Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Vierdte Geistliche Lection nicht allein Nachlaß der Sünden begehre; sondern auch zu Ehren meiner Ge-rechtigkeit verlange zu leyden/ gedemütiget und gestrafft zu werden/ dieweilen sie sich mich ungeziemter Weiß auffgeworffen hat. Auch traget sichs zu/ daß wie mehr sothane Seel meinen Göttlichen Trost spüret/ je mehr dieselbe ab ihrer eigenen Unwürdigkeit sich entsetze/ und selbige verfluche; folgends über die Grausambkeit ihrer Sünden Reu und Leyd erwecke; und mit grosser Verwunderung über sich eiffere/ daß sie mir/ ihrem GOTT/ so undanckbar seyn könne. Einer so gestalten Seelen/ welche zu solchem Eif- fer gelangt ist/ daß sie nemblich nicht weniger liebe meine gegen sie verübte Gerechtigkeit/ als meine Barmhertzigkeit; einer also beschaffenen Seelen Missethaten werden dergestalt versehlungen/ gleich wie ein eintziges Tröpff- lein Wasser in einem feurigen Ofen zernithtiget wird. Derohalben kan unter allen Arten zu büssen kein bessere gefunden werden/ als eben daß ei- ner immerzu reifflich bedencke meine unermeßliche Lieb und Treu gegen ihn; und hergegen überlege seine verübte Treulosigkeit/ Undanckbarkeit und Bößheit gegen mich. Dieses beschreibt also im Nahmen Christi der vor- gemeldte Gottselige Scribent. 7. Aldieweilen aber zu Beweisung einer Sachen die Exemplen oder Ge- sichs
Die Vierdte Geiſtliche Lection nicht allein Nachlaß der Suͤnden begehre; ſondern auch zu Ehren meiner Ge-rechtigkeit verlange zu leyden/ gedemuͤtiget und geſtrafft zu werden/ dieweilen ſie ſich mich ungeziemter Weiß auffgeworffen hat. Auch traget ſichs zu/ daß wie mehr ſothane Seel meinen Goͤttlichen Troſt ſpuͤret/ je mehr dieſelbe ab ihrer eigenen Unwuͤrdigkeit ſich entſetze/ und ſelbige verfluche; folgends uͤber die Grauſambkeit ihrer Suͤnden Reu und Leyd erwecke; und mit groſſer Verwunderung uͤber ſich eiffere/ daß ſie mir/ ihrem GOTT/ ſo undanckbar ſeyn koͤnne. Einer ſo geſtalten Seelen/ welche zu ſolchem Eif- fer gelangt iſt/ daß ſie nemblich nicht weniger liebe meine gegen ſie veruͤbte Gerechtigkeit/ als meine Barmhertzigkeit; einer alſo beſchaffenen Seelen Miſſethaten werden dergeſtalt verſehlungen/ gleich wie ein eintziges Troͤpff- lein Waſſer in einem feurigen Ofen zernithtiget wird. Derohalben kan unter allen Arten zu buͤſſen kein beſſere gefunden werden/ als eben daß ei- ner immerzu reifflich bedencke meine unermeßliche Lieb und Treu gegen ihn; und hergegen uͤberlege ſeine veruͤbte Treuloſigkeit/ Undanckbarkeit und Boͤßheit gegen mich. Dieſes beſchreibt alſo im Nahmen Chriſti der vor- gemeldte Gottſelige Scribent. 7. Aldieweilen aber zu Beweiſung einer Sachen die Exemplen oder Ge- ſichs
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Die Vierdte Geiſtliche Lection
nicht allein Nachlaß der Suͤnden begehre; ſondern auch zu Ehren meiner Ge-
rechtigkeit verlange zu leyden/ gedemuͤtiget und geſtrafft zu werden/ dieweilen
ſie ſich mich ungeziemter Weiß auffgeworffen hat. Auch traget ſichs zu/ daß
wie mehr ſothane Seel meinen Goͤttlichen Troſt ſpuͤret/ je mehr dieſelbe ab
ihrer eigenen Unwuͤrdigkeit ſich entſetze/ und ſelbige verfluche; folgends
uͤber die Grauſambkeit ihrer Suͤnden Reu und Leyd erwecke; und mit
groſſer Verwunderung uͤber ſich eiffere/ daß ſie mir/ ihrem GOTT/ ſo
undanckbar ſeyn koͤnne. Einer ſo geſtalten Seelen/ welche zu ſolchem Eif-
fer gelangt iſt/ daß ſie nemblich nicht weniger liebe meine gegen ſie veruͤbte
Gerechtigkeit/ als meine Barmhertzigkeit; einer alſo beſchaffenen Seelen
Miſſethaten werden dergeſtalt verſehlungen/ gleich wie ein eintziges Troͤpff-
lein Waſſer in einem feurigen Ofen zernithtiget wird. Derohalben kan
unter allen Arten zu buͤſſen kein beſſere gefunden werden/ als eben daß ei-
ner immerzu reifflich bedencke meine unermeßliche Lieb und Treu gegen ihn;
und hergegen uͤberlege ſeine veruͤbte Treuloſigkeit/ Undanckbarkeit und
Boͤßheit gegen mich. Dieſes beſchreibt alſo im Nahmen Chriſti der vor-
gemeldte Gottſelige Scribent.
7. Aldieweilen aber zu Beweiſung einer Sachen die Exemplen oder Ge-
ſchichten ein merckliches beytragen; derhalben wollen wir dieſe vorgeſchrie-
bene Warheit mit einer Hiſtori bekraͤfftigen. Es ſchreibet zu unſerm
Vorhaben der gelehrte Cæſarius, daß ein Graff/ Nahmens Philippus,
zu Namur geweſen ſeye/ welcher nach ſehr laſterhafftem gefuͤhrten Leben/
mit einer toͤdtlichen Kranckheit uͤberfallen worden. Was ſolte nun ein
ſolcher Boͤßwicht thun/ was ſolte in dieſem Fall ein ſo ſuͤndhaffter Menſch
anfangen? ſolte nicht ein ſo grauſamer Suͤnder billige Urſach haben zu
verzweifflen? wie moͤgte doch eine/ in allerhand miſſethaten vertieffte Seel
zu der Barmhertzigkeit GOttes zu fliehen ſich getrauen? weilen aber die-
ſer langwirige Suͤnder wohl gewuſt hat/ daß die Barmhertzigkeit groͤſſer
ſeye/ als ſeine erſchroͤckliche Ubelthaten; derohalben hat er die unbegreiffliche
Guͤtigkeit deß Allerhoͤchſten ſich vor die Augen deß Hertzens geſtellet und
iſt auß ſolcher Betrachtung mit der Goͤttlichen Liebe alſo entzuͤndet worden/
da ßer ſein uͤbel-gefuͤhrtes Leben nicht gnugſam hat verfluchen koͤnnen. Er hat
vor ſeinem Tod auch ſo unglaubliche groſſe Reu und Leyd erzeiget/ daß
dergleichen niemahln ware geſehen worden/ worauß dann die Umbſtehen-
de mit ihme zu weinen beweget worden. Seine Beichs- Vaͤtter hat er
gebetten/ ſie moͤgten doch ſeinen Leib auff die oͤffentliche Gaſſen werffen;
dann/ ſagte er: Jch hab wie ein Hund gelebt/ ſo gezimmet
ſichs
L. 2. Hiſt.
& Mirac.
c. 18.
Hiſtoria.
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