Thränen vergossen hätten, so sind sie doch in we- niger Zeit just so, wie sie vor waren; und lie- gen in ihrem Unflath gerne, oder sind gar noch tieffer hinein gesuncken? Ach gewiß! wer es bis dahin kommen lassen, daß er unter dieser Di- sciplin des bösen Geistes, der die Gottlosen mit Wohllüsten plaget und verführet, stehen muß: über dessen Seele kann man Jammer und Wehe ausschreyen, und das allerbetrübteste conclamatum est ausruffen!
GOtt ist im allerhöchsten, ja unendlichem Grade gerecht; und darum muß ers zulassen, daß derjenige, dem seine liebesvolle, sanfte und vergnügende Regierung schlechterdings nicht an- stehet, unter die Obrigkeit der Finsterniß ver- fället: denn die wolte er ja haben, da er für sei- ne Lüste und Paßionen alle vollkommene Frey- heit prätendirte. Daher der Satan von so ei- nes Menschen Hertzen völligen Besitz nimmt, und ihn dermassen fesselt, daß auch die vernünf- tigsten Gründe, die beweglichsten Vorstellun- gen, das inständigste Bitten, das kläreste Er- weisen der darauf folgenden Gefahr und Ge- richte nicht starck genug sind, ihn auch nur auf eine kurtze Zeit in einem beständigen Ernst zu erhalten. Sie können noch zum Theil leicht beweget, und zu der Resolution gebracht wer- den, sie wolten und müsten sich nun bekehren: aber ehe man sichs versiehet, liegen sie wieder; und wenns einige mal so gegangen, so despe- riren sie selbst, geben alles verlohren, halten es für unmöglich, daß sie iemals mehr könten be-
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II. Th. Betr. der Unreinigk. R
der Unreinigkeit.
Thraͤnen vergoſſen haͤtten, ſo ſind ſie doch in we- niger Zeit juſt ſo, wie ſie vor waren; und lie- gen in ihrem Unflath gerne, oder ſind gar noch tieffer hinein geſuncken? Ach gewiß! wer es bis dahin kommen laſſen, daß er unter dieſer Di- ſciplin des boͤſen Geiſtes, der die Gottloſen mit Wohlluͤſten plaget und verfuͤhret, ſtehen muß: uͤber deſſen Seele kann man Jammer und Wehe ausſchreyen, und das allerbetruͤbteſte conclamatum eſt ausruffen!
GOtt iſt im allerhoͤchſten, ja unendlichem Grade gerecht; und darum muß ers zulaſſen, daß derjenige, dem ſeine liebesvolle, ſanfte und vergnuͤgende Regierung ſchlechterdings nicht an- ſtehet, unter die Obrigkeit der Finſterniß ver- faͤllet: denn die wolte er ja haben, da er fuͤr ſei- ne Luͤſte und Paßionen alle vollkommene Frey- heit praͤtendirte. Daher der Satan von ſo ei- nes Menſchen Hertzen voͤlligen Beſitz nimmt, und ihn dermaſſen feſſelt, daß auch die vernuͤnf- tigſten Gruͤnde, die beweglichſten Vorſtellun- gen, das inſtaͤndigſte Bitten, das klaͤreſte Er- weiſen der darauf folgenden Gefahr und Ge- richte nicht ſtarck genug ſind, ihn auch nur auf eine kurtze Zeit in einem beſtaͤndigen Ernſt zu erhalten. Sie koͤnnen noch zum Theil leicht beweget, und zu der Reſolution gebracht wer- den, ſie wolten und muͤſten ſich nun bekehren: aber ehe man ſichs verſiehet, liegen ſie wieder; und wenns einige mal ſo gegangen, ſo deſpe- riren ſie ſelbſt, geben alles verlohren, halten es fuͤr unmoͤglich, daß ſie iemals mehr koͤnten be-
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II. Th. Betr. der Unreinigk. R
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der Unreinigkeit.
Thraͤnen vergoſſen haͤtten, ſo ſind ſie doch in we-
niger Zeit juſt ſo, wie ſie vor waren; und lie-
gen in ihrem Unflath gerne, oder ſind gar noch
tieffer hinein geſuncken? Ach gewiß! wer es bis
dahin kommen laſſen, daß er unter dieſer Di-
ſciplin des boͤſen Geiſtes, der die Gottloſen mit
Wohlluͤſten plaget und verfuͤhret, ſtehen muß:
uͤber deſſen Seele kann man Jammer und
Wehe ausſchreyen, und das allerbetruͤbteſte
conclamatum eſt ausruffen!
GOtt iſt im allerhoͤchſten, ja unendlichem
Grade gerecht; und darum muß ers zulaſſen,
daß derjenige, dem ſeine liebesvolle, ſanfte und
vergnuͤgende Regierung ſchlechterdings nicht an-
ſtehet, unter die Obrigkeit der Finſterniß ver-
faͤllet: denn die wolte er ja haben, da er fuͤr ſei-
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heit praͤtendirte. Daher der Satan von ſo ei-
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und ihn dermaſſen feſſelt, daß auch die vernuͤnf-
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gen, das inſtaͤndigſte Bitten, das klaͤreſte Er-
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eine kurtze Zeit in einem beſtaͤndigen Ernſt zu
erhalten. Sie koͤnnen noch zum Theil leicht
beweget, und zu der Reſolution gebracht wer-
den, ſie wolten und muͤſten ſich nun bekehren:
aber ehe man ſichs verſiehet, liegen ſie wieder;
und wenns einige mal ſo gegangen, ſo deſpe-
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/277>, abgerufen am 21.11.2024.
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