Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.Quellen der Unreinigkeit. 11) Weil sie auch ein gutes und nicht ungeordnetes Ge- müth von aller Lust zu gründlichen und rechtschaffenen Studiis herunterbringen können. "Denn ob sie gleich "nicht einmal der ersten Stunde werth sind, die man "anfängt drauf zu wenden: so wird doch, (wie Herr "Freyer aus so vieler Erfahrung junger Leute schreibet) "ein unvorsichtiges und unerfahrnes Gemüth vielmals "dadurch also bezaubert, daß es Tage und Nächte drauf "spendiret, und selten eher aufhören kann, als bis das "letzte Blat umgeschlagen. Jst doch das schon sehr un- "recht, | und den gründlichen Studiis sehr hinderlich: "wenn junge Leute vor der Zeit zu sehr auf das wahre "studium historicum fallen, und sonderlich die Lesung "guter und angenehmer Geschichtbücher und Particular- "begebenheiten ihrem gegenwärtigen Hauptgeschäfte vor- "ziehen wollen. Denn daraus entstehet lauter Unord- "nung: die Tagesarbeit wird nicht richtig eingetheilet, "das, was zu verfertigen ist, bis auf die letzte Stunde "versparet, und daher nur obenhin gemacht, das Histo- "rienbuch wol gar mit in die Classe genommen, und "darüber ein Verweis nach dem andern veranlasset, die "Lection bey Abwesenheit des Gemüths nicht recht ge- "faßt, die sonst möglich gewesene Translocation verhin- "dert, und zuletzt doch nichts mehr, als ein Kopfvoll übel "zusammenhangender Histörchen davon gebracht." Ja welches gewiß eine der wichtigsten und gewissesten Fol- gen ist: so wird das gantze Gemüth von ernsten und ei- niges Anstrengen erfordernden Studiis abgezogen und verwöhnet, daß es an nichts mehr, als an Reisebeschrei- bungen, Erzehlungen, sinnlichen Vorstellungen und leicht geschriebenen Schriften sein Belieben findet, bis es endlich in die Romans selbst hinein verführet wird. Wie viel unbilliger und bedaurenswürdiger wird nicht erst der Zeitverlust und Schaden seyn, den man von dem Romanenlesen selber hat! 12). Weil darinnen ausser dem oben erzehlten annoch die kräftigsten Reitzungen zu allerley schweren Sünden, z. E. zu einer sehr honnet aussehenden Unkeuschheit und Un- reinigkeit, zu spitzfindigen Jntriguen, zu einem recht er- habenen Hochmuth, Selbstliebe, Eigengefälligkeit, Rach- gier, stoltzen Ungehorsam etc. und zwar unter lauter süs- sen Vorstellungen und unvermerckt in die Seele hinein gebracht werden: so daß es nicht wol möglich ist sie ohne mannigfaltige Befleckungen des Gemüths und Leibes zu lesen; da ja das gantze Hertz dergleichen Flammen lü- sterner Vorstellungen gleichsam zur Residentz und Werck- stette eingeräumet wird. 13) Weil O o 3
Quellen der Unreinigkeit. 11) Weil ſie auch ein gutes und nicht ungeordnetes Ge- muͤth von aller Luſt zu gruͤndlichen und rechtſchaffenen Studiis herunterbringen koͤnnen. „Denn ob ſie gleich „nicht einmal der erſten Stunde werth ſind, die man „anfaͤngt drauf zu wenden: ſo wird doch, (wie Herr „Freyer aus ſo vieler Erfahrung junger Leute ſchreibet) „ein unvorſichtiges und unerfahrnes Gemuͤth vielmals „dadurch alſo bezaubert, daß es Tage und Naͤchte drauf „ſpendiret, und ſelten eher aufhoͤren kann, als bis das „letzte Blat umgeſchlagen. Jſt doch das ſchon ſehr un- „recht, | und den gruͤndlichen Studiis ſehr hinderlich: „wenn junge Leute vor der Zeit zu ſehr auf das wahre „ſtudium hiſtoricum fallen, und ſonderlich die Leſung „guter und angenehmer Geſchichtbuͤcher und Particular- „begebenheiten ihrem gegenwaͤrtigen Hauptgeſchaͤfte vor- „ziehen wollen. Denn daraus entſtehet lauter Unord- „nung: die Tagesarbeit wird nicht richtig eingetheilet, „das, was zu verfertigen iſt, bis auf die letzte Stunde „verſparet, und daher nur obenhin gemacht, das Hiſto- „rienbuch wol gar mit in die Claſſe genommen, und „daruͤber ein Verweis nach dem andern veranlaſſet, die „Lection bey Abweſenheit des Gemuͤths nicht recht ge- „faßt, die ſonſt moͤglich geweſene Translocation verhin- „dert, und zuletzt doch nichts mehr, als ein Kopfvoll uͤbel „zuſammenhangender Hiſtoͤrchen davon gebracht.‟ Ja welches gewiß eine der wichtigſten und gewiſſeſten Fol- gen iſt: ſo wird das gantze Gemuͤth von ernſten und ei- niges Anſtrengen erfordernden Studiis abgezogen und verwoͤhnet, daß es an nichts mehr, als an Reiſebeſchrei- bungen, Erzehlungen, ſinnlichen Vorſtellungen und leicht geſchriebenen Schriften ſein Belieben findet, bis es endlich in die Romans ſelbſt hinein verfuͤhret wird. Wie viel unbilliger und bedaurenswuͤrdiger wird nicht erſt der Zeitverluſt und Schaden ſeyn, den man von dem Romanenleſen ſelber hat! 12). Weil darinnen auſſer dem oben erzehlten annoch die kraͤftigſten Reitzungen zu allerley ſchweren Suͤnden, z. E. zu einer ſehr honnet ausſehenden Unkeuſchheit und Un- reinigkeit, zu ſpitzfindigen Jntriguen, zu einem recht er- habenen Hochmuth, Selbſtliebe, Eigengefaͤlligkeit, Rach- gier, ſtoltzen Ungehorſam ꝛc. und zwar unter lauter ſuͤſ- ſen Vorſtellungen und unvermerckt in die Seele hinein gebracht werden: ſo daß es nicht wol moͤglich iſt ſie ohne mannigfaltige Befleckungen des Gemuͤths und Leibes zu leſen; da ja das gantze Hertz dergleichen Flammen luͤ- ſterner Vorſtellungen gleichſam zur Reſidentz und Werck- ſtette eingeraͤumet wird. 13) Weil O o 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0601" n="581"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Quellen der Unreinigkeit.</hi> </fw><lb/> <list> <item>11) Weil ſie auch ein gutes und nicht ungeordnetes Ge-<lb/> muͤth von aller Luſt zu gruͤndlichen und rechtſchaffenen<lb/><hi rendition="#aq">Studiis</hi> herunterbringen koͤnnen. „Denn ob ſie gleich<lb/> „nicht einmal der erſten Stunde werth ſind, die man<lb/> „anfaͤngt drauf zu wenden: ſo wird doch, (wie Herr<lb/> „Freyer aus ſo vieler Erfahrung junger Leute ſchreibet)<lb/> „ein unvorſichtiges und unerfahrnes Gemuͤth vielmals<lb/> „dadurch alſo bezaubert, daß es Tage und Naͤchte drauf<lb/> „ſpendiret, und ſelten eher aufhoͤren kann, als bis das<lb/> „letzte Blat umgeſchlagen. Jſt doch das ſchon ſehr un-<lb/> „recht, | und den gruͤndlichen <hi rendition="#aq">Studiis</hi> ſehr hinderlich:<lb/> „wenn junge Leute vor der Zeit zu ſehr auf das wahre<lb/> „<hi rendition="#aq">ſtudium hiſtoricum</hi> fallen, und ſonderlich die Leſung<lb/> „guter und angenehmer Geſchichtbuͤcher und Particular-<lb/> „begebenheiten ihrem gegenwaͤrtigen Hauptgeſchaͤfte vor-<lb/> „ziehen wollen. Denn daraus entſtehet lauter Unord-<lb/> „nung: die Tagesarbeit wird nicht richtig eingetheilet,<lb/> „das, was zu verfertigen iſt, bis auf die letzte Stunde<lb/> „verſparet, und daher nur obenhin gemacht, das Hiſto-<lb/> „rienbuch wol gar mit in die Claſſe genommen, und<lb/> „daruͤber ein Verweis nach dem andern veranlaſſet, die<lb/> „Lection bey Abweſenheit des Gemuͤths nicht recht ge-<lb/> „faßt, die ſonſt moͤglich geweſene Translocation verhin-<lb/> „dert, und zuletzt doch nichts mehr, als ein Kopfvoll uͤbel<lb/> „zuſammenhangender Hiſtoͤrchen davon gebracht.‟ Ja<lb/> welches gewiß eine der wichtigſten und gewiſſeſten Fol-<lb/> gen iſt: ſo wird das gantze Gemuͤth von ernſten und ei-<lb/> niges Anſtrengen erfordernden <hi rendition="#aq">Studiis</hi> abgezogen und<lb/> verwoͤhnet, daß es an nichts mehr, als an Reiſebeſchrei-<lb/> bungen, Erzehlungen, ſinnlichen Vorſtellungen und<lb/> leicht geſchriebenen Schriften ſein Belieben findet, bis<lb/> es endlich in die Romans ſelbſt hinein verfuͤhret wird.<lb/> Wie viel unbilliger und bedaurenswuͤrdiger wird nicht<lb/> erſt der Zeitverluſt und Schaden ſeyn, den man von dem<lb/> Romanenleſen ſelber hat!</item><lb/> <item>12). Weil darinnen auſſer dem oben erzehlten annoch die<lb/> kraͤftigſten Reitzungen zu allerley ſchweren Suͤnden, z. E.<lb/> zu einer ſehr honnet ausſehenden Unkeuſchheit und Un-<lb/> reinigkeit, zu ſpitzfindigen Jntriguen, zu einem recht er-<lb/> habenen Hochmuth, Selbſtliebe, Eigengefaͤlligkeit, Rach-<lb/> gier, ſtoltzen Ungehorſam ꝛc. und zwar unter lauter ſuͤſ-<lb/> ſen Vorſtellungen und unvermerckt in die Seele hinein<lb/> gebracht werden: ſo daß es nicht wol moͤglich iſt ſie ohne<lb/> mannigfaltige Befleckungen des Gemuͤths und Leibes zu<lb/> leſen; da ja das gantze Hertz dergleichen Flammen luͤ-<lb/> ſterner Vorſtellungen gleichſam zur Reſidentz und Werck-<lb/> ſtette eingeraͤumet wird.</item> </list><lb/> <fw place="bottom" type="sig">O o 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">13) Weil</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [581/0601]
Quellen der Unreinigkeit.
11) Weil ſie auch ein gutes und nicht ungeordnetes Ge-
muͤth von aller Luſt zu gruͤndlichen und rechtſchaffenen
Studiis herunterbringen koͤnnen. „Denn ob ſie gleich
„nicht einmal der erſten Stunde werth ſind, die man
„anfaͤngt drauf zu wenden: ſo wird doch, (wie Herr
„Freyer aus ſo vieler Erfahrung junger Leute ſchreibet)
„ein unvorſichtiges und unerfahrnes Gemuͤth vielmals
„dadurch alſo bezaubert, daß es Tage und Naͤchte drauf
„ſpendiret, und ſelten eher aufhoͤren kann, als bis das
„letzte Blat umgeſchlagen. Jſt doch das ſchon ſehr un-
„recht, | und den gruͤndlichen Studiis ſehr hinderlich:
„wenn junge Leute vor der Zeit zu ſehr auf das wahre
„ſtudium hiſtoricum fallen, und ſonderlich die Leſung
„guter und angenehmer Geſchichtbuͤcher und Particular-
„begebenheiten ihrem gegenwaͤrtigen Hauptgeſchaͤfte vor-
„ziehen wollen. Denn daraus entſtehet lauter Unord-
„nung: die Tagesarbeit wird nicht richtig eingetheilet,
„das, was zu verfertigen iſt, bis auf die letzte Stunde
„verſparet, und daher nur obenhin gemacht, das Hiſto-
„rienbuch wol gar mit in die Claſſe genommen, und
„daruͤber ein Verweis nach dem andern veranlaſſet, die
„Lection bey Abweſenheit des Gemuͤths nicht recht ge-
„faßt, die ſonſt moͤglich geweſene Translocation verhin-
„dert, und zuletzt doch nichts mehr, als ein Kopfvoll uͤbel
„zuſammenhangender Hiſtoͤrchen davon gebracht.‟ Ja
welches gewiß eine der wichtigſten und gewiſſeſten Fol-
gen iſt: ſo wird das gantze Gemuͤth von ernſten und ei-
niges Anſtrengen erfordernden Studiis abgezogen und
verwoͤhnet, daß es an nichts mehr, als an Reiſebeſchrei-
bungen, Erzehlungen, ſinnlichen Vorſtellungen und
leicht geſchriebenen Schriften ſein Belieben findet, bis
es endlich in die Romans ſelbſt hinein verfuͤhret wird.
Wie viel unbilliger und bedaurenswuͤrdiger wird nicht
erſt der Zeitverluſt und Schaden ſeyn, den man von dem
Romanenleſen ſelber hat!
12). Weil darinnen auſſer dem oben erzehlten annoch die
kraͤftigſten Reitzungen zu allerley ſchweren Suͤnden, z. E.
zu einer ſehr honnet ausſehenden Unkeuſchheit und Un-
reinigkeit, zu ſpitzfindigen Jntriguen, zu einem recht er-
habenen Hochmuth, Selbſtliebe, Eigengefaͤlligkeit, Rach-
gier, ſtoltzen Ungehorſam ꝛc. und zwar unter lauter ſuͤſ-
ſen Vorſtellungen und unvermerckt in die Seele hinein
gebracht werden: ſo daß es nicht wol moͤglich iſt ſie ohne
mannigfaltige Befleckungen des Gemuͤths und Leibes zu
leſen; da ja das gantze Hertz dergleichen Flammen luͤ-
ſterner Vorſtellungen gleichſam zur Reſidentz und Werck-
ſtette eingeraͤumet wird.
13) Weil
O o 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |