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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Vier und Dreissigste Geistliche Lection
brachte Wasser selbst in den gewönlichen Becher gethan/ und sie-
he/ als er in der Gegenwart aller seiner Clerisey getruncken hatte/ hat
er zum drittenmahl gefunden/ daß das Wasser in Wein auff Göttliche Weiß
verändert worden. Daher ist der H. Mann über dieses Miracul erschro-
cken/ und hat nicht genug die Göttliche Güte preisen können/ und hat sich
fürgenommen hinführo dem Durst noch großmüthiger zu widerstehen/ und
ausser der gewönlichen Erquickungs- Stund nichts zu trincken. Ferner
ladet uns zu dieser Abtödtung weiter ein das Exempel Christi/ welcher am
Holtz deß Creutzes hangend einen solchen Durst ertragen/ daß nach dem Zeug-
nuß deß H. Cyrilli/ dieses eine von den schweresten Peynen gewesen seye/ die
er in seinem Leyden erduldet/ deßwegen er gezwungen worden außzuruffen:
Mich durstet. Wann dieses der Herr auß Lieb zum Knecht gelitten
hat/ ist es nicht die allerbilligste Sache/ daß auch der Knecht mit einer gegen
Liebe zu seinem Herrn nur eine Zeitlang den Durst mit einer starcken Gedult
ertrage? Wer das nicht kan/ von dem weiß ich nicht/ ob er seinen Heyland
liebe. Uber das ist zu wissen/ daß eine solche Enthaltung die Kräfften deß
Leibs nicht schwäche/ ja dieselbe vielmehr erhalte/ dieweilen der Magen die
zugenommene Speiß und Tranck zu Mittag oder Abends leichter verdauet/
und also folgends den Menschen gesunder macht.

12. Die dritte Weiß ist/ ihm bißweilen das jenige abzuschlagen/ worzu der
sinnliche Lust in seinem Leben am meisten geneigt ist. Also hat S. Macarius
Alexandrinus
gethan/ dem einer ungefehr einen Weintrauben angebotten/
der frisch und ausserlesen war/ zu welchem er einen sonderlichen Lust gehabt/
damit er doch diesen zähmete/ hat er sich darvon enthalten/ und den Fraß ge-
zwungen/ den Trauben aber hat er einem andern Münch zugeschickt/ welcher
ihn empfangen und wieder einem andern/ und dieser wieder einen andern fort-
geschicket! Und als also der Weintraube durch alle Cellen/ welche weit durch
die Wüsten außgebreitet waren/ herumb getragen worden/ als sie nicht ge-
wust hatten/ welcher dieselbe zu erst gesandt hatte/ ist er endlich dem H. Ma-
cario gantz unversehrt und unberührt zugebracht worden/ welches/ als S. Ma-
catius
in acht genommen/ hat er sich selbst glück gewünschet/ daß er eine sol-
che Enthaltung unter den Brüdern sahe; hatte Gott gelobt/ und selbst von der
zum andernmahl angebottenen Weintrauben nichts gekostet. Man leset auch
in dem Leben deß H. Thomae von Aquin, daß als er einmahl kranck war/
also/ daß er kaum einige Erquickung geniessen konte/ doch bald darauff/ als
er die Kräfften ein wenig gesamblet/ hat er einen Lust zu den Heringen be-
kommen/ deren in Franckreich ein grosse Menge/ aber in Welschland keine
kundschafft war. Der Artzt/ welcher den H. Mann in die Cur genommen/
hat sich auff den Marck begeben/ mehr daß er den Krancken ein Gnügen lei-

stete/

Die Vier und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
brachte Waſſer ſelbſt in den gewoͤnlichen Becher gethan/ und ſie-
he/ als er in der Gegenwart aller ſeiner Cleriſey getruncken hatte/ hat
er zum drittenmahl gefunden/ daß das Waſſer in Wein auff Goͤttliche Weiß
veraͤndert worden. Daher iſt der H. Mann uͤber dieſes Miracul erſchro-
cken/ und hat nicht genug die Goͤttliche Guͤte preiſen koͤnnen/ und hat ſich
fuͤrgenommen hinfuͤhro dem Durſt noch großmuͤthiger zu widerſtehen/ und
auſſer der gewoͤnlichen Erquickungs- Stund nichts zu trincken. Ferner
ladet uns zu dieſer Abtoͤdtung weiter ein das Exempel Chriſti/ welcher am
Holtz deß Creutzes hangend einen ſolchen Durſt ertragen/ daß nach dem Zeug-
nuß deß H. Cyrilli/ dieſes eine von den ſchwereſten Peynen geweſen ſeye/ die
er in ſeinem Leyden erduldet/ deßwegen er gezwungen worden außzuruffen:
Mich důrſtet. Wann dieſes der Herr auß Lieb zum Knecht gelitten
hat/ iſt es nicht die allerbilligſte Sache/ daß auch der Knecht mit einer gegen
Liebe zu ſeinem Herrn nur eine Zeitlang den Durſt mit einer ſtarcken Gedult
ertrage? Wer das nicht kan/ von dem weiß ich nicht/ ob er ſeinen Heyland
liebe. Uber das iſt zu wiſſen/ daß eine ſolche Enthaltung die Kraͤfften deß
Leibs nicht ſchwaͤche/ ja dieſelbe vielmehr erhalte/ dieweilen der Magen die
zugenommene Speiß und Tranck zu Mittag oder Abends leichter verdauet/
und alſo folgends den Menſchen geſunder macht.

12. Die dritte Weiß iſt/ ihm bißweilen das jenige abzuſchlagen/ worzu der
ſinnliche Luſt in ſeinem Leben am meiſten geneigt iſt. Alſo hat S. Macarius
Alexandrinus
gethan/ dem einer ungefehr einen Weintrauben angebotten/
der friſch und auſſerleſen war/ zu welchem er einen ſonderlichen Luſt gehabt/
damit er doch dieſen zaͤhmete/ hat er ſich darvon enthalten/ und den Fraß ge-
zwungen/ den Trauben aber hat er einem andern Muͤnch zugeſchickt/ welcher
ihn empfangen und wieder einem andern/ und dieſer wieder einẽ andern fort-
geſchicket! Und als alſo der Weintraube durch alle Cellen/ welche weit durch
die Wuͤſten außgebreitet waren/ herumb getragen worden/ als ſie nicht ge-
wuſt hatten/ welcher dieſelbe zu erſt geſandt hatte/ iſt er endlich dem H. Ma-
cario gantz unverſehrt und unberuͤhrt zugebracht wordẽ/ welches/ als S. Ma-
catius
in acht genommen/ hat er ſich ſelbſt gluͤck gewuͤnſchet/ daß er eine ſol-
che Enthaltung unter den Bruͤdern ſahe; hatte Gott gelobt/ und ſelbſt von der
zum andernmahl angebottenen Weintrauben nichts gekoſtet. Man leſet auch
in dem Leben deß H. Thomæ von Aquin, daß als er einmahl kranck war/
alſo/ daß er kaum einige Erquickung genieſſen konte/ doch bald darauff/ als
er die Kraͤfften ein wenig geſamblet/ hat er einen Luſt zu den Heringen be-
kommen/ deren in Franckreich ein groſſe Menge/ aber in Welſchland keine
kundſchafft war. Der Artzt/ welcher den H. Mann in die Cur genommen/
hat ſich auff den Marck begeben/ mehr daß er den Krancken ein Gnuͤgen lei-

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[422/0450] Die Vier und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection brachte Waſſer ſelbſt in den gewoͤnlichen Becher gethan/ und ſie- he/ als er in der Gegenwart aller ſeiner Cleriſey getruncken hatte/ hat er zum drittenmahl gefunden/ daß das Waſſer in Wein auff Goͤttliche Weiß veraͤndert worden. Daher iſt der H. Mann uͤber dieſes Miracul erſchro- cken/ und hat nicht genug die Goͤttliche Guͤte preiſen koͤnnen/ und hat ſich fuͤrgenommen hinfuͤhro dem Durſt noch großmuͤthiger zu widerſtehen/ und auſſer der gewoͤnlichen Erquickungs- Stund nichts zu trincken. Ferner ladet uns zu dieſer Abtoͤdtung weiter ein das Exempel Chriſti/ welcher am Holtz deß Creutzes hangend einen ſolchen Durſt ertragen/ daß nach dem Zeug- nuß deß H. Cyrilli/ dieſes eine von den ſchwereſten Peynen geweſen ſeye/ die er in ſeinem Leyden erduldet/ deßwegen er gezwungen worden außzuruffen: Mich důrſtet. Wann dieſes der Herr auß Lieb zum Knecht gelitten hat/ iſt es nicht die allerbilligſte Sache/ daß auch der Knecht mit einer gegen Liebe zu ſeinem Herrn nur eine Zeitlang den Durſt mit einer ſtarcken Gedult ertrage? Wer das nicht kan/ von dem weiß ich nicht/ ob er ſeinen Heyland liebe. Uber das iſt zu wiſſen/ daß eine ſolche Enthaltung die Kraͤfften deß Leibs nicht ſchwaͤche/ ja dieſelbe vielmehr erhalte/ dieweilen der Magen die zugenommene Speiß und Tranck zu Mittag oder Abends leichter verdauet/ und alſo folgends den Menſchen geſunder macht. 12. Die dritte Weiß iſt/ ihm bißweilen das jenige abzuſchlagen/ worzu der ſinnliche Luſt in ſeinem Leben am meiſten geneigt iſt. Alſo hat S. Macarius Alexandrinus gethan/ dem einer ungefehr einen Weintrauben angebotten/ der friſch und auſſerleſen war/ zu welchem er einen ſonderlichen Luſt gehabt/ damit er doch dieſen zaͤhmete/ hat er ſich darvon enthalten/ und den Fraß ge- zwungen/ den Trauben aber hat er einem andern Muͤnch zugeſchickt/ welcher ihn empfangen und wieder einem andern/ und dieſer wieder einẽ andern fort- geſchicket! Und als alſo der Weintraube durch alle Cellen/ welche weit durch die Wuͤſten außgebreitet waren/ herumb getragen worden/ als ſie nicht ge- wuſt hatten/ welcher dieſelbe zu erſt geſandt hatte/ iſt er endlich dem H. Ma- cario gantz unverſehrt und unberuͤhrt zugebracht wordẽ/ welches/ als S. Ma- catius in acht genommen/ hat er ſich ſelbſt gluͤck gewuͤnſchet/ daß er eine ſol- che Enthaltung unter den Bruͤdern ſahe; hatte Gott gelobt/ und ſelbſt von der zum andernmahl angebottenen Weintrauben nichts gekoſtet. Man leſet auch in dem Leben deß H. Thomæ von Aquin, daß als er einmahl kranck war/ alſo/ daß er kaum einige Erquickung genieſſen konte/ doch bald darauff/ als er die Kraͤfften ein wenig geſamblet/ hat er einen Luſt zu den Heringen be- kommen/ deren in Franckreich ein groſſe Menge/ aber in Welſchland keine kundſchafft war. Der Artzt/ welcher den H. Mann in die Cur genommen/ hat ſich auff den Marck begeben/ mehr daß er den Krancken ein Gnuͤgen lei- ſtete/

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/450>, abgerufen am 22.11.2024.