Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Barmhertzigkeit GOttes.
Reu und Leyd das Hertz im Leib zersprungen/ und ist also vor dem Al-
tar niedergefallen und gestorben; welchen der vorgemeldte Priester/ da
er wiederum zur Kirchen kommen/ auff der Erden ligend und todt ge-
funden: derhalben hat er deß andern Tags ein allgemeines Gebett von
allem Volck für deß verstorbenen Seel begehret. Und/ siehe/ da alle
gegenwärtige betteten; ist ein weisse Taub in der Kirchen herumb geflo-
gen/ im Schnabel haltend ein Zettel/ den sie vor dem Priester hat fal-
len lassen: dessen Jnhalt selbiger öffentlich gelesen; daß nemblich deß
verstorbenen Seel zu der himmlischen Glory seye geführet worden/ che
die natür liche Hitze den Leib verlassen hat; und in dem untersten Theil
dieses Zettels seyud geschrieben gewesen diese Wort: Verkündige die un-
endliche Barmhertzigkeit GOttes allen Sündern und Sünderinnen; dann
alle die jenige/ so ihre Sünden hertzlich beweinen/ und auffrichtiglich
beichten/ deren wird sich GOTT erbarmen.

9. Wer ist dann nun/ der dieses höret/ und dannoch verzaget? kei-
ner verzweiffle/ und wann er schon die allerschröckligste Sünden began-
gen habe: er höre den heiligen Albertum Magnum an/ also sprechend:Serm. in
Dom. 3.
Advent.

So groß ist die Göttliche Barmhertzigkeit/ daß in Vergleichung dersel-
ben/ alle Sünden der Menschen/ so groß und viel sie immer seyn mö-
gen/ nur schemen ein P[ünctlein] im Mitten deß Meers. Diesem fal-
let tapffer bey der Hönig-fliessende Bernardus mit folgenden Worten.
Alle Sunden/ so vom Anfang der Welt seynd begangenSerm. de
bono
Latron.

worden/ wann sie sollen mit der Göttlichen Barmher-
tzikeit verglichen werden/ seynd sie gleichsamb ein tröpff-
lein gegen das gantze Meer zu schätzen.
O wunderbarliche
Barmhertzigkeit GOttes! O allerkostbareste/ und in Warheit unendlich
wertheste Verdiensten Christi; Krafft deren uns so unermeßliche Barm-
hertzigkeit zu theil worden! Lasset uns derhalben alles Mißtrauen/ und al-
le Verzweiffelung weit hinweg-werffen: lasset uns unsern Heyland mit
demüthigem Hertzen ersuchen/ so werden wir seelig werden; dann er ist
nicht kommen uns als ein Richter wegen unserer Sünden zu verdammen;
sondern als ein Heyland und Artzt unsern Kranckheiten zu heylen. Lasset uns
anhören/ was er mit außtrücklichen Worten verspricht: Jn dersel-
ben Stund/ da der Sunder uber seine Missethaten
seuffzet/ will ich aller seiner Sunden vergessen.
Mer-
cke nun auff/ mein Christliche Seel/ daß dein so gütiger HCRR
keinen eintzigen Art der Sünden außschliesse/ weder auch die Grösse

und
D 3

Von der Barmhertzigkeit GOttes.
Reu und Leyd das Hertz im Leib zerſprungen/ und iſt alſo vor dem Al-
tar niedergefallen und geſtorben; welchen der vorgemeldte Prieſter/ da
er wiederum zur Kirchen kommen/ auff der Erden ligend und todt ge-
funden: derhalben hat er deß andern Tags ein allgemeines Gebett von
allem Volck fuͤr deß verſtorbenen Seel begehret. Und/ ſiehe/ da alle
gegenwaͤrtige betteten; iſt ein weiſſe Taub in der Kirchen herumb geflo-
gen/ im Schnabel haltend ein Zettel/ den ſie vor dem Prieſter hat fal-
len laſſen: deſſen Jnhalt ſelbiger oͤffentlich geleſen; daß nemblich deß
verſtorbenen Seel zu der himmliſchen Glory ſeye gefuͤhret worden/ che
die natuͤr liche Hitze den Leib verlaſſen hat; und in dem unterſten Theil
dieſes Zettels ſeyud geſchrieben geweſen dieſe Wort: Verkuͤndige die un-
endliche Barmhertzigkeit GOttes allen Suͤndern und Suͤnderinnen; dann
alle die jenige/ ſo ihre Suͤnden hertzlich beweinen/ und auffrichtiglich
beichten/ deren wird ſich GOTT erbarmen.

9. Wer iſt dann nun/ der dieſes hoͤret/ und dannoch verzaget? kei-
ner verzweiffle/ und wann er ſchon die allerſchroͤckligſte Suͤnden began-
gen habe: er hoͤre den heiligen Albertum Magnum an/ alſo ſprechend:Serm. in
Dom. 3.
Advent.

So groß iſt die Goͤttliche Barmhertzigkeit/ daß in Vergleichung derſel-
ben/ alle Suͤnden der Menſchen/ ſo groß und viel ſie immer ſeyn moͤ-
gen/ nur ſchemen ein P[uͤnctlein] im Mitten deß Meers. Dieſem fal-
let tapffer bey der Hoͤnig-flieſſende Bernardus mit folgenden Worten.
Alle Sůnden/ ſo vom Anfang der Welt ſeynd begangenSerm. de
bono
Latron.

worden/ wann ſie ſollen mit der Goͤttlichen Barmher-
tzikeit verglichen werden/ ſeynd ſie gleichſamb ein troͤpff-
lein gegen das gantze Meer zu ſchaͤtzen.
O wunderbarliche
Barmhertzigkeit GOttes! O allerkoſtbareſte/ und in Warheit unendlich
wertheſte Verdienſten Chriſti; Krafft deren uns ſo unermeßliche Barm-
hertzigkeit zu theil worden! Laſſet uns derhalben alles Mißtrauen/ und al-
le Verzweiffelung weit hinweg-werffen: laſſet uns unſern Heyland mit
demuͤthigem Hertzen erſuchen/ ſo werden wir ſeelig werden; dann er iſt
nicht kommen uns als ein Richter wegen unſerer Suͤnden zu verdammen;
ſondern als ein Heyland und Artzt unſern Kranckheiten zu heylen. Laſſet uns
anhoͤren/ was er mit außtruͤcklichen Worten verſpricht: Jn derſel-
ben Stund/ da der Sůnder ůber ſeine Miſſethaten
ſeuffzet/ will ich aller ſeiner Sůnden vergeſſen.
Mer-
cke nun auff/ mein Chriſtliche Seel/ daß dein ſo guͤtiger HCRR
keinen eintzigen Art der Suͤnden außſchlieſſe/ weder auch die Groͤſſe

und
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0057" n="29"/><fw place="top" type="header">Von der Barmhertzigkeit GOttes.</fw><lb/>
Reu und Leyd das Hertz im Leib zer&#x017F;prungen/ und i&#x017F;t al&#x017F;o vor dem Al-<lb/>
tar niedergefallen und ge&#x017F;torben; welchen der vorgemeldte Prie&#x017F;ter/ da<lb/>
er wiederum zur Kirchen kommen/ auff der Erden ligend und todt ge-<lb/>
funden: derhalben hat er deß andern Tags ein allgemeines Gebett von<lb/>
allem Volck fu&#x0364;r deß ver&#x017F;torbenen Seel begehret. Und/ &#x017F;iehe/ da alle<lb/>
gegenwa&#x0364;rtige betteten; i&#x017F;t ein wei&#x017F;&#x017F;e Taub in der Kirchen herumb geflo-<lb/>
gen/ im Schnabel haltend ein Zettel/ den &#x017F;ie vor dem Prie&#x017F;ter hat fal-<lb/>
len la&#x017F;&#x017F;en: de&#x017F;&#x017F;en Jnhalt &#x017F;elbiger o&#x0364;ffentlich gele&#x017F;en; daß nemblich deß<lb/>
ver&#x017F;torbenen Seel zu der himmli&#x017F;chen Glory &#x017F;eye gefu&#x0364;hret worden/ che<lb/>
die natu&#x0364;r liche Hitze den Leib verla&#x017F;&#x017F;en hat; und in dem unter&#x017F;ten Theil<lb/>
die&#x017F;es Zettels &#x017F;eyud ge&#x017F;chrieben gewe&#x017F;en die&#x017F;e Wort: Verku&#x0364;ndige die un-<lb/>
endliche Barmhertzigkeit GOttes allen Su&#x0364;ndern und Su&#x0364;nderinnen; dann<lb/>
alle die jenige/ &#x017F;o ihre Su&#x0364;nden hertzlich beweinen/ und auffrichtiglich<lb/>
beichten/ deren wird &#x017F;ich GOTT erbarmen.</p><lb/>
          <p>9. Wer i&#x017F;t dann nun/ der die&#x017F;es ho&#x0364;ret/ und dannoch verzaget? kei-<lb/>
ner verzweiffle/ und wann er &#x017F;chon die aller&#x017F;chro&#x0364;cklig&#x017F;te Su&#x0364;nden began-<lb/>
gen habe: er ho&#x0364;re den heiligen <hi rendition="#aq">Albertum Magnum</hi> an/ al&#x017F;o &#x017F;prechend:<note place="right"><hi rendition="#aq">Serm. in<lb/>
Dom. 3.<lb/>
Advent.</hi></note><lb/>
So groß i&#x017F;t die Go&#x0364;ttliche Barmhertzigkeit/ daß in Vergleichung der&#x017F;el-<lb/>
ben/ alle Su&#x0364;nden der Men&#x017F;chen/ &#x017F;o groß und viel &#x017F;ie immer &#x017F;eyn mo&#x0364;-<lb/>
gen/ nur &#x017F;chemen ein P<supplied>u&#x0364;nctlein</supplied> im Mitten deß Meers. Die&#x017F;em fal-<lb/>
let tapffer bey der Ho&#x0364;nig-flie&#x017F;&#x017F;ende Bernardus mit folgenden Worten.<lb/><hi rendition="#fr">Alle S&#x016F;nden/ &#x017F;o vom Anfang der Welt &#x017F;eynd begangen</hi><note place="right"><hi rendition="#aq">Serm. de<lb/>
bono<lb/>
Latron.</hi></note><lb/><hi rendition="#fr">worden/ wann &#x017F;ie &#x017F;ollen mit der Go&#x0364;ttlichen Barmher-<lb/>
tzikeit verglichen werden/ &#x017F;eynd &#x017F;ie gleich&#x017F;amb ein tro&#x0364;pff-<lb/>
lein gegen das gantze Meer zu &#x017F;cha&#x0364;tzen.</hi> O wunderbarliche<lb/>
Barmhertzigkeit GOttes! O allerko&#x017F;tbare&#x017F;te/ und in Warheit unendlich<lb/>
werthe&#x017F;te Verdien&#x017F;ten Chri&#x017F;ti; Krafft deren uns &#x017F;o unermeßliche Barm-<lb/>
hertzigkeit zu theil worden! La&#x017F;&#x017F;et uns derhalben alles Mißtrauen/ und al-<lb/>
le Verzweiffelung weit hinweg-werffen: la&#x017F;&#x017F;et uns un&#x017F;ern Heyland mit<lb/>
demu&#x0364;thigem Hertzen er&#x017F;uchen/ &#x017F;o werden wir &#x017F;eelig werden; dann er i&#x017F;t<lb/>
nicht kommen uns als ein Richter wegen un&#x017F;erer Su&#x0364;nden zu verdammen;<lb/>
&#x017F;ondern als ein Heyland und Artzt un&#x017F;ern Kranckheiten zu heylen. La&#x017F;&#x017F;et uns<lb/>
anho&#x0364;ren/ was er mit außtru&#x0364;cklichen Worten ver&#x017F;pricht: <hi rendition="#fr">Jn der&#x017F;el-<lb/>
ben Stund/ da der S&#x016F;nder &#x016F;ber &#x017F;eine Mi&#x017F;&#x017F;ethaten<lb/>
&#x017F;euffzet/ will ich aller &#x017F;einer S&#x016F;nden verge&#x017F;&#x017F;en.</hi> Mer-<lb/>
cke nun auff/ mein Chri&#x017F;tliche Seel/ daß dein &#x017F;o gu&#x0364;tiger HCRR<lb/>
keinen eintzigen Art der Su&#x0364;nden auß&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;e/ weder auch die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0057] Von der Barmhertzigkeit GOttes. Reu und Leyd das Hertz im Leib zerſprungen/ und iſt alſo vor dem Al- tar niedergefallen und geſtorben; welchen der vorgemeldte Prieſter/ da er wiederum zur Kirchen kommen/ auff der Erden ligend und todt ge- funden: derhalben hat er deß andern Tags ein allgemeines Gebett von allem Volck fuͤr deß verſtorbenen Seel begehret. Und/ ſiehe/ da alle gegenwaͤrtige betteten; iſt ein weiſſe Taub in der Kirchen herumb geflo- gen/ im Schnabel haltend ein Zettel/ den ſie vor dem Prieſter hat fal- len laſſen: deſſen Jnhalt ſelbiger oͤffentlich geleſen; daß nemblich deß verſtorbenen Seel zu der himmliſchen Glory ſeye gefuͤhret worden/ che die natuͤr liche Hitze den Leib verlaſſen hat; und in dem unterſten Theil dieſes Zettels ſeyud geſchrieben geweſen dieſe Wort: Verkuͤndige die un- endliche Barmhertzigkeit GOttes allen Suͤndern und Suͤnderinnen; dann alle die jenige/ ſo ihre Suͤnden hertzlich beweinen/ und auffrichtiglich beichten/ deren wird ſich GOTT erbarmen. 9. Wer iſt dann nun/ der dieſes hoͤret/ und dannoch verzaget? kei- ner verzweiffle/ und wann er ſchon die allerſchroͤckligſte Suͤnden began- gen habe: er hoͤre den heiligen Albertum Magnum an/ alſo ſprechend: So groß iſt die Goͤttliche Barmhertzigkeit/ daß in Vergleichung derſel- ben/ alle Suͤnden der Menſchen/ ſo groß und viel ſie immer ſeyn moͤ- gen/ nur ſchemen ein Puͤnctlein im Mitten deß Meers. Dieſem fal- let tapffer bey der Hoͤnig-flieſſende Bernardus mit folgenden Worten. Alle Sůnden/ ſo vom Anfang der Welt ſeynd begangen worden/ wann ſie ſollen mit der Goͤttlichen Barmher- tzikeit verglichen werden/ ſeynd ſie gleichſamb ein troͤpff- lein gegen das gantze Meer zu ſchaͤtzen. O wunderbarliche Barmhertzigkeit GOttes! O allerkoſtbareſte/ und in Warheit unendlich wertheſte Verdienſten Chriſti; Krafft deren uns ſo unermeßliche Barm- hertzigkeit zu theil worden! Laſſet uns derhalben alles Mißtrauen/ und al- le Verzweiffelung weit hinweg-werffen: laſſet uns unſern Heyland mit demuͤthigem Hertzen erſuchen/ ſo werden wir ſeelig werden; dann er iſt nicht kommen uns als ein Richter wegen unſerer Suͤnden zu verdammen; ſondern als ein Heyland und Artzt unſern Kranckheiten zu heylen. Laſſet uns anhoͤren/ was er mit außtruͤcklichen Worten verſpricht: Jn derſel- ben Stund/ da der Sůnder ůber ſeine Miſſethaten ſeuffzet/ will ich aller ſeiner Sůnden vergeſſen. Mer- cke nun auff/ mein Chriſtliche Seel/ daß dein ſo guͤtiger HCRR keinen eintzigen Art der Suͤnden außſchlieſſe/ weder auch die Groͤſſe und Serm. in Dom. 3. Advent. Serm. de bono Latron. D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/57
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/57>, abgerufen am 27.11.2024.