Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Drey und Dreyssigste Geistliche Lection
nommen bist/ anzuschawen/ weilen du auch wieder in dieselbe wirst verkehret
werden: als Ephrem mit diesen Worten erinnert worden/ hat er GOTT
billigen Danck gesagt/ daß er von einer unehrlichen Hure gelernet/ daß er sei-
nen Ursprung auß der Erden habe/ und sie deßwegen mit unverwendten Au-
gen ansehen solle.

Drexel.
in Amus-
si l. 1. c.
8.
§. 2.

13. Aber es wird mir vielleicht jemand vorwerffen/ welches Drexelius ge-
dencket vom Englischen Doctor, Thomas Aquinas, dann als er einsmahls
bey einem Gastmahl war/ hat er mit unverwendten Anblicken ein sonderlich
schönes Weib betrachtet: welches/ als sein Gesell wahrgenommen/ hat er
nicht einen leichten Argwohn geschöpffet/ als er aber nach der Ursach forsche-
te/ hat ihm der Heil. Mann geantwortet: Jch kan mich über den Schöpffer
der Welt nicht gnugsamb verwundern/ welcher/ wann er seine Geschöpffe
mit solcher Schönheit begabet/ von was für unendlich grösserer Schönheit
wird nicht GOtt derselben Schöpffer glantzen? wann die armseelige Men-
schen jetzt in diesem Thal deß Elends so schön scheinen/ wie werden sie nicht
nach der allgemeinen Auff erstehung im Himmel seyn? darumb/ ob gleich der
Heil. Mann durch diese That sehr zu loben ist/ so muß mans ihm doch nicht
überall nachthun/ weilen in ihm kein Gefahr war: dann ihme war von Gott
eine sonderliche Keuschheit mitgetheilet/ welche Gnade nicht einer auß hun-
dert tausend Menschen haben wird. Deßwegen muß sich auch keiner frevent-
lich in die Gefahr begeben/ in welcher noch die fleischliche Lust lebet. Uber daß
muß man auch wissen/ daß der glorwürdige Doctor nicht im Gebrauch ge-
habt habe die Weiber anzuschawen/ sonsten solle Sorius nicht bezeugen/ daß
Surius in
vita.
er bißweilen das Anschawen der schönen Gesichter gemeidet/ wie andere die
Nattern und Scorpionen zu meiden pflegen. Was aber im vorgesagten
Fall geschehen ist/ hat sich auß sonderbahrem Willen GOTTES
zugetragen. Deßwegen hat auch der vor diesem grosse Mag ster der
In ejus
vita c.
4.
geistlicher Lehr P. Balthasar Alvarez (von welchem der Heil. Theresiae ist
offenbahret worden/ daß zu der Zeit/ da er lebte/ kein vollkommener in der
Kirch wäre) das Anschawen der Weiber also gemeidet/ daß/ als er zu Valli-
solet
bey einer öffentlichen Inquisitions-Handlung ware/ er sieben Stunde
die Augen auff ein Bild der seeligen Jungfrawen/ welches er bey sich truge/
fest gehalten/ allein darumb/ damit er nicht gezwungen wurde/ die Weiber an-
zusehen/ ohne welcher Anschawung er seine Augen nicht auff den Schaw-
Platz werffen konte.

14. Ein andere Art das Geficht abzutödten ist/ die Augen vom für witzi-
gen Anschen der weltlichen Pracht/ oder der künstlichen Sachen/ oder der

zu-

Die Drey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
nommen biſt/ anzuſchawen/ weilen du auch wieder in dieſelbe wirſt verkehret
werden: als Ephrem mit dieſen Worten erinnert worden/ hat er GOTT
billigen Danck geſagt/ daß er von einer unehrlichen Hure gelernet/ daß er ſei-
nen Urſprung auß der Erden habe/ und ſie deßwegen mit unverwendten Au-
gen anſehen ſolle.

Drexel.
in Amuſ-
ſi l. 1. c.
8.
§. 2.

13. Aber es wird mir vielleicht jemand vorwerffen/ welches Drexelius ge-
dencket vom Engliſchen Doctor, Thomas Aquinas, dann als er einsmahls
bey einem Gaſtmahl war/ hat er mit unverwendten Anblicken ein ſonderlich
ſchoͤnes Weib betrachtet: welches/ als ſein Geſell wahrgenommen/ hat er
nicht einen leichten Argwohn geſchoͤpffet/ als er aber nach der Urſach forſche-
te/ hat ihm der Heil. Mann geantwortet: Jch kan mich uͤber den Schoͤpffer
der Welt nicht gnugſamb verwundern/ welcher/ wann er ſeine Geſchoͤpffe
mit ſolcher Schoͤnheit begabet/ von was fuͤr unendlich groͤſſerer Schoͤnheit
wird nicht GOtt derſelben Schoͤpffer glantzen? wann die armſeelige Men-
ſchen jetzt in dieſem Thal deß Elends ſo ſchoͤn ſcheinen/ wie werden ſie nicht
nach der allgemeinen Auff erſtehung im Himmel ſeyn? darumb/ ob gleich der
Heil. Mann durch dieſe That ſehr zu loben iſt/ ſo muß mans ihm doch nicht
uͤberall nachthun/ weilen in ihm kein Gefahr war: dann ihme war von Gott
eine ſonderliche Keuſchheit mitgetheilet/ welche Gnade nicht einer auß hun-
dert tauſend Menſchen haben wird. Deßwegen muß ſich auch keiner frevent-
lich in die Gefahr begeben/ in welcher noch die fleiſchliche Luſt lebet. Uber daß
muß man auch wiſſen/ daß der glorwuͤrdige Doctor nicht im Gebrauch ge-
habt habe die Weiber anzuſchawen/ ſonſten ſolle Sorius nicht bezeugen/ daß
Surius in
vita.
er bißweilen das Anſchawen der ſchoͤnen Geſichter gemeidet/ wie andere die
Nattern und Scorpionen zu meiden pflegen. Was aber im vorgeſagten
Fall geſchehen iſt/ hat ſich auß ſonderbahrem Willen GOTTES
zugetragen. Deßwegen hat auch der vor dieſem groſſe Mag ſter der
In ejus
vita c.
4.
geiſtlicher Lehr P. Balthaſar Alvarez (von welchem der Heil. Thereſiæ iſt
offenbahret worden/ daß zu der Zeit/ da er lebte/ kein vollkommener in der
Kirch waͤre) das Anſchawen der Weiber alſo gemeidet/ daß/ als er zu Valli-
ſolet
bey einer oͤffentlichen Inquiſitions-Handlung ware/ er ſieben Stunde
die Augen auff ein Bild der ſeeligen Jungfrawen/ welches er bey ſich truge/
feſt gehalten/ allein darumb/ damit er nicht gezwungen wurde/ die Weiber an-
zuſehen/ ohne welcher Anſchawung er ſeine Augen nicht auff den Schaw-
Platz werffen konte.

14. Ein andere Art das Geficht abzutoͤdten iſt/ die Augen vom fuͤr witzi-
gen Anſchen der weltlichen Pracht/ oder der kuͤnſtlichen Sachen/ oder der

zu-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0438" n="410"/><fw place="top" type="header">Die Drey und Drey&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;te Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
nommen bi&#x017F;t/ anzu&#x017F;chawen/ weilen du auch wieder in die&#x017F;elbe wir&#x017F;t verkehret<lb/>
werden: als <hi rendition="#aq">Ephrem</hi> mit die&#x017F;en Worten erinnert worden/ hat er GOTT<lb/>
billigen Danck ge&#x017F;agt/ daß er von einer unehrlichen Hure gelernet/ daß er &#x017F;ei-<lb/>
nen Ur&#x017F;prung auß der Erden habe/ und &#x017F;ie deßwegen mit unverwendten Au-<lb/>
gen an&#x017F;ehen &#x017F;olle.</p><lb/>
          <note place="left"><hi rendition="#aq">Drexel.<lb/>
in Amu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;i l. 1. c.</hi> 8.<lb/>
§. 2.</note>
          <p>13. Aber es wird mir vielleicht jemand vorwerffen/ welches <hi rendition="#aq">Drexelius</hi> ge-<lb/>
dencket vom Engli&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Doctor, Thomas Aquinas,</hi> dann als er einsmahls<lb/>
bey einem Ga&#x017F;tmahl war/ hat er mit unverwendten Anblicken ein &#x017F;onderlich<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nes Weib betrachtet: welches/ als &#x017F;ein Ge&#x017F;ell wahrgenommen/ hat er<lb/>
nicht einen leichten Argwohn ge&#x017F;cho&#x0364;pffet/ als er aber nach der Ur&#x017F;ach for&#x017F;che-<lb/>
te/ hat ihm der Heil. Mann geantwortet: Jch kan mich u&#x0364;ber den Scho&#x0364;pffer<lb/>
der Welt nicht gnug&#x017F;amb verwundern/ welcher/ wann er &#x017F;eine Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe<lb/>
mit &#x017F;olcher Scho&#x0364;nheit begabet/ von was fu&#x0364;r unendlich gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer Scho&#x0364;nheit<lb/>
wird nicht GOtt der&#x017F;elben Scho&#x0364;pffer glantzen? wann die arm&#x017F;eelige Men-<lb/>
&#x017F;chen jetzt in die&#x017F;em Thal deß Elends &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;cheinen/ wie werden &#x017F;ie nicht<lb/>
nach der allgemeinen Auff er&#x017F;tehung im Himmel &#x017F;eyn? darumb/ ob gleich der<lb/>
Heil. Mann durch die&#x017F;e That &#x017F;ehr zu loben i&#x017F;t/ &#x017F;o muß mans ihm doch nicht<lb/>
u&#x0364;berall nachthun/ weilen in ihm kein Gefahr war: dann ihme war von Gott<lb/>
eine &#x017F;onderliche Keu&#x017F;chheit mitgetheilet/ welche Gnade nicht einer auß hun-<lb/>
dert tau&#x017F;end Men&#x017F;chen haben wird. Deßwegen muß &#x017F;ich auch keiner frevent-<lb/>
lich in die Gefahr begeben/ in welcher noch die flei&#x017F;chliche Lu&#x017F;t lebet. Uber daß<lb/>
muß man auch wi&#x017F;&#x017F;en/ daß der glorwu&#x0364;rdige <hi rendition="#aq">Doctor</hi> nicht im Gebrauch ge-<lb/>
habt habe die Weiber anzu&#x017F;chawen/ &#x017F;on&#x017F;ten &#x017F;olle <hi rendition="#aq">Sorius</hi> nicht bezeugen/ daß<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Surius in<lb/>
vita.</hi></note>er bißweilen das An&#x017F;chawen der &#x017F;cho&#x0364;nen Ge&#x017F;ichter gemeidet/ wie andere die<lb/>
Nattern und Scorpionen zu meiden pflegen. Was aber im vorge&#x017F;agten<lb/>
Fall ge&#x017F;chehen i&#x017F;t/ hat &#x017F;ich auß &#x017F;onderbahrem Willen <hi rendition="#g">GOTTES</hi><lb/>
zugetragen. Deßwegen hat auch der vor die&#x017F;em gro&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">Mag &#x017F;ter</hi> der<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">In ejus<lb/>
vita c.</hi> 4.</note>gei&#x017F;tlicher Lehr <hi rendition="#aq">P. Baltha&#x017F;ar Alvarez</hi> (von welchem der Heil. <hi rendition="#aq">There&#x017F;</hi> i&#x017F;t<lb/>
offenbahret worden/ daß zu der Zeit/ da er lebte/ kein vollkommener in der<lb/>
Kirch wa&#x0364;re) das An&#x017F;chawen der Weiber al&#x017F;o gemeidet/ daß/ als er zu <hi rendition="#aq">Valli-<lb/>
&#x017F;olet</hi> bey einer o&#x0364;ffentlichen <hi rendition="#aq">Inqui&#x017F;itions-</hi>Handlung ware/ er &#x017F;ieben Stunde<lb/>
die Augen auff ein Bild der &#x017F;eeligen Jungfrawen/ welches er bey &#x017F;ich truge/<lb/>
fe&#x017F;t gehalten/ allein darumb/ damit er nicht gezwungen wurde/ die Weiber an-<lb/>
zu&#x017F;ehen/ ohne welcher An&#x017F;chawung er &#x017F;eine Augen nicht auff den Schaw-<lb/>
Platz werffen konte.</p><lb/>
          <p>14. Ein andere Art das Geficht abzuto&#x0364;dten i&#x017F;t/ die Augen vom fu&#x0364;r witzi-<lb/>
gen An&#x017F;chen der weltlichen Pracht/ oder der ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Sachen/ oder der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0438] Die Drey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection nommen biſt/ anzuſchawen/ weilen du auch wieder in dieſelbe wirſt verkehret werden: als Ephrem mit dieſen Worten erinnert worden/ hat er GOTT billigen Danck geſagt/ daß er von einer unehrlichen Hure gelernet/ daß er ſei- nen Urſprung auß der Erden habe/ und ſie deßwegen mit unverwendten Au- gen anſehen ſolle. 13. Aber es wird mir vielleicht jemand vorwerffen/ welches Drexelius ge- dencket vom Engliſchen Doctor, Thomas Aquinas, dann als er einsmahls bey einem Gaſtmahl war/ hat er mit unverwendten Anblicken ein ſonderlich ſchoͤnes Weib betrachtet: welches/ als ſein Geſell wahrgenommen/ hat er nicht einen leichten Argwohn geſchoͤpffet/ als er aber nach der Urſach forſche- te/ hat ihm der Heil. Mann geantwortet: Jch kan mich uͤber den Schoͤpffer der Welt nicht gnugſamb verwundern/ welcher/ wann er ſeine Geſchoͤpffe mit ſolcher Schoͤnheit begabet/ von was fuͤr unendlich groͤſſerer Schoͤnheit wird nicht GOtt derſelben Schoͤpffer glantzen? wann die armſeelige Men- ſchen jetzt in dieſem Thal deß Elends ſo ſchoͤn ſcheinen/ wie werden ſie nicht nach der allgemeinen Auff erſtehung im Himmel ſeyn? darumb/ ob gleich der Heil. Mann durch dieſe That ſehr zu loben iſt/ ſo muß mans ihm doch nicht uͤberall nachthun/ weilen in ihm kein Gefahr war: dann ihme war von Gott eine ſonderliche Keuſchheit mitgetheilet/ welche Gnade nicht einer auß hun- dert tauſend Menſchen haben wird. Deßwegen muß ſich auch keiner frevent- lich in die Gefahr begeben/ in welcher noch die fleiſchliche Luſt lebet. Uber daß muß man auch wiſſen/ daß der glorwuͤrdige Doctor nicht im Gebrauch ge- habt habe die Weiber anzuſchawen/ ſonſten ſolle Sorius nicht bezeugen/ daß er bißweilen das Anſchawen der ſchoͤnen Geſichter gemeidet/ wie andere die Nattern und Scorpionen zu meiden pflegen. Was aber im vorgeſagten Fall geſchehen iſt/ hat ſich auß ſonderbahrem Willen GOTTES zugetragen. Deßwegen hat auch der vor dieſem groſſe Mag ſter der geiſtlicher Lehr P. Balthaſar Alvarez (von welchem der Heil. Thereſiæ iſt offenbahret worden/ daß zu der Zeit/ da er lebte/ kein vollkommener in der Kirch waͤre) das Anſchawen der Weiber alſo gemeidet/ daß/ als er zu Valli- ſolet bey einer oͤffentlichen Inquiſitions-Handlung ware/ er ſieben Stunde die Augen auff ein Bild der ſeeligen Jungfrawen/ welches er bey ſich truge/ feſt gehalten/ allein darumb/ damit er nicht gezwungen wurde/ die Weiber an- zuſehen/ ohne welcher Anſchawung er ſeine Augen nicht auff den Schaw- Platz werffen konte. Surius in vita. In ejus vita c. 4. 14. Ein andere Art das Geficht abzutoͤdten iſt/ die Augen vom fuͤr witzi- gen Anſchen der weltlichen Pracht/ oder der kuͤnſtlichen Sachen/ oder der zu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/438
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/438>, abgerufen am 22.11.2024.