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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Acht und Viertzigste Geistliche Lection
sere Wohlthaten sie von GOtt empfangen haben/ je verdamblicher ist die
Uberschreitung und Undanckbarkeit: dann dem viel gegeben ist worden/ von
dem wird auch viel gefordert werden.

9. Wie groß vermeinstu/ mein Christliche Seel/ daß seye der Unterschied
der Straffen zwischen den Heyden und Christ-Glaubigen? Der heilige
Bischoff Eyrillus meldet in einem Send-Schreiben/ so er dem heiligen Au-
gustino zugeschickt/ in welchen er von den Miraculen deß heiligen Hiero-
nymi redet/ und erzehlet/ welcher Gestalt durch die Verdiensten desselben
Heiligen drey Männer vom Todt erwecket worden/ so da gleich nach ih-
rer Aufferständnuß angesangen/ die Freuden der Seeligen/ die Peynen
der Höllen und deß Feg-Feurs allen mit heller Stimm zu predigen. Der
heilige Hieronymus hatte selbige mit sich ins Paradeyß geführet/ wie auch
in die Höll und in das Feg-Feuer/ auff daß sie das jenige/ so sie gesehen/ allen
könnten andeuten. Auß diesen drey Erweckten hat einer dem heil. Cyrillo
gesagt: daß in der Höllen ein solcher Unterscheid seye zwischen den Peynen der
bösen Christen und Heyden/ daß die Peynen der Heyden in Ansehung der
jenigen/ so die Gottlose und falsche Christen leyden/ gleichsamb nichts zu
schätzen seyen: ob schon die Peynen der Heyden auch zumahlen unaußsprech-
lich groß seyn/ und von den lebendigen Menschen nicht können erdacht wer-
den. Und das billig: Sintemahlen die böse Christen die Gnad GOttes
vergeblich bekommen/ und haben sich/ da sie gelebt/ von den Sünden nicht
wollen bessern lassen/ und haben die Ermahnungen der H. Schrifft für
nichts geachtet.

10. Weiters erzehlet der heilige Cyrillus in diesem seinem Send-Schrei-
ben/ und sagt: Jch bin einsmahls zu einem dieser dreyen Männer hingan-
gen/ den ich aber sehr bitterlich weinend gefunden hab/ und gefragt/ warumb
er also weine: hat sich aber durch meine Wort nicht wollen trösten lassen; Da
ich ihn aber öffters gefragt/ und also mit neuen widerholten Fragen bin über-
lastig worden; hat er mir endlich geantwortet: Wann du wüstest/ was ich
vorhin erfahren hab/ so würdestu auch weinen. Was für Peynen vermeinstu/
daß nicht allein den Verdambten/ sondern auch denen/ so im Feg-Feuer auff-
gehalten werden/ bereitet seyn? Darauff hab ich ihm geantwortet/ daß ohne
Zweiffel die Peynen deß Feg-Feuers grösser seyn würden/ als die Peynen
dieser Welt. Er aber sagte: daß alle Peynen/ Tormenten/ und Beküm-
mernüssen der gantzen Welt/ auch mit den geringsten Straffen der andern
Welt zu vergleichen/ keine Peynen/ sondern vielmehr Tröstungen zu ach-
ten seyn. Es würde/ sagt er/ ein jeder Mensch/ wann er dieselbe geschmäckt

hät-

Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſere Wohlthaten ſie von GOtt empfangen haben/ je verdamblicher iſt die
Uberſchreitung und Undanckbarkeit: dann dem viel gegeben iſt worden/ von
dem wird auch viel gefordert werden.

9. Wie groß vermeinſtu/ mein Chriſtliche Seel/ daß ſeye der Unterſchied
der Straffen zwiſchen den Heyden und Chriſt-Glaubigen? Der heilige
Biſchoff Eyrillus meldet in einem Send-Schreiben/ ſo er dem heiligen Au-
guſtino zugeſchickt/ in welchen er von den Miraculen deß heiligen Hiero-
nymi redet/ und erzehlet/ welcher Geſtalt durch die Verdienſten deſſelben
Heiligen drey Maͤnner vom Todt erwecket worden/ ſo da gleich nach ih-
rer Aufferſtaͤndnuß angeſangen/ die Freuden der Seeligen/ die Peynen
der Hoͤllen und deß Feg-Feurs allen mit heller Stimm zu predigen. Der
heilige Hieronymus hatte ſelbige mit ſich ins Paradeyß gefuͤhret/ wie auch
in die Hoͤll und in das Feg-Feuer/ auff daß ſie das jenige/ ſo ſie geſehen/ allen
koͤnnten andeuten. Auß dieſen drey Erweckten hat einer dem heil. Cyrillo
geſagt: daß in der Hoͤllen ein ſolcher Unterſcheid ſeye zwiſchen den Peynen der
boͤſen Chriſten und Heyden/ daß die Peynen der Heyden in Anſehung der
jenigen/ ſo die Gottloſe und falſche Chriſten leyden/ gleichſamb nichts zu
ſchaͤtzen ſeyen: ob ſchon die Peynen der Heyden auch zumahlen unaußſprech-
lich groß ſeyn/ und von den lebendigen Menſchen nicht koͤnnen erdacht wer-
den. Und das billig: Sintemahlen die boͤſe Chriſten die Gnad GOttes
vergeblich bekommen/ und haben ſich/ da ſie gelebt/ von den Suͤnden nicht
wollen beſſern laſſen/ und haben die Ermahnungen der H. Schrifft fuͤr
nichts geachtet.

10. Weiters erzehlet der heilige Cyrillus in dieſem ſeinem Send-Schrei-
ben/ und ſagt: Jch bin einsmahls zu einem dieſer dreyen Maͤnner hingan-
gen/ den ich aber ſehr bitterlich weinend gefunden hab/ und gefragt/ warumb
er alſo weine: hat ſich aber durch meine Wort nicht wollen troͤſten laſſen; Da
ich ihn aber oͤffters gefragt/ und alſo mit neuen widerholten Fragen bin uͤber-
laſtig worden; hat er mir endlich geantwortet: Wann du wuͤſteſt/ was ich
vorhin erfahren hab/ ſo wuͤrdeſtu auch weinen. Was fuͤr Peynen vermeinſtu/
daß nicht allein den Verdambten/ ſondern auch denen/ ſo im Feg-Feuer auff-
gehalten werden/ bereitet ſeyn? Darauff hab ich ihm geantwortet/ daß ohne
Zweiffel die Peynen deß Feg-Feuers groͤſſer ſeyn wuͤrden/ als die Peynen
dieſer Welt. Er aber ſagte: daß alle Peynen/ Tormenten/ und Bekuͤm-
mernuͤſſen der gantzen Welt/ auch mit den geringſten Straffen der andern
Welt zu vergleichen/ keine Peynen/ ſondern vielmehr Troͤſtungen zu ach-
ten ſeyn. Es wuͤrde/ ſagt er/ ein jeder Menſch/ wann er dieſelbe geſchmaͤckt

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[614/0642] Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection ſere Wohlthaten ſie von GOtt empfangen haben/ je verdamblicher iſt die Uberſchreitung und Undanckbarkeit: dann dem viel gegeben iſt worden/ von dem wird auch viel gefordert werden. 9. Wie groß vermeinſtu/ mein Chriſtliche Seel/ daß ſeye der Unterſchied der Straffen zwiſchen den Heyden und Chriſt-Glaubigen? Der heilige Biſchoff Eyrillus meldet in einem Send-Schreiben/ ſo er dem heiligen Au- guſtino zugeſchickt/ in welchen er von den Miraculen deß heiligen Hiero- nymi redet/ und erzehlet/ welcher Geſtalt durch die Verdienſten deſſelben Heiligen drey Maͤnner vom Todt erwecket worden/ ſo da gleich nach ih- rer Aufferſtaͤndnuß angeſangen/ die Freuden der Seeligen/ die Peynen der Hoͤllen und deß Feg-Feurs allen mit heller Stimm zu predigen. Der heilige Hieronymus hatte ſelbige mit ſich ins Paradeyß gefuͤhret/ wie auch in die Hoͤll und in das Feg-Feuer/ auff daß ſie das jenige/ ſo ſie geſehen/ allen koͤnnten andeuten. Auß dieſen drey Erweckten hat einer dem heil. Cyrillo geſagt: daß in der Hoͤllen ein ſolcher Unterſcheid ſeye zwiſchen den Peynen der boͤſen Chriſten und Heyden/ daß die Peynen der Heyden in Anſehung der jenigen/ ſo die Gottloſe und falſche Chriſten leyden/ gleichſamb nichts zu ſchaͤtzen ſeyen: ob ſchon die Peynen der Heyden auch zumahlen unaußſprech- lich groß ſeyn/ und von den lebendigen Menſchen nicht koͤnnen erdacht wer- den. Und das billig: Sintemahlen die boͤſe Chriſten die Gnad GOttes vergeblich bekommen/ und haben ſich/ da ſie gelebt/ von den Suͤnden nicht wollen beſſern laſſen/ und haben die Ermahnungen der H. Schrifft fuͤr nichts geachtet. 10. Weiters erzehlet der heilige Cyrillus in dieſem ſeinem Send-Schrei- ben/ und ſagt: Jch bin einsmahls zu einem dieſer dreyen Maͤnner hingan- gen/ den ich aber ſehr bitterlich weinend gefunden hab/ und gefragt/ warumb er alſo weine: hat ſich aber durch meine Wort nicht wollen troͤſten laſſen; Da ich ihn aber oͤffters gefragt/ und alſo mit neuen widerholten Fragen bin uͤber- laſtig worden; hat er mir endlich geantwortet: Wann du wuͤſteſt/ was ich vorhin erfahren hab/ ſo wuͤrdeſtu auch weinen. Was fuͤr Peynen vermeinſtu/ daß nicht allein den Verdambten/ ſondern auch denen/ ſo im Feg-Feuer auff- gehalten werden/ bereitet ſeyn? Darauff hab ich ihm geantwortet/ daß ohne Zweiffel die Peynen deß Feg-Feuers groͤſſer ſeyn wuͤrden/ als die Peynen dieſer Welt. Er aber ſagte: daß alle Peynen/ Tormenten/ und Bekuͤm- mernuͤſſen der gantzen Welt/ auch mit den geringſten Straffen der andern Welt zu vergleichen/ keine Peynen/ ſondern vielmehr Troͤſtungen zu ach- ten ſeyn. Es wuͤrde/ ſagt er/ ein jeder Menſch/ wann er dieſelbe geſchmaͤckt haͤt-

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/642>, abgerufen am 22.11.2024.