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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von Anhörung und Lesung der Göttlichen Dingen.
welchen die gute Eingebungen zertrettet werden/ offen stehet; dahero bringt
sie keine Früchten. Vnd etliches fiel auff den Felsen; und da es
auffgieng/ verdörret es/ dieweil es keine Feuchtigkeit hatte.

Der felsichte Grund ist eine in bösen Gewonheiten verhartete Seel/ die
sich gewöhnet hat zu leben nach ihren Sinnligkeiten; welche derhalben keinen
oder doch geringen Safft der Andacht hat/ und setzen auch tausend Vorsätz
und erkennte Warheit nicht ein eintziges Würtzlein; sondern werden durch
die unziemliche Affecten oder Neigungen der Lieb/ der Forcht/ deß men-
schlichen Respects/ &c. außgedörret: solche Menschen fangen immer an/ und
bleiben allzeit im Anfang. Vnd etliches fiel unter die Dörnen/
und die Dörnen giengen mit auff und ersticktens.
Der
dörnachtige Grund ist die Seel/ so da in die weltliche Händel und Geschanff-
ten vertiefft ist/ und mit eitelen Sorgen überfallen wird; welche für sich
selbst/ für die Ehr GOttes/ und das Heyl deß Nächsten die wenigste Sorg
traget welche die über natürliche Warheiten erkennet; aber anderer Geschäff-
ten halber/ als da ist das Studiren/ die weltliche Aembter und dergleichen/
keine Zeit anwendet/ dieselbe Warheiten reifflich zu betrachten. Dahero
schepffet sie auß dem Wort GOttes und geistlichen Büchern kein Nutzen.
Vnd etliches fiel auff ein gut Land/ und es gieng auff/ und
trug hundertfältige Frucht.
Dieß ist die gute und beste Seel/
und den drey vorigen gantz zu wider: dieweilen sie das Wort GOttes an-
höret mit Lust: dieweil sie selbiges verstehet/ und sich weiß zu nutz zu
machen: bringt Frucht in Gedult/ oder Standhafftigkeit/ in dem sie die
Beschwärnüssen/ so da in der Ubung der tugendsamen Werck vorfallen/
überwindet.

8. Wilt einer/ mein Christliche Seel/ auß dem Wort GOttes Nu-
tzen haben/ der muß das jenige/ so er gehonrt und gelesen hat/ in der That
selbst vollbringen: wie der H. Apostel Jacobus sagt: Seyet Thäterc. 1. v. 2
deß Worts/ und nicht zuhörer allein/ damit ihr euch nicht
selbst betrieget: dann so jemand ein Hörer deß Worts ist/
nicht ein Thäter/ denselben wird man einem Mann gleich
achten/ der sein naturlich Angesicht im Spiegel beschauet:
dann nachdem er sich beschauet hat/ gehet er hinweg/ und
vergisset alsbald/ wie er gestalt war.
Uber diesen Ort glossirt
der H. Thomas/ wie im Anfang dieser Lection gemeldet worden/ und sagt:
das Wort GOttes wird einem Spiegel verglichen: dann gleich wie es dem
Menschen nichts nutzet/ daß er den Flecken seines Angesichts im Spiegel

gese-

Von Anhoͤrung und Leſung der Goͤttlichen Dingen.
welchen die gute Eingebungen zertrettet werden/ offen ſtehet; dahero bringt
ſie keine Fruͤchten. Vnd etliches fiel auff den Felſen; und da es
auffgieng/ verdoͤrret es/ dieweil es keine Feuchtigkeit hatte.

Der felſichte Grund iſt eine in boͤſen Gewonheiten verhartete Seel/ die
ſich gewoͤhnet hat zu leben nach ihren Sinnligkeiten; welche derhalben keinen
oder doch geringen Safft der Andacht hat/ und ſetzen auch tauſend Vorſaͤtz
und erkennte Warheit nicht ein eintziges Wuͤrtzlein; ſondern werden durch
die unziemliche Affecten oder Neigungen der Lieb/ der Forcht/ deß men-
ſchlichen Reſpects/ &c. außgedoͤrret: ſolche Menſchen fangen immer an/ und
bleiben allzeit im Anfang. Vnd etliches fiel unter die Doͤrnen/
und die Doͤrnen giengen mit auff und erſticktens.
Der
doͤrnachtige Grund iſt die Seel/ ſo da in die weltliche Haͤndel und Geſchãff-
ten vertiefft iſt/ und mit eitelen Sorgen uͤberfallen wird; welche fuͤr ſich
ſelbſt/ fuͤr die Ehr GOttes/ und das Heyl deß Naͤchſten die wenigſte Sorg
traget welche die uͤber natuͤrliche Warheiten erkennet; aber anderer Geſchaͤff-
ten halber/ als da iſt das Studiren/ die weltliche Aembter und dergleichen/
keine Zeit anwendet/ dieſelbe Warheiten reifflich zu betrachten. Dahero
ſchepffet ſie auß dem Wort GOttes und geiſtlichen Buͤchern kein Nutzen.
Vnd etliches fiel auff ein gut Land/ und es gieng auff/ und
trug hundertfaͤltige Frucht.
Dieß iſt die gute und beſte Seel/
und den drey vorigen gantz zu wider: dieweilen ſie das Wort GOttes an-
hoͤret mit Luſt: dieweil ſie ſelbiges verſtehet/ und ſich weiß zu nutz zu
machen: bringt Frucht in Gedult/ oder Standhafftigkeit/ in dem ſie die
Beſchwaͤrnuͤſſen/ ſo da in der Ubung der tugendſamen Werck vorfallen/
uͤberwindet.

8. Wilt einer/ mein Chriſtliche Seel/ auß dem Wort GOttes Nu-
tzen haben/ der muß das jenige/ ſo er gehõrt und geleſen hat/ in der That
ſelbſt vollbringen: wie der H. Apoſtel Jacobus ſagt: Seyet Thaͤterc. 1. v. 2
deß Worts/ und nicht zuhoͤrer allein/ damit ihr euch nicht
ſelbſt betrieget: dann ſo jemand ein Hoͤrer deß Worts iſt/
nicht ein Thaͤter/ denſelben wird man einem Mann gleich
achten/ der ſein natůrlich Angeſicht im Spiegel beſchauet:
dann nachdem er ſich beſchauet hat/ gehet er hinweg/ und
vergiſſet alsbald/ wie er geſtalt war.
Uber dieſen Ort gloſſirt
der H. Thomas/ wie im Anfang dieſer Lection gemeldet worden/ und ſagt:
das Wort GOttes wird einem Spiegel verglichen: dann gleich wie es dem
Menſchen nichts nutzet/ daß er den Flecken ſeines Angeſichts im Spiegel

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[551/0579] Von Anhoͤrung und Leſung der Goͤttlichen Dingen. welchen die gute Eingebungen zertrettet werden/ offen ſtehet; dahero bringt ſie keine Fruͤchten. Vnd etliches fiel auff den Felſen; und da es auffgieng/ verdoͤrret es/ dieweil es keine Feuchtigkeit hatte. Der felſichte Grund iſt eine in boͤſen Gewonheiten verhartete Seel/ die ſich gewoͤhnet hat zu leben nach ihren Sinnligkeiten; welche derhalben keinen oder doch geringen Safft der Andacht hat/ und ſetzen auch tauſend Vorſaͤtz und erkennte Warheit nicht ein eintziges Wuͤrtzlein; ſondern werden durch die unziemliche Affecten oder Neigungen der Lieb/ der Forcht/ deß men- ſchlichen Reſpects/ &c. außgedoͤrret: ſolche Menſchen fangen immer an/ und bleiben allzeit im Anfang. Vnd etliches fiel unter die Doͤrnen/ und die Doͤrnen giengen mit auff und erſticktens. Der doͤrnachtige Grund iſt die Seel/ ſo da in die weltliche Haͤndel und Geſchãff- ten vertiefft iſt/ und mit eitelen Sorgen uͤberfallen wird; welche fuͤr ſich ſelbſt/ fuͤr die Ehr GOttes/ und das Heyl deß Naͤchſten die wenigſte Sorg traget welche die uͤber natuͤrliche Warheiten erkennet; aber anderer Geſchaͤff- ten halber/ als da iſt das Studiren/ die weltliche Aembter und dergleichen/ keine Zeit anwendet/ dieſelbe Warheiten reifflich zu betrachten. Dahero ſchepffet ſie auß dem Wort GOttes und geiſtlichen Buͤchern kein Nutzen. Vnd etliches fiel auff ein gut Land/ und es gieng auff/ und trug hundertfaͤltige Frucht. Dieß iſt die gute und beſte Seel/ und den drey vorigen gantz zu wider: dieweilen ſie das Wort GOttes an- hoͤret mit Luſt: dieweil ſie ſelbiges verſtehet/ und ſich weiß zu nutz zu machen: bringt Frucht in Gedult/ oder Standhafftigkeit/ in dem ſie die Beſchwaͤrnuͤſſen/ ſo da in der Ubung der tugendſamen Werck vorfallen/ uͤberwindet. 8. Wilt einer/ mein Chriſtliche Seel/ auß dem Wort GOttes Nu- tzen haben/ der muß das jenige/ ſo er gehõrt und geleſen hat/ in der That ſelbſt vollbringen: wie der H. Apoſtel Jacobus ſagt: Seyet Thaͤter deß Worts/ und nicht zuhoͤrer allein/ damit ihr euch nicht ſelbſt betrieget: dann ſo jemand ein Hoͤrer deß Worts iſt/ nicht ein Thaͤter/ denſelben wird man einem Mann gleich achten/ der ſein natůrlich Angeſicht im Spiegel beſchauet: dann nachdem er ſich beſchauet hat/ gehet er hinweg/ und vergiſſet alsbald/ wie er geſtalt war. Uber dieſen Ort gloſſirt der H. Thomas/ wie im Anfang dieſer Lection gemeldet worden/ und ſagt: das Wort GOttes wird einem Spiegel verglichen: dann gleich wie es dem Menſchen nichts nutzet/ daß er den Flecken ſeines Angeſichts im Spiegel geſe- c. 1. v. 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/579>, abgerufen am 22.11.2024.