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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Neun und Dreyssigste Geistliche Lection
nicht für anderen geliebt/ und zum Geistlichen Stand beruffen/ auff daß ihr
mir zu dienen Gelegenheit haben mögtet? Wo ist nun mein Lob/ wo ist die
Dancksagung für so grosse Wolthat? Wie hätt ich euch doch grössere
Wolthat erzeigen können? Nun hab ich für meine sonderbare Gnaden von
euch nichts empfangen als Undanck: derhalben wird ewer Urtheil erschröcklich
seyn/ weilen die empfangene Wolthaten bey euch für anderen groß gewesen
seynd. Damit du/ mein Christliche Seel/ diesem schwären Gericht ent-
gehen mögest/ so errinnere dich der allgemeinen und sonderbaren Göttlichen
Wolthaten offtmalen/ betrachte selbige/ und sage deinem lieben Gott darfür
unauffhörlichen Danck/ in dem du deinen Regulen und Satzungen in allem
unsträfflich nachzuleben dich befleissest: dan der also lebt/ sagt der H. Vatter
Augustinus/ der lobt Gott/ und erzeigt sich demselben auch ohne allen
Zweiffel immer und allzeit danckbar; zumalen der Mensch seinem Gott kein
angenehmere Diensten leisten kan/ als wann er dessen Gebott und die ihme zu
seiner Ehren anbefohlene Satzungen fleissig haltet. Der meine Gebott
hat/ sagt der Herr/ und haltet selbige/ der ist der mich liebet:

der lobt mich/ der ehret und preiset mich.

9. Nun ists/ leider! mit dem armen Menschen so weit kommen/ daß man
selbigen/ zu den unvernünfftigen Thieren/ gleich wie der Weise Mann den
faulen zur Ameisen zu verweisen nötig hätte/ damit er von selbigen die schül-
dige Danckbarkeit erlernete. Jst nicht ein Hund für das Fuder/ so er von
seinem Herren zu seinem Unterhalt bekombt/ mit seiner Trewe demselben
danckbar; Hat nicht dem H. Macario von Alexandria die Löwin/ deren
Junges Löwlein er sehend gemacht/ demselben zur Dancksagung ein grosse
Schaaffs-Haut gebracht Hat nit der Storck/ dem die Wittwe deß Heracli-
dis das Bein verbunden/ derselben zum Zeichen der Danckbarkeit ein sehr
kostbares Edel-Gestein mit dem Schnabel für die Füß geworffen? Hat nicht
jener Löw/ dem ein Mensch den Dorn außm Fuß gezogen/ seinem Wolthä-
ter nachmalen das Leben erhalten? Hat man nicht dergleichen Danckbarkeit
der unvernünfftigen Thieren gar viele/ so da ohne zweiffel durch Gottes Ver-
hängnuß/ zu deiner und meiner Beschämung sich vor und nach zugetragen
haben? Lasset uns derhalben nicht unvernünfftiger/ dan die unvernüufftige
Thier seyn; sonderen in unserer Eben-Bildnus ehren den wahren und le-
bendigen Gott/ lasset uns ihm dancken mit Leib/ mit Seel/ und mit Gedan-
cken/ von dem wir haben daß wir seynd/ von dem wir haben/ was wir
seynd/ und haben können/ was wir zu
werden verlangen.

Die

Die Neun und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
nicht fuͤr anderen geliebt/ und zum Geiſtlichen Stand beruffen/ auff daß ihr
mir zu dienen Gelegenheit haben moͤgtet? Wo iſt nun mein Lob/ wo iſt die
Danckſagung fuͤr ſo groſſe Wolthat? Wie haͤtt ich euch doch groͤſſere
Wolthat erzeigen koͤnnen? Nun hab ich fuͤr meine ſonderbare Gnaden von
euch nichts empfangen als Undanck: derhalben wird ewer Urtheil erſchroͤcklich
ſeyn/ weilen die empfangene Wolthaten bey euch fuͤr anderen groß geweſen
ſeynd. Damit du/ mein Chriſtliche Seel/ dieſem ſchwaͤren Gericht ent-
gehen moͤgeſt/ ſo errinnere dich der allgemeinen und ſonderbaren Goͤttlichen
Wolthaten offtmalen/ betrachte ſelbige/ und ſage deinem lieben Gott darfuͤr
unauffhoͤrlichen Danck/ in dem du deinen Regulen und Satzungen in allem
unſtraͤfflich nachzuleben dich befleiſſeſt: dan der alſo lebt/ ſagt der H. Vatter
Auguſtinus/ der lobt Gott/ und erzeigt ſich demſelben auch ohne allen
Zweiffel immer und allzeit danckbar; zumalen der Menſch ſeinem Gott kein
angenehmere Dienſten leiſten kan/ als wann er deſſen Gebott und die ihme zu
ſeiner Ehren anbefohlene Satzungen fleiſſig haltet. Der meine Gebott
hat/ ſagt der Herr/ und haltet ſelbige/ der iſt der mich liebet:

der lobt mich/ der ehret und preiſet mich.

9. Nun iſts/ leider! mit dem armen Menſchen ſo weit kommen/ daß man
ſelbigen/ zu den unvernuͤnfftigen Thieren/ gleich wie der Weiſe Mann den
faulen zur Ameiſen zu verweiſen noͤtig haͤtte/ damit er von ſelbigen die ſchuͤl-
dige Danckbarkeit erlernete. Jſt nicht ein Hund fuͤr das Fuder/ ſo er von
ſeinem Herren zu ſeinem Unterhalt bekombt/ mit ſeiner Trewe demſelben
danckbar; Hat nicht dem H. Macario von Alexandria die Loͤwin/ deren
Junges Loͤwlein er ſehend gemacht/ demſelben zur Danckſagung ein groſſe
Schaaffs-Haut gebracht Hat nit der Storck/ dem die Wittwe deß Heracli-
dis das Bein verbunden/ derſelben zum Zeichen der Danckbarkeit ein ſehr
koſtbares Edel-Geſtein mit dem Schnabel fuͤr die Fuͤß geworffen? Hat nicht
jener Loͤw/ dem ein Menſch den Dorn außm Fuß gezogen/ ſeinem Wolthaͤ-
ter nachmalen das Leben erhalten? Hat man nicht dergleichen Danckbarkeit
der unvernuͤnfftigen Thieren gar viele/ ſo da ohne zweiffel durch Gottes Ver-
haͤngnuß/ zu deiner und meiner Beſchaͤmung ſich vor und nach zugetragen
haben? Laſſet uns derhalben nicht unvernuͤnfftiger/ dan die unvernuͤufftige
Thier ſeyn; ſonderen in unſerer Eben-Bildnus ehren den wahren und le-
bendigen Gott/ laſſet uns ihm dancken mit Leib/ mit Seel/ und mit Gedan-
cken/ von dem wir haben daß wir ſeynd/ von dem wir haben/ was wir
ſeynd/ und haben koͤnnen/ was wir zu
werden verlangen.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/528>, abgerufen am 22.11.2024.