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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Vierte Getstliche Lection
hat. Also liebet Gott offtmalen die jenige mehr/ so nach der begangenen Sünd
ihme eyffriger gedienet haben; als die jenige/ so keine Todtsünd jemalen began-
gen; die Ehr Gottes aber mit geringem/ oder gar keinem Eyffer befördern.

2. Worinnen aber die wahre Buß bestehe/ dieses lehret uns der gemeldte
Ibid.Pabst Gregorius/ dieses Nahmens der achte/ wie folget: Buß thuen ist die
begangene Sünden beweinen/ und die also beweinte nicht mehr begehen. Diß
seynd klare Wort. Wie man aber die Sünden beweinen solle/ daß lehret uns
der H. Basrlius, und sagt: Grosse Sunden erforderen grosses
Seufftzen und Weinen.
Noch ein andere Manier die Sünden zu büs-
sen/ zeigt uns der mehr gedachte H. Gregorius; daß nemblich der sündhaffte
Homil.
20. in
Evang.
Mensch umb so viel mehr sich auch der zulässigen Sachen müsse enthalten/
wann ihm bewust ist/ daß er in vielen unzulässigen Dingen gefallen ist: und
ist verpflichtet/ so viel grössern Gewin der guten Werck zu versamblen/ als er
durch die Sünden sich Schaden hat zugefügt. Was aber für grosse Gaben
der himmlischen Güter dem büssenden Menschen dahero zuwachsen; können
wir abnehmen auß deme/ was sich mit dem Patriarchen Jacob hat zugetra-
gen; welcher deß vätterlichen Seegens bester Gestalt theilhafftig worden/
weilen er die Speise/ so der Vatter gern pflegte zu essen/ demselben gebracht
hat. Wann nun nach Zeugnuß deß Propheten ein zerfnirschtes Hertz GOtt
dem Allmächtigen ein angenehmes Opffer ist/ wie will es dann anders seyn
können/ als daß der jenige/ so selbiges durch die Buß auffopffert/ einen glei-
chen Seegen von dem Allerhöchsten zu gewarten habe?

3. Solchen zerschlagenen Geist hat einsmahls eine Sünderinn dem
Herrn gewidinet/ und ist derhalben mit allerhand himmlischen Gnaden erfüllet
worden. Damit wir aber in genauere Erfahrnuß dessen gelangen mögen/
Rodriq.
p.1. tr. 58.
c. 19. Hi-
storia.
so wollen wir den gantzen Verlauff allhier erzehlen. Es befunde sich in einer
Statt ein gewisses sündiges Weibsbild/ zu dero der H. Abbt Paphnutius, mit
weltlichen Kleidern angethan/ sich verfüget. Da er nun zu selbiger kommen/
hat er sich angestellet/ als wäre er in ihre Schönheit verliebet/ und derowe-
gen kommen/ damit er derselben geniessen/ und seinen Begierden willfahren
möchte; hat ihr auch annebenst ein ansehnliches Geld dessenthalben gegeben/
und gebetten/ sie wolle ihn doch an ein heimliches Ort führen/ damit er von
niemand geschen würde; und also ohne Schew die Sünd begehen könte. Da
diese nun den gemeldten H. Abten an unterschiedliche geheime Oerther gesüh-
ret/ und er sich immerzu beklaget/ daß er förchtete gesehen zu werden/ hat sie
ihn endlich an einen sehr dunckeleen Ort geleitet/ und gesagt; daß ihn daselbst
niemand sehen könte/ als Gott allein und der Teuffel Auß dieser gegebener
Versicherung hat der fromme Diener GOttes Gelegenheit geschöpfft/ das

Weib

Die Vierte Getſtliche Lection
hat. Alſo liebet Gott offtmalen die jenige mehr/ ſo nach der begangenen Suͤnd
ihme eyffriger gedienet haben; als die jenige/ ſo keine Todtſuͤnd jemalen began-
gen; die Ehr Gottes aber mit geringem/ oder gar keinem Eyffer befoͤrdern.

2. Worinnen aber die wahre Buß beſtehe/ dieſes lehret uns der gemeldte
Ibid.Pabſt Gregorius/ dieſes Nahmens der achte/ wie folget: Buß thuen iſt die
begangene Suͤnden beweinen/ und die alſo beweinte nicht mehr begehen. Diß
ſeynd klare Wort. Wie man aber die Suͤnden beweinen ſolle/ daß lehret uns
der H. Baſrlius, und ſagt: Groſſe Sůnden erforderen groſſes
Seufftzen und Weinen.
Noch ein andere Manier die Suͤnden zu buͤſ-
ſen/ zeigt uns der mehr gedachte H. Gregorius; daß nemblich der ſuͤndhaffte
Homil.
20. in
Evang.
Menſch umb ſo viel mehr ſich auch der zulaͤſſigen Sachen muͤſſe enthalten/
wann ihm bewuſt iſt/ daß er in vielen unzulaͤſſigen Dingen gefallen iſt: und
iſt verpflichtet/ ſo viel groͤſſern Gewin der guten Werck zu verſamblen/ als er
durch die Suͤnden ſich Schaden hat zugefuͤgt. Was aber fuͤr groſſe Gaben
der himmliſchen Guͤter dem buͤſſenden Menſchen dahero zuwachſen; koͤnnen
wir abnehmen auß deme/ was ſich mit dem Patriarchen Jacob hat zugetra-
gen; welcher deß vaͤtterlichen Seegens beſter Geſtalt theilhafftig worden/
weilen er die Speiſe/ ſo der Vatter gern pflegte zu eſſen/ demſelben gebracht
hat. Wann nun nach Zeugnuß deß Propheten ein zerfnirſchtes Hertz GOtt
dem Allmaͤchtigen ein angenehmes Opffer iſt/ wie will es dann anders ſeyn
koͤnnen/ als daß der jenige/ ſo ſelbiges durch die Buß auffopffert/ einen glei-
chen Seegen von dem Allerhoͤchſten zu gewarten habe?

3. Solchen zerſchlagenen Geiſt hat einsmahls eine Suͤnderinn dem
Herrn gewidinet/ und iſt derhalben mit allerhand himmliſchen Gnaden erfuͤllet
worden. Damit wir aber in genauere Erfahrnuß deſſen gelangen moͤgen/
Rodriq.
p.1. tr. 58.
c. 19. Hi-
ſtoria.
ſo wollen wir den gantzen Verlauff allhier erzehlen. Es befunde ſich in einer
Statt ein gewiſſes ſuͤndiges Weibsbild/ zu dero der H. Abbt Paphnutius, mit
weltlichen Kleidern angethan/ ſich verfuͤget. Da er nun zu ſelbiger kommen/
hat er ſich angeſtellet/ als waͤre er in ihre Schoͤnheit verliebet/ und derowe-
gen kommen/ damit er derſelben genieſſen/ und ſeinen Begierden willfahren
moͤchte; hat ihr auch annebenſt ein anſehnliches Geld deſſenthalben gegeben/
und gebetten/ ſie wolle ihn doch an ein heimliches Ort fuͤhren/ damit er von
niemand geſchen wuͤrde; und alſo ohne Schew die Suͤnd begehen koͤnte. Da
dieſe nun den gemeldten H. Abten an unterſchiedliche geheime Oerther geſuͤh-
ret/ und er ſich immerzu beklaget/ daß er foͤrchtete geſehen zu werden/ hat ſie
ihn endlich an einen ſehr dunckeleen Ort geleitet/ und geſagt; daß ihn daſelbſt
niemand ſehen koͤnte/ als Gott allein und der Teuffel Auß dieſer gegebener
Verſicherung hat der fromme Diener GOttes Gelegenheit geſchoͤpfft/ das

Weib
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[34/0062] Die Vierte Getſtliche Lection hat. Alſo liebet Gott offtmalen die jenige mehr/ ſo nach der begangenen Suͤnd ihme eyffriger gedienet haben; als die jenige/ ſo keine Todtſuͤnd jemalen began- gen; die Ehr Gottes aber mit geringem/ oder gar keinem Eyffer befoͤrdern. 2. Worinnen aber die wahre Buß beſtehe/ dieſes lehret uns der gemeldte Pabſt Gregorius/ dieſes Nahmens der achte/ wie folget: Buß thuen iſt die begangene Suͤnden beweinen/ und die alſo beweinte nicht mehr begehen. Diß ſeynd klare Wort. Wie man aber die Suͤnden beweinen ſolle/ daß lehret uns der H. Baſrlius, und ſagt: Groſſe Sůnden erforderen groſſes Seufftzen und Weinen. Noch ein andere Manier die Suͤnden zu buͤſ- ſen/ zeigt uns der mehr gedachte H. Gregorius; daß nemblich der ſuͤndhaffte Menſch umb ſo viel mehr ſich auch der zulaͤſſigen Sachen muͤſſe enthalten/ wann ihm bewuſt iſt/ daß er in vielen unzulaͤſſigen Dingen gefallen iſt: und iſt verpflichtet/ ſo viel groͤſſern Gewin der guten Werck zu verſamblen/ als er durch die Suͤnden ſich Schaden hat zugefuͤgt. Was aber fuͤr groſſe Gaben der himmliſchen Guͤter dem buͤſſenden Menſchen dahero zuwachſen; koͤnnen wir abnehmen auß deme/ was ſich mit dem Patriarchen Jacob hat zugetra- gen; welcher deß vaͤtterlichen Seegens beſter Geſtalt theilhafftig worden/ weilen er die Speiſe/ ſo der Vatter gern pflegte zu eſſen/ demſelben gebracht hat. Wann nun nach Zeugnuß deß Propheten ein zerfnirſchtes Hertz GOtt dem Allmaͤchtigen ein angenehmes Opffer iſt/ wie will es dann anders ſeyn koͤnnen/ als daß der jenige/ ſo ſelbiges durch die Buß auffopffert/ einen glei- chen Seegen von dem Allerhoͤchſten zu gewarten habe? Ibid. Homil. 20. in Evang. 3. Solchen zerſchlagenen Geiſt hat einsmahls eine Suͤnderinn dem Herrn gewidinet/ und iſt derhalben mit allerhand himmliſchen Gnaden erfuͤllet worden. Damit wir aber in genauere Erfahrnuß deſſen gelangen moͤgen/ ſo wollen wir den gantzen Verlauff allhier erzehlen. Es befunde ſich in einer Statt ein gewiſſes ſuͤndiges Weibsbild/ zu dero der H. Abbt Paphnutius, mit weltlichen Kleidern angethan/ ſich verfuͤget. Da er nun zu ſelbiger kommen/ hat er ſich angeſtellet/ als waͤre er in ihre Schoͤnheit verliebet/ und derowe- gen kommen/ damit er derſelben genieſſen/ und ſeinen Begierden willfahren moͤchte; hat ihr auch annebenſt ein anſehnliches Geld deſſenthalben gegeben/ und gebetten/ ſie wolle ihn doch an ein heimliches Ort fuͤhren/ damit er von niemand geſchen wuͤrde; und alſo ohne Schew die Suͤnd begehen koͤnte. Da dieſe nun den gemeldten H. Abten an unterſchiedliche geheime Oerther geſuͤh- ret/ und er ſich immerzu beklaget/ daß er foͤrchtete geſehen zu werden/ hat ſie ihn endlich an einen ſehr dunckeleen Ort geleitet/ und geſagt; daß ihn daſelbſt niemand ſehen koͤnte/ als Gott allein und der Teuffel Auß dieſer gegebener Verſicherung hat der fromme Diener GOttes Gelegenheit geſchoͤpfft/ das Weib Rodriq. p.1. tr. 58. c. 19. Hi- ſtoria.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/62>, abgerufen am 27.11.2024.