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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Vom Fasten und Enthaltung.
reisen will/ dem ist nothwendig/ daß er sich durch die Enthaltung
zum Weeg vorbereite. Und gleich wie die leichten Schiffe leichter das
Meer durchlauffen/ und die allzuviel beladene leichter untergehen: also
macht die Enthaltung den Menschen hurtig/ daß er leicht den Weeg der
Seeligkeit und der Gebotten GOttes lauffe; aber die Trunckenheit stür-
tzet in die Hölle. Damit wir uns aber mit grösserem Eyffer dieser TugendGrad. 9.
befleissigen/ muß man wissen/ daß wir niemahls in der Vollkommenheit ei-
nen grossen Fortgang schaffen werden/ wann wir uns nicht zuvor bemühen/
in der Enthaltung vorzuleuchten/ wie es S. Climacus recht in acht genom-
men/ in dem er gesagt hat: du wirst niemahls von dem Pharao erlediget
werden/ du wirst auch nicht das höchste Pascha feyren/ wo du nicht die Bit-
terkeit wirst gegessen haben; die Bitterkeit seynd die Gewalt und Peyni-
gung deß Fastens; das ungesäurte Brod aber ein Sinn/ der nicht hoffär-
tig ist. Das andere ist/ daß wir uns gleicher Weiß überreden/ daß es nicht
so leicht seye/ zu der vollkommenheit dieser Tugend zu gelangen/ wie es im
ersten Anblick scheinet/ dann gleich wie S. Gregorius mercket/ sich die Wol-L. 30.
Moral.

lust unter der Nothwendigkeit also bemäntelt/ daß sie ein Vollkommener
kaum unterscheide. Dann in dem die Nothwendigkeit ihr Gebühr begehrt/
so rathet die Wollust das Verlangen zu erfüllen/ und desto sicherer stürtzet
sich der Fraß/ je mehr er sich mit den ehrlichem Nahmen der Nothwen-
digkeit gnug zu thun/ bedecket. Eben dieses hat unser H. Vatter Augusti-In Con-
fess.

nus bekennet/ sagend: Und wer ists/ HErr/ der nicht etwan die Schrancken
der Nothwendigkeit übertrette? Er mag seyn wer es wolle/ er ist warhafftig
groß/ er mache deinen Nahmen groß: ich aber bins nicht/ dieweil ich ein
sündiger Mensch bin.

8. Jm übrigen was von den H. H. Männern hin und wieder in ihren
Leben gelesen wird/ ist vielmehr zu verwundern als nachzuthun. Deßwe-
gen müssen wir diese zwey Ding wissen: daß wir die Kunst der Enthaltung
also üben/ daß wir nicht das Fleisch/ sondern die Lüste deß Fleisches tödten.
Daher hat S. Hieronimus gesagt: eine sparsame Speiß/ und ein allezeit
hungriger Magen wird denen dreytägigen Fasten vorgezogen/ und es ist viel
besser täglich wenig/ als selten zu essen. Ja auch Christus selbst hat zu der
H. Gertrud gesagt: es mir zwar darumb ein Myrrhen Wein mit Gall
vermischet gegeben worden/ auff daß ich eher stürbe/ aber das Verlangen/
viel für den Menschen zu leyden/ hat mich zuruck gehalten/ daß ich nicht trun-
cke/ du aber hingegen nehme in derselben Liebe alles nothwendige und dien-
liche/ damit du desto länger in meinem Dienst erhalten werdest. Zweitens

sollen
G g g

Vom Faſten und Enthaltung.
reiſen will/ dem iſt nothwendig/ daß er ſich durch die Enthaltung
zum Weeg vorbereite. Und gleich wie die leichten Schiffe leichter das
Meer durchlauffen/ und die allzuviel beladene leichter untergehen: alſo
macht die Enthaltung den Menſchen hurtig/ daß er leicht den Weeg der
Seeligkeit und der Gebotten GOttes lauffe; aber die Trunckenheit ſtuͤr-
tzet in die Hoͤlle. Damit wir uns aber mit groͤſſerem Eyffer dieſer TugendGrad. 9.
befleiſſigen/ muß man wiſſen/ daß wir niemahls in der Vollkommenheit ei-
nen groſſen Fortgang ſchaffen werden/ wann wir uns nicht zuvor bemuͤhen/
in der Enthaltung vorzuleuchten/ wie es S. Climacus recht in acht genom-
men/ in dem er geſagt hat: du wirſt niemahls von dem Pharao erlediget
werden/ du wirſt auch nicht das hoͤchſte Paſcha feyren/ wo du nicht die Bit-
terkeit wirſt gegeſſen haben; die Bitterkeit ſeynd die Gewalt und Peyni-
gung deß Faſtens; das ungeſaͤurte Brod aber ein Sinn/ der nicht hoffaͤr-
tig iſt. Das andere iſt/ daß wir uns gleicher Weiß uͤberreden/ daß es nicht
ſo leicht ſeye/ zu der vollkommenheit dieſer Tugend zu gelangen/ wie es im
erſten Anblick ſcheinet/ dann gleich wie S. Gregorius mercket/ ſich die Wol-L. 30.
Moral.

luſt unter der Nothwendigkeit alſo bemaͤntelt/ daß ſie ein Vollkommener
kaum unterſcheide. Dann in dem die Nothwendigkeit ihr Gebuͤhr begehrt/
ſo rathet die Wolluſt das Verlangen zu erfuͤllen/ und deſto ſicherer ſtuͤrtzet
ſich der Fraß/ je mehr er ſich mit den ehrlichem Nahmen der Nothwen-
digkeit gnug zu thun/ bedecket. Eben dieſes hat unſer H. Vatter Auguſti-In Con-
feſſ.

nus bekennet/ ſagend: Und wer iſts/ HErr/ der nicht etwan die Schrancken
der Nothwendigkeit uͤbertrette? Er mag ſeyn wer es wolle/ er iſt warhafftig
groß/ er mache deinen Nahmen groß: ich aber bins nicht/ dieweil ich ein
ſuͤndiger Menſch bin.

8. Jm uͤbrigen was von den H. H. Maͤnnern hin und wieder in ihren
Leben geleſen wird/ iſt vielmehr zu verwundern als nachzuthun. Deßwe-
gen muͤſſen wir dieſe zwey Ding wiſſen: daß wir die Kunſt der Enthaltung
alſo uͤben/ daß wir nicht das Fleiſch/ ſondern die Luͤſte deß Fleiſches toͤdten.
Daher hat S. Hieronimus geſagt: eine ſparſame Speiß/ und ein allezeit
hungriger Magen wird denen dreytaͤgigen Faſten vorgezogen/ und es iſt viel
beſſer taͤglich wenig/ als ſelten zu eſſen. Ja auch Chriſtus ſelbſt hat zu der
H. Gertrud geſagt: es mir zwar darumb ein Myrrhen Wein mit Gall
vermiſchet gegeben worden/ auff daß ich eher ſtuͤrbe/ aber das Verlangen/
viel fuͤr den Menſchen zu leyden/ hat mich zuruck gehalten/ daß ich nicht trun-
cke/ du aber hingegen nehme in derſelben Liebe alles nothwendige und dien-
liche/ damit du deſto laͤnger in meinem Dienſt erhalten werdeſt. Zweitens

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[417/0445] Vom Faſten und Enthaltung. reiſen will/ dem iſt nothwendig/ daß er ſich durch die Enthaltung zum Weeg vorbereite. Und gleich wie die leichten Schiffe leichter das Meer durchlauffen/ und die allzuviel beladene leichter untergehen: alſo macht die Enthaltung den Menſchen hurtig/ daß er leicht den Weeg der Seeligkeit und der Gebotten GOttes lauffe; aber die Trunckenheit ſtuͤr- tzet in die Hoͤlle. Damit wir uns aber mit groͤſſerem Eyffer dieſer Tugend befleiſſigen/ muß man wiſſen/ daß wir niemahls in der Vollkommenheit ei- nen groſſen Fortgang ſchaffen werden/ wann wir uns nicht zuvor bemuͤhen/ in der Enthaltung vorzuleuchten/ wie es S. Climacus recht in acht genom- men/ in dem er geſagt hat: du wirſt niemahls von dem Pharao erlediget werden/ du wirſt auch nicht das hoͤchſte Paſcha feyren/ wo du nicht die Bit- terkeit wirſt gegeſſen haben; die Bitterkeit ſeynd die Gewalt und Peyni- gung deß Faſtens; das ungeſaͤurte Brod aber ein Sinn/ der nicht hoffaͤr- tig iſt. Das andere iſt/ daß wir uns gleicher Weiß uͤberreden/ daß es nicht ſo leicht ſeye/ zu der vollkommenheit dieſer Tugend zu gelangen/ wie es im erſten Anblick ſcheinet/ dann gleich wie S. Gregorius mercket/ ſich die Wol- luſt unter der Nothwendigkeit alſo bemaͤntelt/ daß ſie ein Vollkommener kaum unterſcheide. Dann in dem die Nothwendigkeit ihr Gebuͤhr begehrt/ ſo rathet die Wolluſt das Verlangen zu erfuͤllen/ und deſto ſicherer ſtuͤrtzet ſich der Fraß/ je mehr er ſich mit den ehrlichem Nahmen der Nothwen- digkeit gnug zu thun/ bedecket. Eben dieſes hat unſer H. Vatter Auguſti- nus bekennet/ ſagend: Und wer iſts/ HErr/ der nicht etwan die Schrancken der Nothwendigkeit uͤbertrette? Er mag ſeyn wer es wolle/ er iſt warhafftig groß/ er mache deinen Nahmen groß: ich aber bins nicht/ dieweil ich ein ſuͤndiger Menſch bin. Grad. 9. L. 30. Moral. In Con- feſſ. 8. Jm uͤbrigen was von den H. H. Maͤnnern hin und wieder in ihren Leben geleſen wird/ iſt vielmehr zu verwundern als nachzuthun. Deßwe- gen muͤſſen wir dieſe zwey Ding wiſſen: daß wir die Kunſt der Enthaltung alſo uͤben/ daß wir nicht das Fleiſch/ ſondern die Luͤſte deß Fleiſches toͤdten. Daher hat S. Hieronimus geſagt: eine ſparſame Speiß/ und ein allezeit hungriger Magen wird denen dreytaͤgigen Faſten vorgezogen/ und es iſt viel beſſer taͤglich wenig/ als ſelten zu eſſen. Ja auch Chriſtus ſelbſt hat zu der H. Gertrud geſagt: es mir zwar darumb ein Myrrhen Wein mit Gall vermiſchet gegeben worden/ auff daß ich eher ſtuͤrbe/ aber das Verlangen/ viel fuͤr den Menſchen zu leyden/ hat mich zuruck gehalten/ daß ich nicht trun- cke/ du aber hingegen nehme in derſelben Liebe alles nothwendige und dien- liche/ damit du deſto laͤnger in meinem Dienſt erhalten werdeſt. Zweitens ſollen G g g

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/445>, abgerufen am 21.11.2024.