spräche, ich wolte dis vergiftete Wasser austrin- cken; müste ich daran sterben, so solten und müsten Sie es verantworten: ich frage Sie, ob Sie mich denn nicht für höchst un- billig und unsinnig halten könten? Darf ich Jhnen nun bis nicht thun, in einer unver- gleichlich geringeren Sache: ach! mein Hertzensfreund! wie? daß sie das Hertz ha- ben bey Jhrer allerhöchsten Obrigkeit und künftigen Richter dergleichen was zu wagen, und ihrem gütigen und hei- ligen Schöpfer so etwas vorzuwerfen? Ey! sind Sie denn seines gleichen, daß Sie Jhm auf eine so leichtsinnige, unbescheidene, und trotzige Weise begegnen? Erschrecken Sie nicht mit demüthiger Beschämung und Abbitte vor GOtt, wenn Jhnen dergleichen Gedancken nur einfallen? Oder wenn Sie denn darauf bestehen wolten, daß Sie ihm dergleichen mit Recht vorrücken könten, so frage ich sie: was muß Jhnen GOtt für ein geringschätzig Ding und verachteter GOtt seyn, dem Sie Sachen zumuthen und aufbürden dürfen, dergleichen Sie sich selber nimmermehr von ihres gleichen wolten aufbürden lassen?
Sehen sie denn nicht, daß auch andere sonst unumgänglich nöthige und natürliche Be- gierden zum Exempel nach Essen und Trin-5) cken, Schlaff und Ruhe, Bewegung und Lust etc. bey dem Menschen ebener massen in eine so schreckliche Confusion und Heftigkeit gerathen sind, daß sie im Uebermaß und
Ge-
(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit.
ſpraͤche, ich wolte dis vergiftete Waſſer austrin- cken; muͤſte ich daran ſterben, ſo ſolten und muͤſten Sie es verantworten: ich frage Sie, ob Sie mich denn nicht fuͤr hoͤchſt un- billig und unſinnig halten koͤnten? Darf ich Jhnen nun bis nicht thun, in einer unver- gleichlich geringeren Sache: ach! mein Hertzensfreund! wie? daß ſie das Hertz ha- ben bey Jhrer allerhoͤchſten Obrigkeit und kuͤnftigen Richter dergleichen was zu wagen, und ihrem guͤtigen und hei- ligen Schoͤpfer ſo etwas vorzuwerfen? Ey! ſind Sie denn ſeines gleichen, daß Sie Jhm auf eine ſo leichtſinnige, unbeſcheidene, und trotzige Weiſe begegnen? Erſchrecken Sie nicht mit demuͤthiger Beſchaͤmung und Abbitte vor GOtt, wenn Jhnen dergleichen Gedancken nur einfallen? Oder wenn Sie denn darauf beſtehen wolten, daß Sie ihm dergleichen mit Recht vorruͤcken koͤnten, ſo frage ich ſie: was muß Jhnen GOtt fuͤr ein geringſchaͤtzig Ding und verachteter GOtt ſeyn, dem Sie Sachen zumuthen und aufbuͤrden duͤrfen, dergleichen Sie ſich ſelber nimmermehr von ihres gleichen wolten aufbuͤrden laſſen?
Sehen ſie denn nicht, daß auch andere ſonſt unumgaͤnglich noͤthige und natuͤrliche Be- gierden zum Exempel nach Eſſen und Trin-5) cken, Schlaff und Ruhe, Bewegung und Luſt ꝛc. bey dem Menſchen ebener maſſen in eine ſo ſchreckliche Confuſion und Heftigkeit gerathen ſind, daß ſie im Uebermaß und
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(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit.
ſpraͤche, ich wolte dis vergiftete Waſſer austrin-
cken; muͤſte ich daran ſterben, ſo ſolten und
muͤſten Sie es verantworten: ich frage
Sie, ob Sie mich denn nicht fuͤr hoͤchſt un-
billig und unſinnig halten koͤnten? Darf
ich Jhnen nun bis nicht thun, in einer unver-
gleichlich geringeren Sache: ach! mein
Hertzensfreund! wie? daß ſie das Hertz ha-
ben bey Jhrer allerhoͤchſten Obrigkeit
und kuͤnftigen Richter dergleichen was
zu wagen, und ihrem guͤtigen und hei-
ligen Schoͤpfer ſo etwas vorzuwerfen?
Ey! ſind Sie denn ſeines gleichen, daß Sie
Jhm auf eine ſo leichtſinnige, unbeſcheidene, und
trotzige Weiſe begegnen? Erſchrecken Sie nicht
mit demuͤthiger Beſchaͤmung und Abbitte vor
GOtt, wenn Jhnen dergleichen Gedancken
nur einfallen? Oder wenn Sie denn darauf
beſtehen wolten, daß Sie ihm dergleichen mit
Recht vorruͤcken koͤnten, ſo frage ich ſie: was
muß Jhnen GOtt fuͤr ein geringſchaͤtzig Ding
und verachteter GOtt ſeyn, dem Sie Sachen
zumuthen und aufbuͤrden duͤrfen, dergleichen
Sie ſich ſelber nimmermehr von ihres gleichen
wolten aufbuͤrden laſſen?
Sehen ſie denn nicht, daß auch andere
ſonſt unumgaͤnglich noͤthige und natuͤrliche Be-
gierden zum Exempel nach Eſſen und Trin-
cken, Schlaff und Ruhe, Bewegung und
Luſt ꝛc. bey dem Menſchen ebener maſſen in eine
ſo ſchreckliche Confuſion und Heftigkeit
gerathen ſind, daß ſie im Uebermaß und
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/35>, abgerufen am 21.11.2024.
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