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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von Verharrung im Guten.
angesagt hatte: dieser verwundert sich ab dem neuen Gast/ kennet seinen
Sohn nicht mehr; der Sohn aber kennet den Vatter/ fragt/ wer und von
wannen er seye/ und was er wolle? der Sohn verwundert sich hergegen/ daß
er solte seinen Vatter sehen/ den er doch für todt gehalten: fieng an/ eine Ehr-
Lügen zu dichten (dann er auß der guten Kundschafft seines Weggefährten
so viel schon erlernet) und sagt/ es hätte ihn das Verlangen/ seinen Vatter
heimzusuchen/ und noch einmahl lebendig zu sehen/ daher getrieben: hierauff
erkennet der Vatter seinen Sohn/ führet ihn mit sich fröhlig nach Hauß/ und
tractiret ihn vätterlich: indem er sich aber also bey dem Vatter auff haltet/ er-
lernet er bald der Welt Brauch und Leichtfertigkeit/ die er vielleicht noch
nicht allerdings vergessen gewesen: und wird endlich so gottloß/ als gottseelig
er zuvor gewesen/ und ware ihm gleichsam leid/ daß er sich der Sünden so
lang enthalten; so wohl gefiel dem elenden Jüngling das liederliche Leben:
das Gewissen/ welches er sonsten täglich zu erforschen pflegte/ muste sich jetzt
untertrucken lassen: die Heiligen GOttes/ so er vormahlen so embsig und an-
dächtiglich verehret/ achtete er nichts mehr/ und fieng an im GOttes-Dienst
verdrießlich zu werden; hingegen dem Leib/ welchen er so vielmahl casteyet und
mortificiret hatte/ auffs allerzarteste auffzuwarten: ward also nach und nach/
von Tag zu Tag ärger/ und wunderte sich gleichsamb selbst/ wie er deß lieder-
liehen Lebens so lang habe entraten können: hat also gottloser Weiß seine Un-
sehuld und Remigkeit verlohren/ und steh in die abscheuliche Sünden verwi-
ckelt/ daß er also von seinem eigenen Vatter/ wegen seines bösen Lebens/ mit
Streichen hergenommen worden. Es war nunmehr alle Ermahnung und
Straff verlohren; darumb er dann letztlich in seinem unseligen Leben gantz
unseliglich ist gestorben und verdorben.

8. Kanst du nicht/ mein Christliche Seel/ hierauß handgreifflich abneh-
men/ daß es nicht gnug seye/ wohl anzufangen; sondern man müsse auch in dem
guten von Anfang biß zum End verharren; was haben diesem unglückseligen
Jüngling seine so viele Jahren geübte gute Wercke genutzet? warhafftig
nichts. O wie viele Geistliche findet man nicht auch heutigen Tags leider
GOTTES! so da überauß wohl anfangen/ aber trefflich übel endigen!
diese redet der Heyl. Apostel Paulus mit denen ernstlichen Worten an/
und sagt: Seyd ihr so unwitzig/ daß ihr/ nachdemGal. 3. v. 3.
ihr im Geist habt angefangen/ ietzt im Fleisch vollen-
den wollet?
und der Heyl. Geist drewet allsolchen durch den weisen
Mann mit dem erschröcklichen und ewigen Wehe/ und spricht:
Wehe denen/ welche die Gedult verlohren/ undEccli. 2.
v.
16.

die
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Von Verharrung im Guten.
angeſagt hatte: dieſer verwundert ſich ab dem neuen Gaſt/ kennet ſeinen
Sohn nicht mehr; der Sohn aber kennet den Vatter/ fragt/ wer und von
wannen er ſeye/ und was er wolle? der Sohn verwundert ſich hergegen/ daß
er ſolte ſeinen Vatter ſehen/ den er doch fuͤr todt gehalten: fieng an/ eine Ehr-
Luͤgen zu dichten (dann er auß der guten Kundſchafft ſeines Weggefaͤhrten
ſo viel ſchon erlernet) und ſagt/ es haͤtte ihn das Verlangen/ ſeinen Vatter
heimzuſuchen/ und noch einmahl lebendig zu ſehen/ daher getrieben: hierauff
erkennet der Vatter ſeinen Sohn/ fuͤhret ihn mit ſich froͤhlig nach Hauß/ und
tractiret ihn vaͤtterlich: indem er ſich aber alſo bey dem Vatter auff haltet/ er-
lernet er bald der Welt Brauch und Leichtfertigkeit/ die er vielleicht noch
nicht allerdings vergeſſen geweſen: und wird endlich ſo gottloß/ als gottſeelig
er zuvor geweſen/ und ware ihm gleichſam leid/ daß er ſich der Suͤnden ſo
lang enthalten; ſo wohl gefiel dem elenden Juͤngling das liederliche Leben:
das Gewiſſen/ welches er ſonſten taͤglich zu erforſchen pflegte/ muſte ſich jetzt
untertrucken laſſen: die Heiligen GOttes/ ſo er vormahlen ſo embſig und an-
daͤchtiglich verehret/ achtete er nichts mehr/ und fieng an im GOttes-Dienſt
verdrießlich zu werden; hingegen dem Leib/ welchen er ſo vielmahl caſteyet und
mortificiret hatte/ auffs allerzarteſte auffzuwarten: ward alſo nach und nach/
von Tag zu Tag aͤrger/ und wunderte ſich gleichſamb ſelbſt/ wie er deß lieder-
liehen Lebens ſo lang habe entraten koͤnnen: hat alſo gottloſer Weiß ſeine Un-
ſehuld und Remigkeit verlohren/ und ſteh in die abſcheuliche Suͤnden verwi-
ckelt/ daß er alſo von ſeinem eigenen Vatter/ wegen ſeines boͤſen Lebens/ mit
Streichen hergenommen worden. Es war nunmehr alle Ermahnung und
Straff verlohren; darumb er dann letztlich in ſeinem unſeligen Leben gantz
unſeliglich iſt geſtorben und verdorben.

8. Kanſt du nicht/ mein Chriſtliche Seel/ hierauß handgreifflich abneh-
men/ daß es nicht gnug ſeye/ wohl anzufangen; ſondern man muͤſſe auch in dem
guten von Anfang biß zum End verharren; was haben dieſem ungluͤckſeligen
Juͤngling ſeine ſo viele Jahren geuͤbte gute Wercke genutzet? warhafftig
nichts. O wie viele Geiſtliche findet man nicht auch heutigen Tags leider
GOTTES! ſo da uͤberauß wohl anfangen/ aber trefflich uͤbel endigen!
dieſe redet der Heyl. Apoſtel Paulus mit denen ernſtlichen Worten an/
und ſagt: Seyd ihr ſo unwitzig/ daß ihr/ nachdemGal. 3. v. 3.
ihr im Geiſt habt angefangen/ ietzt im Fleiſch vollen-
den wollet?
und der Heyl. Geiſt drewet allſolchen durch den weiſen
Mann mit dem erſchroͤcklichen und ewigen Wehe/ und ſpricht:
Wehe denen/ welche die Gedult verlohren/ undEccli. 2.
v.
16.

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[757/0785] Von Verharrung im Guten. angeſagt hatte: dieſer verwundert ſich ab dem neuen Gaſt/ kennet ſeinen Sohn nicht mehr; der Sohn aber kennet den Vatter/ fragt/ wer und von wannen er ſeye/ und was er wolle? der Sohn verwundert ſich hergegen/ daß er ſolte ſeinen Vatter ſehen/ den er doch fuͤr todt gehalten: fieng an/ eine Ehr- Luͤgen zu dichten (dann er auß der guten Kundſchafft ſeines Weggefaͤhrten ſo viel ſchon erlernet) und ſagt/ es haͤtte ihn das Verlangen/ ſeinen Vatter heimzuſuchen/ und noch einmahl lebendig zu ſehen/ daher getrieben: hierauff erkennet der Vatter ſeinen Sohn/ fuͤhret ihn mit ſich froͤhlig nach Hauß/ und tractiret ihn vaͤtterlich: indem er ſich aber alſo bey dem Vatter auff haltet/ er- lernet er bald der Welt Brauch und Leichtfertigkeit/ die er vielleicht noch nicht allerdings vergeſſen geweſen: und wird endlich ſo gottloß/ als gottſeelig er zuvor geweſen/ und ware ihm gleichſam leid/ daß er ſich der Suͤnden ſo lang enthalten; ſo wohl gefiel dem elenden Juͤngling das liederliche Leben: das Gewiſſen/ welches er ſonſten taͤglich zu erforſchen pflegte/ muſte ſich jetzt untertrucken laſſen: die Heiligen GOttes/ ſo er vormahlen ſo embſig und an- daͤchtiglich verehret/ achtete er nichts mehr/ und fieng an im GOttes-Dienſt verdrießlich zu werden; hingegen dem Leib/ welchen er ſo vielmahl caſteyet und mortificiret hatte/ auffs allerzarteſte auffzuwarten: ward alſo nach und nach/ von Tag zu Tag aͤrger/ und wunderte ſich gleichſamb ſelbſt/ wie er deß lieder- liehen Lebens ſo lang habe entraten koͤnnen: hat alſo gottloſer Weiß ſeine Un- ſehuld und Remigkeit verlohren/ und ſteh in die abſcheuliche Suͤnden verwi- ckelt/ daß er alſo von ſeinem eigenen Vatter/ wegen ſeines boͤſen Lebens/ mit Streichen hergenommen worden. Es war nunmehr alle Ermahnung und Straff verlohren; darumb er dann letztlich in ſeinem unſeligen Leben gantz unſeliglich iſt geſtorben und verdorben. 8. Kanſt du nicht/ mein Chriſtliche Seel/ hierauß handgreifflich abneh- men/ daß es nicht gnug ſeye/ wohl anzufangen; ſondern man muͤſſe auch in dem guten von Anfang biß zum End verharren; was haben dieſem ungluͤckſeligen Juͤngling ſeine ſo viele Jahren geuͤbte gute Wercke genutzet? warhafftig nichts. O wie viele Geiſtliche findet man nicht auch heutigen Tags leider GOTTES! ſo da uͤberauß wohl anfangen/ aber trefflich uͤbel endigen! dieſe redet der Heyl. Apoſtel Paulus mit denen ernſtlichen Worten an/ und ſagt: Seyd ihr ſo unwitzig/ daß ihr/ nachdem ihr im Geiſt habt angefangen/ ietzt im Fleiſch vollen- den wollet? und der Heyl. Geiſt drewet allſolchen durch den weiſen Mann mit dem erſchroͤcklichen und ewigen Wehe/ und ſpricht: Wehe denen/ welche die Gedult verlohren/ und die Gal. 3. v. 3. Eccli. 2. v. 16. C c c c c 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 757. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/785>, abgerufen am 22.11.2024.