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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Drey und Fünfftzigste Geistliche Lection
der von der Mutter der Barmhertzigkeit erwiesen ist/ nicht auff andere
Sünder außbreiten; sondern daß unsrige thun/ und alsdann noch in Forcht
und Zittern diese gnädige Helfferin umb Barmhertzigkeit ersuchen. Besser
ists/ daß nur einigen gar wenigen diese sonderbahre Gnad widerfahre/ als
vielen/ dieweilen also die Hoffnung der wahren büssenden Sünder mehr ge-
stärcket/ und das Vertrauen der Kleinmütigen zu der glorwürdigen Mut-
ter vermehret wird. Auch wird durch sothane grosse erwiesene Barmher-
tzigkeit Mariä die Andacht derselben Schutz-Kinder mehr enttzündet/ und
also beständiger erhalten/ in dem sie diesen Schluß machen: Wann das
widerfahren ist den Feinden GOttes/ so werden die Freund desselben und be-
ständige Verehrer Mariä noch ein mehreres zu hoffen haben.

18. Wann du dieses wohl betrachtest/ so wirstu dannoch finden/ wahr
zu seyn/ daß der meiste Theil der Christglaubigen verdambt werde; sinte-
mahlen sehr viele durch ihr eigene Schuld verhindern/ daß sie der Mariani-
schen Günsten nicht theilhafftig werden. Die Naturalisten sagen/ daß
bey der Fröhlings-Zeit/ wann die Sonn scheinet/ ein himmlischer Tau sich
über das Meer außbreite/ und also die Muscheln eröffnet werden; welche
die Tröpfflein deß Thaus empfangen/ und selbige in Perlen verwandlen und
verhärten: die Hülsen aber so sich nicht eröffnen/ werden mit keinen Perlen
besruchtet. Ein solche ist Maria/ welche den Thau ihrer mütterlichen
Gnaden über die gantze Welt außgiesset: der nun diesen himmlischen Thau
nicht annimbt/ kan auch die kostbare Frucht der Tugenten nicht gebähren.
Dieser kan nicht der barmhertzigen Mutter; sondern muß sich selbsten die
Schuld auffmessen/ daß er mit der Schlaffsueht seiner Sünden überfallen/
die Laden seines Hertzen dieser Marianischen Sonn nicht eröffnet habe; damit
die Finsternuß der Lastern vertrieben würden/ und also dem Tag der hellschei-
nenden Gnade heran zu kommen erlaubet wurde. Dahero werden unzahl-
bare Christglaubige/ wie oben gesagt ist/ dieses sehr/ aber zu spät beklagen/ daß
sie diese allerbequemste Gelegenheit zur Seeligkeit zu gelangen vernachlässi-
get haben. Auff daß dir aber eben selbiges nicht widerfahre/ so folge der Lehr
deß H. Bernardi; deren Jnhalt dieser ist: damit du der Fürbitt Mariä zur
Freud und Trost deines Hertzen geniessest/ so erwerbe dir/ so viel dir möglich
ist/ die Tugenten dieser Allerheiligsten Jungfrauen/ wie du in den vorher-
gehenden Lectionen bist gelehret worden. Du wirst dir aber diese glorwür-
dige Mutter höchlich verbinden/ wann du folgenden meinen Rath wirst be-
obacht und werckstellig gemacht haben. Mache dir ein Büchlein/ und nehme

dir

Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
der von der Mutter der Barmhertzigkeit erwieſen iſt/ nicht auff andere
Suͤnder außbreiten; ſondern daß unſrige thun/ und alsdann noch in Forcht
und Zittern dieſe gnaͤdige Helfferin umb Barmhertzigkeit erſuchen. Beſſer
iſts/ daß nur einigen gar wenigen dieſe ſonderbahre Gnad widerfahre/ als
vielen/ dieweilen alſo die Hoffnung der wahren buͤſſenden Suͤnder mehr ge-
ſtaͤrcket/ und das Vertrauen der Kleinmuͤtigen zu der glorwuͤrdigen Mut-
ter vermehret wird. Auch wird durch ſothane groſſe erwieſene Barmher-
tzigkeit Mariaͤ die Andacht derſelben Schutz-Kinder mehr enttzuͤndet/ und
alſo beſtaͤndiger erhalten/ in dem ſie dieſen Schluß machen: Wann das
widerfahren iſt den Feinden GOttes/ ſo werden die Freund deſſelben und be-
ſtaͤndige Verehrer Mariaͤ noch ein mehreres zu hoffen haben.

18. Wann du dieſes wohl betrachteſt/ ſo wirſtu dannoch finden/ wahr
zu ſeyn/ daß der meiſte Theil der Chriſtglaubigen verdambt werde; ſinte-
mahlen ſehr viele durch ihr eigene Schuld verhindern/ daß ſie der Mariani-
ſchen Guͤnſten nicht theilhafftig werden. Die Naturaliſten ſagen/ daß
bey der Froͤhlings-Zeit/ wann die Sonn ſcheinet/ ein himmliſcher Tau ſich
uͤber das Meer außbreite/ und alſo die Muſcheln eroͤffnet werden; welche
die Troͤpfflein deß Thaus empfangen/ und ſelbige in Perlen verwandlen und
verhaͤrten: die Huͤlſen aber ſo ſich nicht eroͤffnen/ werden mit keinen Perlen
beſruchtet. Ein ſolche iſt Maria/ welche den Thau ihrer muͤtterlichen
Gnaden uͤber die gantze Welt außgieſſet: der nun dieſen himmliſchen Thau
nicht annimbt/ kan auch die koſtbare Frucht der Tugenten nicht gebaͤhren.
Dieſer kan nicht der barmhertzigen Mutter; ſondern muß ſich ſelbſten die
Schuld auffmeſſen/ daß er mit der Schlaffſueht ſeiner Suͤnden uͤberfallen/
die Laden ſeines Hertzen dieſer Marianiſchen Sonn nicht eroͤffnet habe; damit
die Finſternuß der Laſtern vertrieben wuͤrden/ und alſo dem Tag der hellſchei-
nenden Gnade heran zu kommen erlaubet wurde. Dahero werden unzahl-
bare Chriſtglaubige/ wie oben geſagt iſt/ dieſes ſehr/ aber zu ſpaͤt beklagen/ daß
ſie dieſe allerbequemſte Gelegenheit zur Seeligkeit zu gelangen vernachlaͤſſi-
get haben. Auff daß dir aber eben ſelbiges nicht widerfahre/ ſo folge der Lehr
deß H. Bernardi; deren Jnhalt dieſer iſt: damit du der Fuͤrbitt Mariaͤ zur
Freud und Troſt deines Hertzen genieſſeſt/ ſo erwerbe dir/ ſo viel dir moͤglich
iſt/ die Tugenten dieſer Allerheiligſten Jungfrauen/ wie du in den vorher-
gehenden Lectionen biſt gelehret worden. Du wirſt dir aber dieſe glorwuͤr-
dige Mutter hoͤchlich verbinden/ wann du folgenden meinen Rath wirſt be-
obacht und werckſtellig gemacht haben. Mache dir ein Buͤchlein/ und nehme

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[698/0726] Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection der von der Mutter der Barmhertzigkeit erwieſen iſt/ nicht auff andere Suͤnder außbreiten; ſondern daß unſrige thun/ und alsdann noch in Forcht und Zittern dieſe gnaͤdige Helfferin umb Barmhertzigkeit erſuchen. Beſſer iſts/ daß nur einigen gar wenigen dieſe ſonderbahre Gnad widerfahre/ als vielen/ dieweilen alſo die Hoffnung der wahren buͤſſenden Suͤnder mehr ge- ſtaͤrcket/ und das Vertrauen der Kleinmuͤtigen zu der glorwuͤrdigen Mut- ter vermehret wird. Auch wird durch ſothane groſſe erwieſene Barmher- tzigkeit Mariaͤ die Andacht derſelben Schutz-Kinder mehr enttzuͤndet/ und alſo beſtaͤndiger erhalten/ in dem ſie dieſen Schluß machen: Wann das widerfahren iſt den Feinden GOttes/ ſo werden die Freund deſſelben und be- ſtaͤndige Verehrer Mariaͤ noch ein mehreres zu hoffen haben. 18. Wann du dieſes wohl betrachteſt/ ſo wirſtu dannoch finden/ wahr zu ſeyn/ daß der meiſte Theil der Chriſtglaubigen verdambt werde; ſinte- mahlen ſehr viele durch ihr eigene Schuld verhindern/ daß ſie der Mariani- ſchen Guͤnſten nicht theilhafftig werden. Die Naturaliſten ſagen/ daß bey der Froͤhlings-Zeit/ wann die Sonn ſcheinet/ ein himmliſcher Tau ſich uͤber das Meer außbreite/ und alſo die Muſcheln eroͤffnet werden; welche die Troͤpfflein deß Thaus empfangen/ und ſelbige in Perlen verwandlen und verhaͤrten: die Huͤlſen aber ſo ſich nicht eroͤffnen/ werden mit keinen Perlen beſruchtet. Ein ſolche iſt Maria/ welche den Thau ihrer muͤtterlichen Gnaden uͤber die gantze Welt außgieſſet: der nun dieſen himmliſchen Thau nicht annimbt/ kan auch die koſtbare Frucht der Tugenten nicht gebaͤhren. Dieſer kan nicht der barmhertzigen Mutter; ſondern muß ſich ſelbſten die Schuld auffmeſſen/ daß er mit der Schlaffſueht ſeiner Suͤnden uͤberfallen/ die Laden ſeines Hertzen dieſer Marianiſchen Sonn nicht eroͤffnet habe; damit die Finſternuß der Laſtern vertrieben wuͤrden/ und alſo dem Tag der hellſchei- nenden Gnade heran zu kommen erlaubet wurde. Dahero werden unzahl- bare Chriſtglaubige/ wie oben geſagt iſt/ dieſes ſehr/ aber zu ſpaͤt beklagen/ daß ſie dieſe allerbequemſte Gelegenheit zur Seeligkeit zu gelangen vernachlaͤſſi- get haben. Auff daß dir aber eben ſelbiges nicht widerfahre/ ſo folge der Lehr deß H. Bernardi; deren Jnhalt dieſer iſt: damit du der Fuͤrbitt Mariaͤ zur Freud und Troſt deines Hertzen genieſſeſt/ ſo erwerbe dir/ ſo viel dir moͤglich iſt/ die Tugenten dieſer Allerheiligſten Jungfrauen/ wie du in den vorher- gehenden Lectionen biſt gelehret worden. Du wirſt dir aber dieſe glorwuͤr- dige Mutter hoͤchlich verbinden/ wann du folgenden meinen Rath wirſt be- obacht und werckſtellig gemacht haben. Mache dir ein Buͤchlein/ und nehme dir

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 698. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/726>, abgerufen am 16.07.2024.