Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen. durch sein Hervorgehen aus der höchsten Gewalt, alsdurch die absolute Macht, womit es wirken soll, bestimmt. Jener Entstehung und dieser Wirkung kann Nichts ange- messener seyn, als die abstracte Form der Regel und des Gebots. Alles Andere, was damit verbunden werden könnte, Entwicklung, Darstellung, Einwirkung auf die Überzeugung, ist der Natur des Gesetzes fremd und gehört anderen Sphären der Mittheilung an. Dadurch entsteht indessen ein Misverhältniß zwischen dem Gesetz und dem Rechtsinstitut, dessen organische Natur in jener abstracten Form unmöglich erschöpft werden kann. Dennoch muß dem Gesetzgeber die vollständigste Anschauung des orga- nischen Rechtsinstituts vorschweben, wenn das Gesetz sei- nem Zweck entsprechen soll, und er muß durch einen künst- lichen Prozeß aus dieser Totalanschauung die abstracte Vorschrift des Gesetzes bilden: eben so muß derjenige, der das Gesetz anwenden soll, durch einen umgekehrten Prozeß den organischen Zusammenhang hinzufügen, aus welchem das Gesetz gleichsam einen einzelnen Durchschnitt darstellt. Jenes Misverhältniß aber und die Nothwen- digkeit dieses künstlichen Verfahrens erscheint gemildert überall, wo das Gesetz den oben dargestellten Beruf der Ergänzung und Nachhülfe erfüllt, da diese besonderen Zwecke gleichfalls schon eine abstracte Natur an sich tra- gen, und daher durch die abstracte Form des Gesetzes leichter erschöpft werden können. Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen. durch ſein Hervorgehen aus der höchſten Gewalt, alsdurch die abſolute Macht, womit es wirken ſoll, beſtimmt. Jener Entſtehung und dieſer Wirkung kann Nichts ange- meſſener ſeyn, als die abſtracte Form der Regel und des Gebots. Alles Andere, was damit verbunden werden könnte, Entwicklung, Darſtellung, Einwirkung auf die Überzeugung, iſt der Natur des Geſetzes fremd und gehört anderen Sphären der Mittheilung an. Dadurch entſteht indeſſen ein Misverhältniß zwiſchen dem Geſetz und dem Rechtsinſtitut, deſſen organiſche Natur in jener abſtracten Form unmöglich erſchöpft werden kann. Dennoch muß dem Geſetzgeber die vollſtändigſte Anſchauung des orga- niſchen Rechtsinſtituts vorſchweben, wenn das Geſetz ſei- nem Zweck entſprechen ſoll, und er muß durch einen künſt- lichen Prozeß aus dieſer Totalanſchauung die abſtracte Vorſchrift des Geſetzes bilden: eben ſo muß derjenige, der das Geſetz anwenden ſoll, durch einen umgekehrten Prozeß den organiſchen Zuſammenhang hinzufügen, aus welchem das Geſetz gleichſam einen einzelnen Durchſchnitt darſtellt. Jenes Misverhältniß aber und die Nothwen- digkeit dieſes künſtlichen Verfahrens erſcheint gemildert überall, wo das Geſetz den oben dargeſtellten Beruf der Ergänzung und Nachhülfe erfüllt, da dieſe beſonderen Zwecke gleichfalls ſchon eine abſtracte Natur an ſich tra- gen, und daher durch die abſtracte Form des Geſetzes leichter erſchöpft werden können. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0100" n="44"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Allg. Natur der Quellen.</fw><lb/> durch ſein Hervorgehen aus der höchſten Gewalt, als<lb/> durch die abſolute Macht, womit es wirken ſoll, beſtimmt.<lb/> Jener Entſtehung und dieſer Wirkung kann Nichts ange-<lb/> meſſener ſeyn, als die abſtracte Form der Regel und des<lb/> Gebots. Alles Andere, was damit verbunden werden<lb/> könnte, Entwicklung, Darſtellung, Einwirkung auf die<lb/> Überzeugung, iſt der Natur des Geſetzes fremd und gehört<lb/> anderen Sphären der Mittheilung an. Dadurch entſteht<lb/> indeſſen ein Misverhältniß zwiſchen dem Geſetz und dem<lb/> Rechtsinſtitut, deſſen organiſche Natur in jener abſtracten<lb/> Form unmöglich erſchöpft werden kann. Dennoch muß<lb/> dem Geſetzgeber die vollſtändigſte Anſchauung des orga-<lb/> niſchen Rechtsinſtituts vorſchweben, wenn das Geſetz ſei-<lb/> nem Zweck entſprechen ſoll, und er muß durch einen künſt-<lb/> lichen Prozeß aus dieſer Totalanſchauung die abſtracte<lb/> Vorſchrift des Geſetzes bilden: eben ſo muß derjenige,<lb/> der das Geſetz anwenden ſoll, durch einen umgekehrten<lb/> Prozeß den organiſchen Zuſammenhang hinzufügen, aus<lb/> welchem das Geſetz gleichſam einen einzelnen Durchſchnitt<lb/> darſtellt. Jenes Misverhältniß aber und die Nothwen-<lb/> digkeit dieſes künſtlichen Verfahrens erſcheint gemildert<lb/> überall, wo das Geſetz den oben dargeſtellten Beruf der<lb/> Ergänzung und Nachhülfe erfüllt, da dieſe beſonderen<lb/> Zwecke gleichfalls ſchon eine abſtracte Natur an ſich tra-<lb/> gen, und daher durch die abſtracte Form des Geſetzes<lb/> leichter erſchöpft werden können.</p> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0100]
Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
durch ſein Hervorgehen aus der höchſten Gewalt, als
durch die abſolute Macht, womit es wirken ſoll, beſtimmt.
Jener Entſtehung und dieſer Wirkung kann Nichts ange-
meſſener ſeyn, als die abſtracte Form der Regel und des
Gebots. Alles Andere, was damit verbunden werden
könnte, Entwicklung, Darſtellung, Einwirkung auf die
Überzeugung, iſt der Natur des Geſetzes fremd und gehört
anderen Sphären der Mittheilung an. Dadurch entſteht
indeſſen ein Misverhältniß zwiſchen dem Geſetz und dem
Rechtsinſtitut, deſſen organiſche Natur in jener abſtracten
Form unmöglich erſchöpft werden kann. Dennoch muß
dem Geſetzgeber die vollſtändigſte Anſchauung des orga-
niſchen Rechtsinſtituts vorſchweben, wenn das Geſetz ſei-
nem Zweck entſprechen ſoll, und er muß durch einen künſt-
lichen Prozeß aus dieſer Totalanſchauung die abſtracte
Vorſchrift des Geſetzes bilden: eben ſo muß derjenige,
der das Geſetz anwenden ſoll, durch einen umgekehrten
Prozeß den organiſchen Zuſammenhang hinzufügen, aus
welchem das Geſetz gleichſam einen einzelnen Durchſchnitt
darſtellt. Jenes Misverhältniß aber und die Nothwen-
digkeit dieſes künſtlichen Verfahrens erſcheint gemildert
überall, wo das Geſetz den oben dargeſtellten Beruf der
Ergänzung und Nachhülfe erfüllt, da dieſe beſonderen
Zwecke gleichfalls ſchon eine abſtracte Natur an ſich tra-
gen, und daher durch die abſtracte Form des Geſetzes
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/100>, abgerufen am 16.02.2025. |