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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Abtödtung.

11. Wie das Gefühl abzutödten sey/ haben wir schon fol. 40. num. 9
biß zur num. 10. gesagt/ welchem dieses kan beygesetzet werden/ daß nemblich
zur Abtödtung deß Gefühls gehöre/ gedültig und mit Zufriedenheit die
Hitze/ die Kälte/ den Wind und andere Ungemache der Lufft/ so dem Leib zu
wider seynd/ vertragen/ noch gegen diese ein Mittel suchen/ so lang das Gesetz
der Bescheidenheit dieß will zulassen. Also auch die Mucken/ Flöhe/ und an-
dere dergleichen besehwärliche Thiere mit billigem Gemüth erdülden/ wann
sie auch am meisten einem zusetzen. Und wiederumb/ den Leib mit freywilli-
ger Strengigkeit abtödten/ als mit härenen Kleidern/ Geißlungen/ mit gro-
ben Kleidern/ hartem Bette/ unbequemen Sitzen/ und andere dergleichen
schmertzbringenden Sachen: wie auch in der Zelle stehen oder knien biß zur
Schwächung der Kräfften/ oder mit auß gespannten Armen eine Zeitlang
betten/ oder auff der Erde schlaffen/ oder eine andere dergleichen Gewalt dem
Leib mit Bescheidenheit anthun.

12. Wie von dem Gefühl/ also ist auch von dem Gesicht gesagt worden/
fol. 191. num. 10. biß zur num. 17. Ob wir aber gleich am gedachten Orth
zimblich weitläufftig vom Gesicht geredet/ haben wir doch viel außgelassen/
welches wir mit Fleiß in dieser Lection außzulegen auffbehalten. Dahero
daß man die Weiber nicht ansehen solle (wie es erinnert worden) werden
wir auch dahero gelehret/ was dem H. Ephrem widerfahren/ dann als der
H. Mann in der Einöde der Wälder und Bergen wöhnete/ hat ihm GOtt
eingegeben/ daß er auch mit dem Nechsten umbgienge/ und dieser Einsamkeit
absagete/ damit er vieler Nutzen abwarten könte: und also hat er sich mit Fleiß
nach Edissa begeben/ und den Herrn gebetten/ daß er unter dem Eingang in
die Statt einen heiligen Mann antreffen möchte/ deme er seines Hertzens
Heimligkeiten offenbahrete/ und von welchem er geholffen/ und in allen zum
geistlichen Leben gehörenden Sachen regiret würde: aber Gott hat dem in
die Statt Edessam kommenden S. Ephrem eine Hur entgegen kommen las-
sen/ welches den H. Mann sehr bekümmert/ weil er meinete er wäre von Gött
nicht erhöret worden: deßwegen hat er traurig und mit schamhaffter Röthe
eingenommen/ die Augen zur Erden niedergeschlagen: die unverschämbte
Hur aber hat ihn mit unverwandeten Augen angesehen: deßwegen hat sich
der H. Mann geschämet/ und sie gescholten/ sagend: schämbst du dich nicht/
Weib; daß du mich mit so unverrückten Augen anschauest? deme sie geant-
wortet: ich schäme mich nicht/ dann ich meine/ daß es mir zugelassen seye dich
anzuschauen/ weilen ich von dir und deiner Seiten genommen bin: dir aber
gebühret es nicht die Weiber/ sondern die Erde deine Mutter/ darauß du ge-

nommen
F f f
Von der Abtoͤdtung.

11. Wie das Gefuͤhl abzutoͤdten ſey/ haben wir ſchon fol. 40. num. 9
biß zur num. 10. geſagt/ welchem dieſes kan beygeſetzet werden/ daß nemblich
zur Abtoͤdtung deß Gefuͤhls gehoͤre/ geduͤltig und mit Zufriedenheit die
Hitze/ die Kaͤlte/ den Wind und andere Ungemache der Lufft/ ſo dem Leib zu
wider ſeynd/ vertragen/ noch gegen dieſe ein Mittel ſuchen/ ſo lang das Geſetz
der Beſcheidenheit dieß will zulaſſen. Alſo auch die Mucken/ Floͤhe/ und an-
dere dergleichen beſehwaͤrliche Thiere mit billigem Gemuͤth erduͤlden/ wann
ſie auch am meiſten einem zuſetzen. Und wiederumb/ den Leib mit freywilli-
ger Strengigkeit abtoͤdten/ als mit haͤrenen Kleidern/ Geißlungen/ mit gro-
ben Kleidern/ hartem Bette/ unbequemen Sitzen/ und andere dergleichen
ſchmertzbringenden Sachen: wie auch in der Zelle ſtehen oder knien biß zur
Schwaͤchung der Kraͤfften/ oder mit auß geſpannten Armen eine Zeitlang
betten/ oder auff der Erde ſchlaffen/ oder eine andere dergleichen Gewalt dem
Leib mit Beſcheidenheit anthun.

12. Wie von dem Gefuͤhl/ alſo iſt auch von dem Geſicht geſagt worden/
fol. 191. num. 10. biß zur num. 17. Ob wir aber gleich am gedachten Orth
zimblich weitlaͤufftig vom Geſicht geredet/ haben wir doch viel außgelaſſen/
welches wir mit Fleiß in dieſer Lection außzulegen auffbehalten. Dahero
daß man die Weiber nicht anſehen ſolle (wie es erinnert worden) werden
wir auch dahero gelehret/ was dem H. Ephrem widerfahren/ dann als der
H. Mann in der Einoͤde der Waͤlder und Bergen woͤhnete/ hat ihm GOtt
eingegeben/ daß er auch mit dem Nechſten umbgienge/ und dieſer Einſamkeit
abſagete/ damit er vieler Nutzen abwarten koͤnte: und alſo hat er ſich mit Fleiß
nach Ediſſa begeben/ und den Herrn gebetten/ daß er unter dem Eingang in
die Statt einen heiligen Mann antreffen moͤchte/ deme er ſeines Hertzens
Heimligkeiten offenbahrete/ und von welchem er geholffen/ und in allen zum
geiſtlichen Leben gehoͤrenden Sachen regiret wuͤrde: aber Gott hat dem in
die Statt Edeſſam kommenden S. Ephrem eine Hur entgegen kommen laſ-
ſen/ welches den H. Mann ſehr bekuͤmmert/ weil er meinete er waͤre von Goͤtt
nicht erhoͤret worden: deßwegen hat er traurig und mit ſchamhaffter Roͤthe
eingenommen/ die Augen zur Erden niedergeſchlagen: die unverſchaͤmbte
Hur aber hat ihn mit unverwandeten Augen angeſehen: deßwegen hat ſich
der H. Mann geſchaͤmet/ und ſie geſcholten/ ſagend: ſchaͤmbſt du dich nicht/
Weib; daß du mich mit ſo unverruͤckten Augen anſchaueſt? deme ſie geant-
wortet: ich ſchaͤme mich nicht/ dann ich meine/ daß es mir zugelaſſen ſeye dich
anzuſchauen/ weilen ich von dir und deiner Seiten genommen bin: dir aber
gebuͤhret es nicht die Weiber/ ſondern die Erde deine Mutter/ darauß du ge-

nommen
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[409/0437] Von der Abtoͤdtung. 11. Wie das Gefuͤhl abzutoͤdten ſey/ haben wir ſchon fol. 40. num. 9 biß zur num. 10. geſagt/ welchem dieſes kan beygeſetzet werden/ daß nemblich zur Abtoͤdtung deß Gefuͤhls gehoͤre/ geduͤltig und mit Zufriedenheit die Hitze/ die Kaͤlte/ den Wind und andere Ungemache der Lufft/ ſo dem Leib zu wider ſeynd/ vertragen/ noch gegen dieſe ein Mittel ſuchen/ ſo lang das Geſetz der Beſcheidenheit dieß will zulaſſen. Alſo auch die Mucken/ Floͤhe/ und an- dere dergleichen beſehwaͤrliche Thiere mit billigem Gemuͤth erduͤlden/ wann ſie auch am meiſten einem zuſetzen. Und wiederumb/ den Leib mit freywilli- ger Strengigkeit abtoͤdten/ als mit haͤrenen Kleidern/ Geißlungen/ mit gro- ben Kleidern/ hartem Bette/ unbequemen Sitzen/ und andere dergleichen ſchmertzbringenden Sachen: wie auch in der Zelle ſtehen oder knien biß zur Schwaͤchung der Kraͤfften/ oder mit auß geſpannten Armen eine Zeitlang betten/ oder auff der Erde ſchlaffen/ oder eine andere dergleichen Gewalt dem Leib mit Beſcheidenheit anthun. 12. Wie von dem Gefuͤhl/ alſo iſt auch von dem Geſicht geſagt worden/ fol. 191. num. 10. biß zur num. 17. Ob wir aber gleich am gedachten Orth zimblich weitlaͤufftig vom Geſicht geredet/ haben wir doch viel außgelaſſen/ welches wir mit Fleiß in dieſer Lection außzulegen auffbehalten. Dahero daß man die Weiber nicht anſehen ſolle (wie es erinnert worden) werden wir auch dahero gelehret/ was dem H. Ephrem widerfahren/ dann als der H. Mann in der Einoͤde der Waͤlder und Bergen woͤhnete/ hat ihm GOtt eingegeben/ daß er auch mit dem Nechſten umbgienge/ und dieſer Einſamkeit abſagete/ damit er vieler Nutzen abwarten koͤnte: und alſo hat er ſich mit Fleiß nach Ediſſa begeben/ und den Herrn gebetten/ daß er unter dem Eingang in die Statt einen heiligen Mann antreffen moͤchte/ deme er ſeines Hertzens Heimligkeiten offenbahrete/ und von welchem er geholffen/ und in allen zum geiſtlichen Leben gehoͤrenden Sachen regiret wuͤrde: aber Gott hat dem in die Statt Edeſſam kommenden S. Ephrem eine Hur entgegen kommen laſ- ſen/ welches den H. Mann ſehr bekuͤmmert/ weil er meinete er waͤre von Goͤtt nicht erhoͤret worden: deßwegen hat er traurig und mit ſchamhaffter Roͤthe eingenommen/ die Augen zur Erden niedergeſchlagen: die unverſchaͤmbte Hur aber hat ihn mit unverwandeten Augen angeſehen: deßwegen hat ſich der H. Mann geſchaͤmet/ und ſie geſcholten/ ſagend: ſchaͤmbſt du dich nicht/ Weib; daß du mich mit ſo unverruͤckten Augen anſchaueſt? deme ſie geant- wortet: ich ſchaͤme mich nicht/ dann ich meine/ daß es mir zugelaſſen ſeye dich anzuſchauen/ weilen ich von dir und deiner Seiten genommen bin: dir aber gebuͤhret es nicht die Weiber/ ſondern die Erde deine Mutter/ darauß du ge- nommen F f f

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/437>, abgerufen am 16.07.2024.