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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Ein und Dreyssigste Geistliche Lection
hat der H Pambo ein Abt sich selbsten beweint. Welcher/ als er durch Anmah-
nung deß Bischoffs S. Athanasii auß der Wüsten nach Alexandriam kommen
war/ und alda ein gar schön gebutztes Weibsbild gesehen/ vergiesete er viele und
bittere Zähren/ hat er denen Beystehenden/ so gefraget/ warumb er geweinet
hätte/ geantwortet: zwey Dinge haben mich bewogen/ eines dieses Weibs
Verdamnuß; daß andere/ daß ich solchen Fleiß nicht anwende/ daß ich Gott
gefallen möge/ dergleichen sie thut/ damit sie den heßlichen Menschen gefalle.
Eben dasselbe hat der H. Bischoff Nonnus beweinet/ wie unten im Leben
der H. Pilagiä weitläufftiger wird erzehlet werden.

3. Und dieß ist erste Weeg zur geistlichen Vollkommenheit/ der geistlicht
Eiffer. Der andere ist die Sorge für die gerinsten Sachen/ welche nichts
anderst ist/ als ein fleisige und fürsichtige Bemühung der gerinsten Sachen
unter andern zu meiden/ wann sie der Vollkommenheit schädlich seynd; oder
anzunehmen/ wann sie nutzen. Es wird aber gesagt/ daß diese Sorge zur
Vollkommenheit am aller meisten gehöre/ dieweil die Sorge für die grösse-
sten Sünden nicht so wohl zur Vollkommenheit/ als zur Seeligkeit nöthig ist.
Wie aber dise Sorge für die kleinesten Sachen Gott angenehm seye/ zeigt uns
Cant. 4. 9an der Göttliche Bräutigam/ wann er seine Braut also anredet: Du hast
mein Hertz verwundet/ meine Schwester/ meine Braut/ du
hast mein Hertz verwundet mit einem deiner Augen/ und
mit einem Haar deines Halses.
Was kan anderst durchs Aug/ und
was anderst durchs Haar verstanden werden/ als die kleineste Wercke eiffe-
rig gethan/ welche das Hertz unsers Seeligmachers also verwunden/ daß/ nach
Blosius c.
2. instit.
spir.
Zeugnüß deß Ehr-würdigen Blosii/ sie ihm eine mehr angenehmere Sache
thun/ wann sie in den kleinesten Sachen GOtt zu gefallen dem eignen Wil-
len widerstehet/ und sich abtödtet/ als wann sie viele Todten aufferweckete.
Und zwarn billig/ dann gleich wie nach der Lehr S. Paulini, ein Sanfftkorn/
Ep. 20. ad
Aman-
dum.
ob es gleich das kleineste unter dem Saamen scheinet/ nichts desto weniger im
Kraut das gröste ist: Also die Sorge für die kleinesten Sachen/ ob sie gleich
eine geringe Sach zu seyn scheinet/ dennoch wachset es in die Aehren der grös-
sesten Tugenden/ und in die grösten Garben der himmlischen Gnaden. Da-
hero auch S. Cyrillus über die Wort Christi/ die Haare eures Haupts seyn al-
le gezehlet/ sagt: Was bedeuten die Haaren deß Haupts anderst/ als die klei-
nesten Würckungen/ welche GOtt genau in acht nimbt/ und belohnet? Da-
mit aber niemand diese Warheit in Zweiffel ziehete/ hat dieses unser Heyland
selbst bezeuget bey dem Matthäum/ sagend: Ey du frommer und ge-
Matth.
25. 23.
treuer Knecht/ dieweil du uber weniges treu gewesen bist/

so

Die Ein und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
hat der H Pambo ein Abt ſich ſelbſten beweint. Welcher/ als er durch Anmah-
nung deß Biſchoffs S. Athanaſii auß der Wuͤſten nach Alexandriam kom̃en
war/ und alda ein gar ſchoͤn gebutztes Weibsbild geſehen/ vergieſete er viele uñ
bittere Zaͤhren/ hat er denen Beyſtehenden/ ſo gefraget/ warumb er geweinet
haͤtte/ geantwortet: zwey Dinge haben mich bewogen/ eines dieſes Weibs
Verdamnuß; daß andere/ daß ich ſolchen Fleiß nicht anwende/ daß ich Gott
gefallen moͤge/ dergleichen ſie thut/ damit ſie den heßlichen Menſchen gefalle.
Eben daſſelbe hat der H. Biſchoff Nonnus beweinet/ wie unten im Leben
der H. Pilagiaͤ weitlaͤufftiger wird erzehlet werden.

3. Und dieß iſt erſte Weeg zur geiſtlichen Vollkommenheit/ der geiſtlicht
Eiffer. Der andere iſt die Sorge fuͤr die gerinſten Sachen/ welche nichts
anderſt iſt/ als ein fleiſige und fuͤrſichtige Bemuͤhung der gerinſten Sachen
unter andern zu meiden/ wann ſie der Vollkommenheit ſchaͤdlich ſeynd; oder
anzunehmen/ wann ſie nutzen. Es wird aber geſagt/ daß dieſe Sorge zur
Vollkommenheit am aller meiſten gehoͤre/ dieweil die Sorge fuͤr die groͤſſe-
ſten Suͤnden nicht ſo wohl zur Vollkommenheit/ als zur Seeligkeit noͤthig iſt.
Wie aber diſe Sorge fuͤr die kleineſten Sachen Gott angenehm ſeye/ zeigt uns
Cant. 4. 9an der Goͤttliche Braͤutigam/ wann er ſeine Braut alſo anredet: Du haſt
mein Hertz verwundet/ meine Schweſter/ meine Braut/ du
haſt mein Hertz verwundet mit einem deiner Augen/ und
mit einem Haar deines Halſes.
Was kan anderſt durchs Aug/ und
was anderſt durchs Haar verſtanden werden/ als die kleineſte Wercke eiffe-
rig gethan/ welche das Hertz unſers Seeligmachers alſo verwunden/ daß/ nach
Bloſius c.
2. inſtit.
ſpir.
Zeugnuͤß deß Ehr-wuͤrdigen Bloſii/ ſie ihm eine mehr angenehmere Sache
thun/ wann ſie in den kleineſten Sachen GOtt zu gefallen dem eignen Wil-
len widerſtehet/ und ſich abtoͤdtet/ als wann ſie viele Todten aufferweckete.
Und zwarn billig/ dann gleich wie nach der Lehr S. Paulini, ein Sanfftkorn/
Ep. 20. ad
Aman-
dum.
ob es gleich das kleineſte unter dem Saamen ſcheinet/ nichts deſto weniger im
Kraut das groͤſte iſt: Alſo die Sorge fuͤr die kleineſten Sachen/ ob ſie gleich
eine geringe Sach zu ſeyn ſcheinet/ dennoch wachſet es in die Aehren der groͤſ-
ſeſten Tugenden/ und in die groͤſten Garben der himmliſchen Gnaden. Da-
hero auch S. Cyrillus uͤber die Wort Chriſti/ die Haare eures Haupts ſeyn al-
le gezehlet/ ſagt: Was bedeuten die Haaren deß Haupts anderſt/ als die klei-
neſten Wuͤrckungen/ welche GOtt genau in acht nimbt/ und belohnet? Da-
mit aber niemand dieſe Warheit in Zweiffel ziehete/ hat dieſes unſer Heyland
ſelbſt bezeuget bey dem Matthaͤum/ ſagend: Ey du frommer und ge-
Matth.
25. 23.
treuer Knecht/ dieweil du ůber weniges treu geweſen biſt/

ſo
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[382/0410] Die Ein und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection hat der H Pambo ein Abt ſich ſelbſten beweint. Welcher/ als er durch Anmah- nung deß Biſchoffs S. Athanaſii auß der Wuͤſten nach Alexandriam kom̃en war/ und alda ein gar ſchoͤn gebutztes Weibsbild geſehen/ vergieſete er viele uñ bittere Zaͤhren/ hat er denen Beyſtehenden/ ſo gefraget/ warumb er geweinet haͤtte/ geantwortet: zwey Dinge haben mich bewogen/ eines dieſes Weibs Verdamnuß; daß andere/ daß ich ſolchen Fleiß nicht anwende/ daß ich Gott gefallen moͤge/ dergleichen ſie thut/ damit ſie den heßlichen Menſchen gefalle. Eben daſſelbe hat der H. Biſchoff Nonnus beweinet/ wie unten im Leben der H. Pilagiaͤ weitlaͤufftiger wird erzehlet werden. 3. Und dieß iſt erſte Weeg zur geiſtlichen Vollkommenheit/ der geiſtlicht Eiffer. Der andere iſt die Sorge fuͤr die gerinſten Sachen/ welche nichts anderſt iſt/ als ein fleiſige und fuͤrſichtige Bemuͤhung der gerinſten Sachen unter andern zu meiden/ wann ſie der Vollkommenheit ſchaͤdlich ſeynd; oder anzunehmen/ wann ſie nutzen. Es wird aber geſagt/ daß dieſe Sorge zur Vollkommenheit am aller meiſten gehoͤre/ dieweil die Sorge fuͤr die groͤſſe- ſten Suͤnden nicht ſo wohl zur Vollkommenheit/ als zur Seeligkeit noͤthig iſt. Wie aber diſe Sorge fuͤr die kleineſten Sachen Gott angenehm ſeye/ zeigt uns an der Goͤttliche Braͤutigam/ wann er ſeine Braut alſo anredet: Du haſt mein Hertz verwundet/ meine Schweſter/ meine Braut/ du haſt mein Hertz verwundet mit einem deiner Augen/ und mit einem Haar deines Halſes. Was kan anderſt durchs Aug/ und was anderſt durchs Haar verſtanden werden/ als die kleineſte Wercke eiffe- rig gethan/ welche das Hertz unſers Seeligmachers alſo verwunden/ daß/ nach Zeugnuͤß deß Ehr-wuͤrdigen Bloſii/ ſie ihm eine mehr angenehmere Sache thun/ wann ſie in den kleineſten Sachen GOtt zu gefallen dem eignen Wil- len widerſtehet/ und ſich abtoͤdtet/ als wann ſie viele Todten aufferweckete. Und zwarn billig/ dann gleich wie nach der Lehr S. Paulini, ein Sanfftkorn/ ob es gleich das kleineſte unter dem Saamen ſcheinet/ nichts deſto weniger im Kraut das groͤſte iſt: Alſo die Sorge fuͤr die kleineſten Sachen/ ob ſie gleich eine geringe Sach zu ſeyn ſcheinet/ dennoch wachſet es in die Aehren der groͤſ- ſeſten Tugenden/ und in die groͤſten Garben der himmliſchen Gnaden. Da- hero auch S. Cyrillus uͤber die Wort Chriſti/ die Haare eures Haupts ſeyn al- le gezehlet/ ſagt: Was bedeuten die Haaren deß Haupts anderſt/ als die klei- neſten Wuͤrckungen/ welche GOtt genau in acht nimbt/ und belohnet? Da- mit aber niemand dieſe Warheit in Zweiffel ziehete/ hat dieſes unſer Heyland ſelbſt bezeuget bey dem Matthaͤum/ ſagend: Ey du frommer und ge- treuer Knecht/ dieweil du ůber weniges treu geweſen biſt/ ſo Cant. 4. 9 Bloſius c. 2. inſtit. ſpir. Ep. 20. ad Aman- dum. Matth. 25. 23.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/410>, abgerufen am 21.11.2024.