Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Fünff und Zwantzigste Geistliche Lection keine Sünd gerechnet. Und/ wann du schon durch dein voriges unzuchtigesLeben dir Gelegenheit zusolchen Thräumen gegeben hast/ so wirstu doch a[b] jetzo an dem/ was du leidest/ nicht schuldig seyn: dieweilen du über solches Leben wahre Reu und Leyd getragen hast/ und noch tragest; wann du nur in diese Teuffelische Crinnerungen nicht einwilligest. Wann auch der böse Feind dir bißweilen Gotts-Lästerungen und verfluchte Gedancken gegen mich und meine Ausserwählte eingibt; so werde du derhalben nicht kleinmü- thig: dann so lang du in diese Gedancken nicht einwilligest/ so lang leydestu selbige mehr/ als du sie im Werck übest. Wann dich auch diese Versu- chungen mehr betrüben/ als belüstigen; so solstu keines Wegs darüber er- schrecket werden; und ist dir nicht nothwendig/ selbige dem Priester zu beich- ten. Jch aber lasse dich dieses schmecken/ und belästige dich darmit/ nicht daß du dadurch besudlet/ sondern gereiniget werdest. Der laidige Sathan stifftet solche Ungewitter derhalben an; damit er/ indem du dich demselben widersetzest/ von dem Geschmack meiner Liebe dich verhindere und zurück halte; dann er erfreuet sich/ wann er dich durch Scrupulen und unnöthige Unruhe beänstigen/ und von mir abwenden kan. Du aber/ mein Seel/ förchte dich nicht für dergleichen Eingebungen; habe keine Achtung auff solche Einbildungen; nicht antworte denselbigen; nicht stelle dich hefftig zur Gegenwehr: sondern lasse alles unvermerckt hingehen/ als wann du nichts empfunden hättest; fahre fort in deinen heiligen Ubungen/ und laß dich durch solche Versuchungen nicht verhindern; achte sie höher nicht/ als das Bellen der Hund/ oder Pfeisen der Gänse. Dann so du dich denselben widersetzen/ disputiren/ erforschen oder dich darob entsetzen wirst; so kans anders nicht geschehen/ als daß du selbige in deine Gedächtnuß gleichsamb eintruckest/ und dich in eine grosse Unruhe verwickelest. So weit hat in die Person Christi geredet der vor gemeldte Gottseelige Blosius. Vita. 9. Dieses alles erhellet noch besser auß dem/ was der H. Catharinä von ter-
Die Fuͤnff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection keine Suͤnd gerechnet. Und/ wann du ſchon durch dein voriges unzuchtigesLeben dir Gelegenheit zuſolchen Thraͤumen gegeben haſt/ ſo wirſtu doch a[b] jetzo an dem/ was du leideſt/ nicht ſchuldig ſeyn: dieweilen du uͤber ſolches Leben wahre Reu und Leyd getragen haſt/ und noch trageſt; wann du nur in dieſe Teuffeliſche Crinnerungen nicht einwilligeſt. Wann auch der boͤſe Feind dir bißweilen Gotts-Laͤſterungen und verfluchte Gedancken gegen mich und meine Auſſerwaͤhlte eingibt; ſo werde du derhalben nicht kleinmuͤ- thig: dann ſo lang du in dieſe Gedancken nicht einwilligeſt/ ſo lang leydeſtu ſelbige mehr/ als du ſie im Werck uͤbeſt. Wann dich auch dieſe Verſu- chungen mehr betruͤben/ als beluͤſtigen; ſo ſolſtu keines Wegs daruͤber er- ſchrecket werden; und iſt dir nicht nothwendig/ ſelbige dem Prieſter zu beich- ten. Jch aber laſſe dich dieſes ſchmecken/ und belaͤſtige dich darmit/ nicht daß du dadurch beſudlet/ ſondern gereiniget werdeſt. Der laidige Sathan ſtifftet ſolche Ungewitter derhalben an; damit er/ indem du dich demſelben widerſetzeſt/ von dem Geſchmack meiner Liebe dich verhindere und zuruͤck halte; dann er erfreuet ſich/ wann er dich durch Scrupulen und unnoͤthige Unruhe beaͤnſtigen/ und von mir abwenden kan. Du aber/ mein Seel/ foͤrchte dich nicht fuͤr dergleichen Eingebungen; habe keine Achtung auff ſolche Einbildungen; nicht antworte denſelbigen; nicht ſtelle dich hefftig zur Gegenwehr: ſondern laſſe alles unvermerckt hingehen/ als wann du nichts empfunden haͤtteſt; fahre fort in deinen heiligen Ubungen/ und laß dich durch ſolche Verſuchungen nicht verhindern; achte ſie hoͤher nicht/ als das Bellen der Hund/ oder Pfeiſen der Gaͤnſe. Dann ſo du dich denſelben widerſetzen/ diſputiren/ erforſchen oder dich darob entſetzen wirſt; ſo kans anders nicht geſchehen/ als daß du ſelbige in deine Gedaͤchtnuß gleichſamb eintruckeſt/ und dich in eine groſſe Unruhe verwickeleſt. So weit hat in die Perſon Chriſti geredet der vor gemeldte Gottſeelige Bloſius. Vita. 9. Dieſes alles erhellet noch beſſer auß dem/ was der H. Catharinaͤ von ter-
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Die Fuͤnff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
keine Suͤnd gerechnet. Und/ wann du ſchon durch dein voriges unzuchtiges
Leben dir Gelegenheit zuſolchen Thraͤumen gegeben haſt/ ſo wirſtu doch
ab jetzo an dem/ was du leideſt/ nicht ſchuldig ſeyn: dieweilen du uͤber ſolches
Leben wahre Reu und Leyd getragen haſt/ und noch trageſt; wann du nur in
dieſe Teuffeliſche Crinnerungen nicht einwilligeſt. Wann auch der boͤſe
Feind dir bißweilen Gotts-Laͤſterungen und verfluchte Gedancken gegen
mich und meine Auſſerwaͤhlte eingibt; ſo werde du derhalben nicht kleinmuͤ-
thig: dann ſo lang du in dieſe Gedancken nicht einwilligeſt/ ſo lang leydeſtu
ſelbige mehr/ als du ſie im Werck uͤbeſt. Wann dich auch dieſe Verſu-
chungen mehr betruͤben/ als beluͤſtigen; ſo ſolſtu keines Wegs daruͤber er-
ſchrecket werden; und iſt dir nicht nothwendig/ ſelbige dem Prieſter zu beich-
ten. Jch aber laſſe dich dieſes ſchmecken/ und belaͤſtige dich darmit/
nicht daß du dadurch beſudlet/ ſondern gereiniget werdeſt. Der laidige
Sathan ſtifftet ſolche Ungewitter derhalben an; damit er/ indem du dich
demſelben widerſetzeſt/ von dem Geſchmack meiner Liebe dich verhindere
und zuruͤck halte; dann er erfreuet ſich/ wann er dich durch Scrupulen und
unnoͤthige Unruhe beaͤnſtigen/ und von mir abwenden kan. Du aber/ mein
Seel/ foͤrchte dich nicht fuͤr dergleichen Eingebungen; habe keine Achtung
auff ſolche Einbildungen; nicht antworte denſelbigen; nicht ſtelle dich hefftig
zur Gegenwehr: ſondern laſſe alles unvermerckt hingehen/ als wann du
nichts empfunden haͤtteſt; fahre fort in deinen heiligen Ubungen/ und laß
dich durch ſolche Verſuchungen nicht verhindern; achte ſie hoͤher nicht/ als
das Bellen der Hund/ oder Pfeiſen der Gaͤnſe. Dann ſo du dich denſelben
widerſetzen/ diſputiren/ erforſchen oder dich darob entſetzen wirſt; ſo kans
anders nicht geſchehen/ als daß du ſelbige in deine Gedaͤchtnuß gleichſamb
eintruckeſt/ und dich in eine groſſe Unruhe verwickeleſt. So weit hat in die
Perſon Chriſti geredet der vor gemeldte Gottſeelige Bloſius.
9. Dieſes alles erhellet noch beſſer auß dem/ was der H. Catharinaͤ von
Senis widerfahren iſt. Dann ob ſchon dieſe H. Jungfrau mit Chriſto
ſo groſſe Gemeinſchafft pflegete/ daß ſie mit ſelbigem/ als ihrem Braͤuti-
gam redete: nichts deſto weniger hat er dieſes keuſcheſte Maͤgdlein mit den
unſauberen Geiſtern ſtreiten laſſen; damit ſie die Tugend der Keuſchheit deſto
beſſer uͤben moͤgte. Dahero iſt dieſe Jungfrau durch ſo unreine Geſichter/
und heßliche aſmodeiſche Einbildungen beſtritten worden; daß ſie von ſel-
bigen ein mehreres Abſcheuen/ als vom Tod ſelbſten empfunden. Da nun
der Teuffel dieſe Jungfrau unter andern mahlen auch einsmahls durch un-
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/340>, abgerufen am 16.07.2024. |