be Unzucht unterläßt, weidet aber inzwischen gern die Augen des Leibes und der Seelen mit heimlichen Lüsten, bey dem ists verloren; einer solchen gefäng- lich weggeführten Seele sind alle Kammern der Weißheit verschlossen, daß sie dann demjenigen was wahrhaftig, ehrbar, gerecht, keusch, lieblich und wohllautend ist, und was sie von den Aposteln und Heiligen gelernet, empfangen, gehört und ge- sehen haben solte, nicht einmal nachdencken kann. Phil. 4, 8. 9. Sie findet allenthalben Wust und Unflat, nebst allerley Säusen und Brausen vor sich offen, dabey ihr die bösen Geister mit einem Gerichte unkeuscher Einbildungen aufwarten; und davon naschet die an solche Greuel gewöhnte Seele so hin; schämet sich aber dessen so sehr, daß sie ihre Augen nicht gen Himmel aufheben darf.
Wie lange es oft gehe, ehe es recht Ernst wer- de, sehen wir am heiligen Augustino. Sein Wil- le wurde also hin und her gezogen. Bald wolte er, und hatte groß Gefallen an der Keuschheit; bald wütete die fleischliche Neigung wieder, daß er sich der Anfechtungen mit keinem Lieb entschlagen konte: es stiege in ihm auf und nieder; es gieng vermischt durch einander, und lieffe in den Gedan- cken herum wie ein Rad im Koth; seine Seele schwebete im Mittel, und mochte sich auf keine Seite frey hinwenden; beyde Theile waren ihm bald süß, bald sauer. Die Keuschheit präsentirte sich ihm in einer himmlisch anmuthigen und ma- jestätischen Klarheit mit dem Geruch des edelsten Balsams, umgeben mit vielen Schaaren junger Knaben und Jungfrauen, so die wüste Lust mit wachen, fasten, arbeiten, Glauben und Beten ge- dämpfet und deßfalls von der Keuschheit gekrö- net worden, und mit einem unbeschreiblichem
Licht
Anhang zum dritten Theil,
be Unzucht unterlaͤßt, weidet aber inzwiſchen gern die Augen des Leibes und der Seelen mit heimlichen Luͤſten, bey dem iſts verloren; einer ſolchen gefaͤng- lich weggefuͤhrten Seele ſind alle Kammern der Weißheit verſchloſſen, daß ſie dann demjenigen was wahrhaftig, ehrbar, gerecht, keuſch, lieblich und wohllautend iſt, und was ſie von den Apoſteln und Heiligen gelernet, empfangen, gehoͤrt und ge- ſehen haben ſolte, nicht einmal nachdencken kann. Phil. 4, 8. 9. Sie findet allenthalben Wuſt und Unflat, nebſt allerley Saͤuſen und Brauſen vor ſich offen, dabey ihr die boͤſen Geiſter mit einem Gerichte unkeuſcher Einbildungen aufwarten; und davon naſchet die an ſolche Greuel gewoͤhnte Seele ſo hin; ſchaͤmet ſich aber deſſen ſo ſehr, daß ſie ihre Augen nicht gen Himmel aufheben darf.
Wie lange es oft gehe, ehe es recht Ernſt wer- de, ſehen wir am heiligen Auguſtino. Sein Wil- le wurde alſo hin und her gezogen. Bald wolte er, und hatte groß Gefallen an der Keuſchheit; bald wuͤtete die fleiſchliche Neigung wieder, daß er ſich der Anfechtungen mit keinem Lieb entſchlagen konte: es ſtiege in ihm auf und nieder; es gieng vermiſcht durch einander, und lieffe in den Gedan- cken herum wie ein Rad im Koth; ſeine Seele ſchwebete im Mittel, und mochte ſich auf keine Seite frey hinwenden; beyde Theile waren ihm bald ſuͤß, bald ſauer. Die Keuſchheit praͤſentirte ſich ihm in einer himmliſch anmuthigen und ma- jeſtaͤtiſchen Klarheit mit dem Geruch des edelſten Balſams, umgeben mit vielen Schaaren junger Knaben und Jungfrauen, ſo die wuͤſte Luſt mit wachen, faſten, arbeiten, Glauben und Beten ge- daͤmpfet und deßfalls von der Keuſchheit gekroͤ- net worden, und mit einem unbeſchreiblichem
Licht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0726"n="706"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Anhang zum dritten Theil,</hi></fw><lb/>
be Unzucht unterlaͤßt, weidet aber inzwiſchen gern<lb/>
die Augen des Leibes und der Seelen mit heimlichen<lb/>
Luͤſten, bey dem iſts verloren; einer ſolchen gefaͤng-<lb/>
lich weggefuͤhrten Seele ſind alle Kammern der<lb/>
Weißheit verſchloſſen, daß ſie dann demjenigen<lb/>
was wahrhaftig, ehrbar, gerecht, keuſch, lieblich<lb/>
und wohllautend iſt, und was ſie von den Apoſteln<lb/>
und Heiligen gelernet, empfangen, gehoͤrt und ge-<lb/>ſehen haben ſolte, nicht einmal nachdencken kann.<lb/>
Phil. 4, 8. 9. Sie findet allenthalben Wuſt und<lb/>
Unflat, nebſt allerley Saͤuſen und Brauſen vor<lb/>ſich offen, dabey ihr die boͤſen Geiſter mit einem<lb/>
Gerichte unkeuſcher Einbildungen aufwarten;<lb/>
und davon naſchet die an ſolche Greuel gewoͤhnte<lb/>
Seele ſo hin; ſchaͤmet ſich aber deſſen ſo ſehr, daß<lb/>ſie ihre Augen nicht gen Himmel aufheben darf.</p><lb/><p>Wie lange es oft gehe, ehe es recht Ernſt wer-<lb/>
de, ſehen wir am heiligen Auguſtino. Sein Wil-<lb/>
le wurde alſo hin und her gezogen. Bald wolte er,<lb/>
und hatte groß Gefallen an der Keuſchheit; bald<lb/>
wuͤtete die fleiſchliche Neigung wieder, daß er ſich<lb/>
der Anfechtungen mit keinem Lieb entſchlagen<lb/>
konte: es ſtiege in ihm auf und nieder; es gieng<lb/>
vermiſcht durch einander, und lieffe in den Gedan-<lb/>
cken herum wie ein Rad im Koth; ſeine Seele<lb/>ſchwebete im Mittel, und mochte ſich auf keine<lb/>
Seite frey hinwenden; beyde Theile waren ihm<lb/>
bald ſuͤß, bald ſauer. Die Keuſchheit praͤſentirte<lb/>ſich ihm in einer himmliſch anmuthigen und ma-<lb/>
jeſtaͤtiſchen Klarheit mit dem Geruch des edelſten<lb/>
Balſams, umgeben mit vielen Schaaren junger<lb/>
Knaben und Jungfrauen, ſo die wuͤſte Luſt mit<lb/>
wachen, faſten, arbeiten, Glauben und Beten ge-<lb/>
daͤmpfet und deßfalls von der Keuſchheit gekroͤ-<lb/>
net worden, und mit einem unbeſchreiblichem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Licht</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[706/0726]
Anhang zum dritten Theil,
be Unzucht unterlaͤßt, weidet aber inzwiſchen gern
die Augen des Leibes und der Seelen mit heimlichen
Luͤſten, bey dem iſts verloren; einer ſolchen gefaͤng-
lich weggefuͤhrten Seele ſind alle Kammern der
Weißheit verſchloſſen, daß ſie dann demjenigen
was wahrhaftig, ehrbar, gerecht, keuſch, lieblich
und wohllautend iſt, und was ſie von den Apoſteln
und Heiligen gelernet, empfangen, gehoͤrt und ge-
ſehen haben ſolte, nicht einmal nachdencken kann.
Phil. 4, 8. 9. Sie findet allenthalben Wuſt und
Unflat, nebſt allerley Saͤuſen und Brauſen vor
ſich offen, dabey ihr die boͤſen Geiſter mit einem
Gerichte unkeuſcher Einbildungen aufwarten;
und davon naſchet die an ſolche Greuel gewoͤhnte
Seele ſo hin; ſchaͤmet ſich aber deſſen ſo ſehr, daß
ſie ihre Augen nicht gen Himmel aufheben darf.
Wie lange es oft gehe, ehe es recht Ernſt wer-
de, ſehen wir am heiligen Auguſtino. Sein Wil-
le wurde alſo hin und her gezogen. Bald wolte er,
und hatte groß Gefallen an der Keuſchheit; bald
wuͤtete die fleiſchliche Neigung wieder, daß er ſich
der Anfechtungen mit keinem Lieb entſchlagen
konte: es ſtiege in ihm auf und nieder; es gieng
vermiſcht durch einander, und lieffe in den Gedan-
cken herum wie ein Rad im Koth; ſeine Seele
ſchwebete im Mittel, und mochte ſich auf keine
Seite frey hinwenden; beyde Theile waren ihm
bald ſuͤß, bald ſauer. Die Keuſchheit praͤſentirte
ſich ihm in einer himmliſch anmuthigen und ma-
jeſtaͤtiſchen Klarheit mit dem Geruch des edelſten
Balſams, umgeben mit vielen Schaaren junger
Knaben und Jungfrauen, ſo die wuͤſte Luſt mit
wachen, faſten, arbeiten, Glauben und Beten ge-
daͤmpfet und deßfalls von der Keuſchheit gekroͤ-
net worden, und mit einem unbeſchreiblichem
Licht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/726>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.