bösen Begirden empfinden/ so lang er nicht bewilliget. Wer in Vertreibung der heßlichen Gedancken arbeitet/ der macht sich der Höllen meister. Nicht ohne grosses Abschewen und verdrießliche Langwirigkeit hat die gemeldte Catharina mit diesen unreinen Gedancken herumb schlagen müssen: so lang aber diese Ver- suchung gewähret/ hat sie/ so viel ihr ist zugelassen gewesen/ in der Kirchen sich auffgehalten. 10. Auch lesen wir bey dem Palladio von dem Altvatter Pachomio, daßRodriq. und R r
Von den Verſuchungen. terſchiedliche/ ſo wohl Weib-als Maͤnnlichen Geſchlechts abſchewliche Ent-bloͤſung angefochten; und ſie gegen dieſe Gewalt mit heroiſchem Gemuͤth obgeſiget hatte; iſt ihr Chriſtus in ſichtbarlicher Geſtalt erſchienen; den ſie mit dieſen klaͤglichen Worten angeredet und geſagt: O ich armſelige! wo wareſt du/ mein Heyland/ da ſo entſetzliche und unkeuſche Vorbildungen mein Hertz beſtritten? der Braͤutigamb hat ihr geantwortet: ich ware in deinem Hertzen gegenwaͤrtig mein Catharina, und ſahe dem Spiel zu: Als ſie nun weiters mit Verwunderung gefragt/ wie es immer ſeyn moͤge/ daß der aller- reineſte JESUS in einem/ mit ſo vielen unſaubern Gedancken gleichſamb erfuͤlltem Hertzen habe zugegen ſeyn koͤnnen? hat ſie der Herr gefragt: haſt du in die ſo unflaͤtige und ſottige Einbildungen verwilliget? haben dich dieſe Venus-Schmeichlungen nicht erluͤſtiget? mit nichten/ ſagt die keuſche Jung- fraw: daß ſeye weit von mir/ O Herr; zumahlen mir nichts mißfaͤlligers und beſchwaͤrlichers jemahlen haͤtte vorkommen koͤnnen: ſo iſt dann/ ſagt Chriſtus/ dieſer der Lorber-Krantz deines erhaltenen Siegs; dieß iſt die Cron deß Verdienſts; dieß iſt der Ruhm und Glori deines Streits/ dem ich per- ſoͤhnlich hab beygewohnet. Keiner wird die Wunden der boͤſen Begirden empfinden/ ſo lang er nicht bewilliget. Wer in Vertreibung der heßlichen Gedancken arbeitet/ der macht ſich der Hoͤllen meiſter. Nicht ohne groſſes Abſchewen und verdrießliche Langwirigkeit hat die gemeldte Catharina mit dieſen unreinen Gedancken herumb ſchlagen muͤſſen: ſo lang aber dieſe Ver- ſuchung gewaͤhret/ hat ſie/ ſo viel ihr iſt zugelaſſen geweſen/ in der Kirchen ſich auffgehalten. 10. Auch leſen wir bey dem Palladio von dem Altvatter Pachomio, daßRodriq. und R r
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Von den Verſuchungen.
terſchiedliche/ ſo wohl Weib-als Maͤnnlichen Geſchlechts abſchewliche Ent-
bloͤſung angefochten; und ſie gegen dieſe Gewalt mit heroiſchem Gemuͤth
obgeſiget hatte; iſt ihr Chriſtus in ſichtbarlicher Geſtalt erſchienen; den ſie
mit dieſen klaͤglichen Worten angeredet und geſagt: O ich armſelige! wo
wareſt du/ mein Heyland/ da ſo entſetzliche und unkeuſche Vorbildungen mein
Hertz beſtritten? der Braͤutigamb hat ihr geantwortet: ich ware in deinem
Hertzen gegenwaͤrtig mein Catharina, und ſahe dem Spiel zu: Als ſie nun
weiters mit Verwunderung gefragt/ wie es immer ſeyn moͤge/ daß der aller-
reineſte JESUS in einem/ mit ſo vielen unſaubern Gedancken gleichſamb
erfuͤlltem Hertzen habe zugegen ſeyn koͤnnen? hat ſie der Herr gefragt: haſt du
in die ſo unflaͤtige und ſottige Einbildungen verwilliget? haben dich dieſe
Venus-Schmeichlungen nicht erluͤſtiget? mit nichten/ ſagt die keuſche Jung-
fraw: daß ſeye weit von mir/ O Herr; zumahlen mir nichts mißfaͤlligers
und beſchwaͤrlichers jemahlen haͤtte vorkommen koͤnnen: ſo iſt dann/ ſagt
Chriſtus/ dieſer der Lorber-Krantz deines erhaltenen Siegs; dieß iſt die Cron
deß Verdienſts; dieß iſt der Ruhm und Glori deines Streits/ dem ich per-
ſoͤhnlich hab beygewohnet. Keiner wird die Wunden der boͤſen Begirden
empfinden/ ſo lang er nicht bewilliget. Wer in Vertreibung der heßlichen
Gedancken arbeitet/ der macht ſich der Hoͤllen meiſter. Nicht ohne groſſes
Abſchewen und verdrießliche Langwirigkeit hat die gemeldte Catharina mit
dieſen unreinen Gedancken herumb ſchlagen muͤſſen: ſo lang aber dieſe Ver-
ſuchung gewaͤhret/ hat ſie/ ſo viel ihr iſt zugelaſſen geweſen/ in der Kirchen ſich
auffgehalten.
10. Auch leſen wir bey dem Palladio von dem Altvatter Pachomio, daß
dieſer heilige Mann den gemeldten Palladium mit dieſen Worten angeredet
habe: ſiehe mein Palladi, ich bin ein ſiebentzig jaͤhriger Mann; und obwohl
ich 40. Jahr lang meine Zelle ſehr fleiſſig bewohnet; und nur GOtt zu die-
nen/ und das Heyl meiner Seelen zu befoͤrdern mich befliſſen/ und nunmehr
zu ſolchem Alter gelangt bin/ wie du ſieheſt/ nichts deſto weniger werd ich biß
auff heutigen Tag von den Verſuchungen deß Fleiſches angefochten: und
wie Palladius bezeugt/ hat der vorgedachte Pachomius erzehlet/ daß er nach
dem fuͤnfftzigſtẽ Jahr ſeines Alters/ zwoͤlff Jahr lang nach einander/ alle Tag
und Nacht denfeindlichen Anfall deß Fleiſches erlitten habe: und nachdem er
zu bezwingung dieſes Feinds allen Verſuch umbſonſt gethan habe; ſeye er mit
Trawrigkeit uͤberfallen worden: und da er dieſen ſeinen elenden Stand mit
vielen Zaͤhren dem lieben GOtt geklaget; habe er eine innerliche Stimm ge-
hoͤret/ welche ihn folgender Geſtalt angeredet hat: gehe hin/ mein Pachomi,
und
Rodriq.
n. 2. tr. 3. c.
35. §. 4.
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/341>, abgerufen am 16.07.2024. |