Mit was feltsamer Sprach tasten mich die Latei- ner an/ so war ich leb/ schwört der Tod/ verstehe ich nicht Lateinisch/ und weiß dahero nicht/ was Respect für ein Thier ist/ Respect und Despect ligen bey mir in einem Schubladel/ und sieht eins dem andern ganz gleich; Mein Vatter der Teuffel/ gar ein ehr- licher Kerl/ scilicet, und mein Mutter die Sünd gar eine feine Frau/ scilicet, haben mich zu Erspa- rung der Unkosten nichts lernen lassen/ von dannen komts/ daß ich so gar mit denen Lateinern nicht weiß umzuspringen/ es hat mich zwar der Allerhöchste GOtt selbst unterricht/ so find ich aber/ daß meine Studien weit eine andere Art in sich haben/ dann in meiner Grammatic ist Mors Generis Communis, in meinem Syntax hat das Verbum Vivo, auf der Welt kein Infinitivum, in meiner Dialectica macht man allein den Syllogismum über Barbara, in mei- ner Theologia ist das Stehlen erlaubt/ in meiner Jurisprud, ist der Todschlag allezeit recht und gültig/ in meiner Medicin ist das heilsamste Recipe/ daß man dem Patienten das Maul mit Erd zuschoppe/ ich/ der ich dann alles anderst gestudirt/ so hab ich mit den Gelehrten dieser Welt kein Respect/ und mach ihnen folgsam kein besonders/ sondern nimm Cato- nes, Marones, Platones, Solones, Stolones, Biones, Spiones, Zenones, untereinander/ über- einander/ durcheinander/ wer es nicht glauben will/ der laß sich besser von den Wiennern berichten.
Es pranget mit der hohen Schul die Stadt Bononien in Welschland/ die Stadt Salman- tica in Spanien/ die Stadt Lugdon in Frank- reich/ die Stadt Prag in Böhmen/ die Stadt Jngolstatt in Bayrn/ die Stadt Salzburg in selbem Land/ viel andere mehr auf dem Teutschen Boden/ aber sonderlich überschätzt sich Glor-
reich
Mercks Wienn.
Mit was feltſamer Sprach taſten mich die Latei- ner an/ ſo war ich leb/ ſchwoͤrt der Tod/ verſtehe ich nicht Lateiniſch/ und weiß dahero nicht/ was Reſpect fuͤr ein Thier iſt/ Reſpect und Deſpect ligen bey mir in einem Schubladel/ und ſieht eins dem andern ganz gleich; Mein Vatter der Teuffel/ gar ein ehr- licher Kerl/ ſcilicet, und mein Mutter die Suͤnd gar eine feine Frau/ ſcilicet, haben mich zu Erſpa- rung der Unkoſten nichts lernen laſſen/ von dannen komts/ daß ich ſo gar mit denen Lateinern nicht weiß umzuſpringen/ es hat mich zwar der Allerhoͤchſte GOtt ſelbſt unterricht/ ſo find ich aber/ daß meine Studien weit eine andere Art in ſich haben/ dann in meiner Grammatic iſt Mors Generis Communis, in meinem Syntax hat das Verbum Vivo, auf der Welt kein Infinitivum, in meiner Dialectica macht man allein den Syllogismum uͤber Barbara, in mei- ner Theologia iſt das Stehlen erlaubt/ in meiner Jurisprud, iſt der Todſchlag allezeit recht und guͤltig/ in meineꝛ Medicin iſt das heilſamſte Recipe/ daß man dem Patienten das Maul mit Erd zuſchoppe/ ich/ der ich dann alles anderſt geſtudirt/ ſo hab ich mit den Gelehrten dieſer Welt kein Reſpect/ und mach ihnen folgſam kein beſonders/ ſondern nimm Cato- nes, Marones, Platones, Solones, Stolones, Biones, Spiones, Zenones, untereinander/ uͤber- einander/ durcheinander/ wer es nicht glauben will/ der laß ſich beſſer von den Wiennern berichten.
Es pranget mit der hohen Schul die Stadt Bononien in Welſchland/ die Stadt Salman- tica in Spanien/ die Stadt Lugdon in Frank- reich/ die Stadt Prag in Boͤhmen/ die Stadt Jngolſtatt in Bayrn/ die Stadt Salzburg in ſelbem Land/ viel andere mehr auf dem Teutſchen Boden/ aber ſonderlich uͤberſchaͤtzt ſich Glor-
reich
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Mercks Wienn.
Mit was feltſamer Sprach taſten mich die Latei-
ner an/ ſo war ich leb/ ſchwoͤrt der Tod/ verſtehe ich
nicht Lateiniſch/ und weiß dahero nicht/ was Reſpect
fuͤr ein Thier iſt/ Reſpect und Deſpect ligen bey mir
in einem Schubladel/ und ſieht eins dem andern
ganz gleich; Mein Vatter der Teuffel/ gar ein ehr-
licher Kerl/ ſcilicet, und mein Mutter die Suͤnd
gar eine feine Frau/ ſcilicet, haben mich zu Erſpa-
rung der Unkoſten nichts lernen laſſen/ von dannen
komts/ daß ich ſo gar mit denen Lateinern nicht weiß
umzuſpringen/ es hat mich zwar der Allerhoͤchſte
GOtt ſelbſt unterricht/ ſo find ich aber/ daß meine
Studien weit eine andere Art in ſich haben/ dann in
meiner Grammatic iſt Mors Generis Communis,
in meinem Syntax hat das Verbum Vivo, auf der
Welt kein Infinitivum, in meiner Dialectica macht
man allein den Syllogismum uͤber Barbara, in mei-
ner Theologia iſt das Stehlen erlaubt/ in meiner
Jurisprud, iſt der Todſchlag allezeit recht und guͤltig/
in meineꝛ Medicin iſt das heilſamſte Recipe/ daß man
dem Patienten das Maul mit Erd zuſchoppe/ ich/
der ich dann alles anderſt geſtudirt/ ſo hab ich mit
den Gelehrten dieſer Welt kein Reſpect/ und mach
ihnen folgſam kein beſonders/ ſondern nimm Cato-
nes, Marones, Platones, Solones, Stolones,
Biones, Spiones, Zenones, untereinander/ uͤber-
einander/ durcheinander/ wer es nicht glauben
will/ der laß ſich beſſer von den Wiennern berichten.
Es pranget mit der hohen Schul die Stadt
Bononien in Welſchland/ die Stadt Salman-
tica in Spanien/ die Stadt Lugdon in Frank-
reich/ die Stadt Prag in Boͤhmen/ die Stadt
Jngolſtatt in Bayrn/ die Stadt Salzburg in
ſelbem Land/ viel andere mehr auf dem Teutſchen
Boden/ aber ſonderlich uͤberſchaͤtzt ſich Glor-
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Santa Clara, Abraham a: Mercks Wienn/ Das ist : Deß wütenden Todts Ein umständige Beschreibung. Wien, 1680, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_mercks_1680/99>, abgerufen am 16.02.2025.
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