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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die dritte Geistliche Lection
schliessen ware/ daß dieses glückseelige Weibsbild ohne einige Peinen deß
Feegfewrs den Himmel erreichet habe. So groß ist die Gütigkeit Gottes
gegen einen bußfertigen Menschen. Damit du aber meine Christliebende Seel
die Miltigkeit Gottes noch besser erkennen mögest/ so betrachte/ was folget.

Der andere Theil.

8. CHristus spricht zu der Heyl. Gertrudis/ ein jeder kan sich von melner
Gnade Hoffnung machen (wann er schon mit einem schwären Last der Sün-
den sich beladen befindet) wann er GOtt dem Vatter mein allerunschüldig-
stes Leiden und Sterben auffopfferet. Derhalben soll der Sünder glauben/
daß er dardurch die allerheylsambste Frucht der Nachlassung erlange: diewei-
len keine so kräfftige Artzeney wider die Sünden auff Erden kan gefunden
werden/ als eben eine andächtige Gedächtnüß memes Leideus/ wann selbige
mit einem auffrichtigen Glauben und wahrer Buß vereiniget wird. Diese er-
zehlte Warheit wird durch folgendes Exempel bestättiget. Ein sicher Jüng-
Discipuli
Historia.
lein hatte mit seiner Schwester fleißlich gesündiget; welchensein Bruder in
diesem bösen Werck findend/ mit Worten bestraffet; wird aber dessenthalben
alsbald von dem Ubelthäter getödtet; diesen Schwester-Schänder und Bru-
ders-Mörder hat der Vatter auß billigem Eyffer enterbet/ und der Statt
verwiesen; ist aber nachmahls wiederumb heimlicher Weiß hinein kommen/
hat seinen Vatter umbgebracht/ und sich mit der Flucht errettet. Nun hat
sichs zugetragen/ daß dieser Bößwicht einsmahls zur Jastenzeit hörte von der
Cantzel predigen den Spruch des Propheten Ezechielis: An welcher
Ezech. 18.Stund der gottlose Buß thut/ und sich bekehret/ will ich
nicht mehr gedencken an alle seine Missethaten:
Durch sel-
bigen ist er also beylsamblich entrüstet worden/ daß er mit zerknirschtem Hertzen
zum Priester gangen/ und gesagt/ es ist besser/ daß ich allhier zeitlich/ als her-
nacher ewig verschämbt werde: hat also seine Sünden vollkommentlich ge-
beichtet; nach gethaner Beicht hat [j]hm der Priester befohlen/ er solte gehen zu
dem Altar/ auff welchem die Bildnuß der aller seeligsten Jungfrawen Mariä
den gecreutzigsten JESUM im Schoß hätte; vor diesem Altar hat sich der
sündige Mensch zu Bodem geworffen/ und die glorwürdigste Mutter gebet-
ten/ sie möchte durch ihre Vorsprechung bey [j]hrem aller liebsten Sohn ihme
Gnad erwerben; von der Mutter hat er sich zum Sohn gewendet/ und also
gebetten: O Jesu CHriste/ durch deine Wunden und durch dem Blut bitte
ich/ verzeyhe mir/ daß ich die Blut-Schande begangen/ und das Blut meines
Vatters und Bruders vergossen habe. Jndem er nun diese Wort offtmahlen
widerholet/ und über seine Missethaten bitterlich geweinet; ist ihm vor grosser

Reu

Die dritte Geiſtliche Lection
ſchlieſſen ware/ daß dieſes gluͤckſeelige Weibsbild ohne einige Peinen deß
Feegfewrs den Himmel erreichet habe. So groß iſt die Guͤtigkeit Gottes
gegen einen bußfertigen Menſchen. Damit du aber meine Chriſtliebende Seel
die Miltigkeit Gottes noch beſſer erkennen moͤgeſt/ ſo betrachte/ was folget.

Der andere Theil.

8. CHriſtus ſpricht zu der Heyl. Gertrudis/ ein jeder kan ſich von melner
Gnade Hoffnung machen (wann er ſchon mit einem ſchwaͤren Laſt der Suͤn-
den ſich beladen befindet) wann er GOtt dem Vatter mein allerunſchuͤldig-
ſtes Leiden und Sterben auffopfferet. Derhalben ſoll der Suͤnder glauben/
daß er dardurch die allerheylſambſte Frucht der Nachlaſſung erlange: diewei-
len keine ſo kraͤfftige Artzeney wider die Suͤnden auff Erden kan gefunden
werden/ als eben eine andaͤchtige Gedaͤchtnuͤß memes Leideus/ wann ſelbige
mit einem auffrichtigen Glauben und wahrer Buß vereiniget wird. Dieſe er-
zehlte Warheit wird durch folgendes Exempel beſtaͤttiget. Ein ſicher Juͤng-
Diſcipuli
Hiſtoria.
lein hatte mit ſeiner Schweſter fleißlich geſuͤndiget; welchenſein Bruder in
dieſem boͤſen Werck findend/ mit Worten beſtraffet; wird aber deſſenthalben
alsbald von dem Ubelthaͤter getoͤdtet; dieſen Schweſter-Schaͤnder und Bru-
ders-Moͤrder hat der Vatter auß billigem Eyffer enterbet/ und der Statt
verwieſen; iſt aber nachmahls wiederumb heimlicher Weiß hinein kommen/
hat ſeinen Vatter umbgebracht/ und ſich mit der Flucht errettet. Nun hat
ſichs zugetragen/ daß dieſer Boͤßwicht einsmahls zur Jaſtenzeit hoͤrte von der
Cantzel predigen den Spruch des Propheten Ezechielis: An welcher
Ezech. 18.Stund der gottloſe Buß thut/ und ſich bekehret/ will ich
nicht mehr gedencken an alle ſeine Miſſethaten:
Durch ſel-
bigen iſt er alſo beylſamblich entruͤſtet worden/ daß er mit zerknirſchtem Hertzen
zum Prieſter gangen/ und geſagt/ es iſt beſſer/ daß ich allhier zeitlich/ als her-
nacher ewig verſchaͤmbt werde: hat alſo ſeine Suͤnden vollkommentlich ge-
beichtet; nach gethaner Beicht hat [j]hm der Prieſter befohlen/ er ſolte gehen zu
dem Altar/ auff welchem die Bildnuß der aller ſeeligſten Jungfrawen Mariaͤ
den gecreutzigſten JESUM im Schoß haͤtte; vor dieſem Altar hat ſich der
ſuͤndige Menſch zu Bodem geworffen/ und die glorwuͤrdigſte Mutter gebet-
ten/ ſie moͤchte durch ihre Vorſprechung bey [j]hrem aller liebſten Sohn ihme
Gnad erwerben; von der Mutter hat er ſich zum Sohn gewendet/ und alſo
gebetten: O Jeſu CHriſte/ durch deine Wunden und durch dem Blut bitte
ich/ verzeyhe mir/ daß ich die Blut-Schande begangen/ und das Blut meines
Vatters und Bruders vergoſſen habe. Jndem er nun dieſe Wort offtmahlen
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Reu
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[28/0056] Die dritte Geiſtliche Lection ſchlieſſen ware/ daß dieſes gluͤckſeelige Weibsbild ohne einige Peinen deß Feegfewrs den Himmel erreichet habe. So groß iſt die Guͤtigkeit Gottes gegen einen bußfertigen Menſchen. Damit du aber meine Chriſtliebende Seel die Miltigkeit Gottes noch beſſer erkennen moͤgeſt/ ſo betrachte/ was folget. Der andere Theil. 8. CHriſtus ſpricht zu der Heyl. Gertrudis/ ein jeder kan ſich von melner Gnade Hoffnung machen (wann er ſchon mit einem ſchwaͤren Laſt der Suͤn- den ſich beladen befindet) wann er GOtt dem Vatter mein allerunſchuͤldig- ſtes Leiden und Sterben auffopfferet. Derhalben ſoll der Suͤnder glauben/ daß er dardurch die allerheylſambſte Frucht der Nachlaſſung erlange: diewei- len keine ſo kraͤfftige Artzeney wider die Suͤnden auff Erden kan gefunden werden/ als eben eine andaͤchtige Gedaͤchtnuͤß memes Leideus/ wann ſelbige mit einem auffrichtigen Glauben und wahrer Buß vereiniget wird. Dieſe er- zehlte Warheit wird durch folgendes Exempel beſtaͤttiget. Ein ſicher Juͤng- lein hatte mit ſeiner Schweſter fleißlich geſuͤndiget; welchenſein Bruder in dieſem boͤſen Werck findend/ mit Worten beſtraffet; wird aber deſſenthalben alsbald von dem Ubelthaͤter getoͤdtet; dieſen Schweſter-Schaͤnder und Bru- ders-Moͤrder hat der Vatter auß billigem Eyffer enterbet/ und der Statt verwieſen; iſt aber nachmahls wiederumb heimlicher Weiß hinein kommen/ hat ſeinen Vatter umbgebracht/ und ſich mit der Flucht errettet. Nun hat ſichs zugetragen/ daß dieſer Boͤßwicht einsmahls zur Jaſtenzeit hoͤrte von der Cantzel predigen den Spruch des Propheten Ezechielis: An welcher Stund der gottloſe Buß thut/ und ſich bekehret/ will ich nicht mehr gedencken an alle ſeine Miſſethaten: Durch ſel- bigen iſt er alſo beylſamblich entruͤſtet worden/ daß er mit zerknirſchtem Hertzen zum Prieſter gangen/ und geſagt/ es iſt beſſer/ daß ich allhier zeitlich/ als her- nacher ewig verſchaͤmbt werde: hat alſo ſeine Suͤnden vollkommentlich ge- beichtet; nach gethaner Beicht hat jhm der Prieſter befohlen/ er ſolte gehen zu dem Altar/ auff welchem die Bildnuß der aller ſeeligſten Jungfrawen Mariaͤ den gecreutzigſten JESUM im Schoß haͤtte; vor dieſem Altar hat ſich der ſuͤndige Menſch zu Bodem geworffen/ und die glorwuͤrdigſte Mutter gebet- ten/ ſie moͤchte durch ihre Vorſprechung bey jhrem aller liebſten Sohn ihme Gnad erwerben; von der Mutter hat er ſich zum Sohn gewendet/ und alſo gebetten: O Jeſu CHriſte/ durch deine Wunden und durch dem Blut bitte ich/ verzeyhe mir/ daß ich die Blut-Schande begangen/ und das Blut meines Vatters und Bruders vergoſſen habe. Jndem er nun dieſe Wort offtmahlen widerholet/ und uͤber ſeine Miſſethaten bitterlich geweinet; iſt ihm vor groſſer Reu Diſcipuli Hiſtoria. Ezech. 18.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/56>, abgerufen am 27.11.2024.