Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. erhalten hat, und worin sie den Namen der Vulgataführt (c). Aus denselben Gründen aber müssen wir auf der andern Seite im Codex die Erweiterung anerkennen, die er in Bologna durch Aufnahme der von Kaiser Frie- drich I. und Friedrich II. herrührenden Authentiken erhalten hat: ingleichen durch Aufnahme der weit zahlreicheren Authentiken des Irnerius (d). Weiter jedoch als auf die Begränzung jenes Quellenkreises dürfen wir den unmit- telbaren Einfluß der Bolognesischen Schule nicht ausdeh- nen: namentlich nicht auf die Lehrmeynungen, worin eine ausschließende Allgemeinheit daselbst niemals bewirkt oder nur bezweckt wurde (e): eben so wenig auf die Kritik des (c) Biener S. 258. 259. -- Wenn auch einzelne Juristen, wiewohl sehr selten, abweichende Meynungen über diesen Punkt gehabt haben mögen (Müh- lenbruch I. § 18.), so darf doch deshalb die Sache selbst nicht als zweifelhaft angesehen werden. Denn giebt man das hier auf- gestellte Princip auf, so ist es ganz unmöglich, eine schranken- lose Willkühr abzuwehren. (d) Savigny Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 3. § 195. 196. -- Es darf nicht als In- consequenz angesehen werden, wenn gleich nachher die Autori- tät der Glosse verneint, hier aber die der Authentiken des Irnerius behauptet wird, obgleich diese auch nichts Anderes waren, als Glos- sen zur Erleichterung des Pa- rallelismus zwischen dem Co- dex und den Novellen. Denn man erkannte sie nur insofern für Stücke des gesetzlichen Ca- nons an, als sie bloße Auszüge seyn sollten, ohne alle eigene Zu- that: so daß es nur als eine Be- quemlichkeit für das Studium und für die Citate betrachtet wurde, wenn man sich nach Be- lieben an den Text oder an den Auszug wenden konnte. Es würde daher dem Sinne der Aufnahme der Authentiken völlig entgegen seyn, wenn man aus ihnen einen Widerstreit gegen den Novellentext begründen wollte. (e) Im Gegensatz gegen diese
Behauptung ist die Meynung aufgestellt worden, wir hätten überhaupt nicht das von den Glossatoren begränzte Corpus Juris, sondern vielmehr die in den Glossatoren ausgedrückte Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. erhalten hat, und worin ſie den Namen der Vulgataführt (c). Aus denſelben Gründen aber müſſen wir auf der andern Seite im Codex die Erweiterung anerkennen, die er in Bologna durch Aufnahme der von Kaiſer Frie- drich I. und Friedrich II. herrührenden Authentiken erhalten hat: ingleichen durch Aufnahme der weit zahlreicheren Authentiken des Irnerius (d). Weiter jedoch als auf die Begränzung jenes Quellenkreiſes dürfen wir den unmit- telbaren Einfluß der Bologneſiſchen Schule nicht ausdeh- nen: namentlich nicht auf die Lehrmeynungen, worin eine ausſchließende Allgemeinheit daſelbſt niemals bewirkt oder nur bezweckt wurde (e): eben ſo wenig auf die Kritik des (c) Biener S. 258. 259. — Wenn auch einzelne Juriſten, wiewohl ſehr ſelten, abweichende Meynungen über dieſen Punkt gehabt haben mögen (Müh- lenbruch I. § 18.), ſo darf doch deshalb die Sache ſelbſt nicht als zweifelhaft angeſehen werden. Denn giebt man das hier auf- geſtellte Princip auf, ſo iſt es ganz unmöglich, eine ſchranken- loſe Willkühr abzuwehren. (d) Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 3. § 195. 196. — Es darf nicht als In- conſequenz angeſehen werden, wenn gleich nachher die Autori- tät der Gloſſe verneint, hier aber die der Authentiken des Irnerius behauptet wird, obgleich dieſe auch nichts Anderes waren, als Gloſ- ſen zur Erleichterung des Pa- rallelismus zwiſchen dem Co- dex und den Novellen. Denn man erkannte ſie nur inſofern für Stücke des geſetzlichen Ca- nons an, als ſie bloße Auszüge ſeyn ſollten, ohne alle eigene Zu- that: ſo daß es nur als eine Be- quemlichkeit für das Studium und für die Citate betrachtet wurde, wenn man ſich nach Be- lieben an den Text oder an den Auszug wenden konnte. Es würde daher dem Sinne der Aufnahme der Authentiken völlig entgegen ſeyn, wenn man aus ihnen einen Widerſtreit gegen den Novellentext begründen wollte. (e) Im Gegenſatz gegen dieſe
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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
erhalten hat, und worin ſie den Namen der Vulgata
führt (c). Aus denſelben Gründen aber müſſen wir auf
der andern Seite im Codex die Erweiterung anerkennen,
die er in Bologna durch Aufnahme der von Kaiſer Frie-
drich I. und Friedrich II. herrührenden Authentiken erhalten
hat: ingleichen durch Aufnahme der weit zahlreicheren
Authentiken des Irnerius (d). Weiter jedoch als auf die
Begränzung jenes Quellenkreiſes dürfen wir den unmit-
telbaren Einfluß der Bologneſiſchen Schule nicht ausdeh-
nen: namentlich nicht auf die Lehrmeynungen, worin eine
ausſchließende Allgemeinheit daſelbſt niemals bewirkt oder
nur bezweckt wurde (e): eben ſo wenig auf die Kritik des
(c) Biener S. 258. 259. —
Wenn auch einzelne Juriſten,
wiewohl ſehr ſelten, abweichende
Meynungen über dieſen Punkt
gehabt haben mögen (Müh-
lenbruch I. § 18.), ſo darf
doch deshalb die Sache ſelbſt nicht
als zweifelhaft angeſehen werden.
Denn giebt man das hier auf-
geſtellte Princip auf, ſo iſt es
ganz unmöglich, eine ſchranken-
loſe Willkühr abzuwehren.
(d) Savigny Geſchichte des
R. R. im Mittelalter B. 3. § 195.
196. — Es darf nicht als In-
conſequenz angeſehen werden,
wenn gleich nachher die Autori-
tät der Gloſſe verneint, hier aber
die der Authentiken des Irnerius
behauptet wird, obgleich dieſe auch
nichts Anderes waren, als Gloſ-
ſen zur Erleichterung des Pa-
rallelismus zwiſchen dem Co-
dex und den Novellen. Denn
man erkannte ſie nur inſofern
für Stücke des geſetzlichen Ca-
nons an, als ſie bloße Auszüge
ſeyn ſollten, ohne alle eigene Zu-
that: ſo daß es nur als eine Be-
quemlichkeit für das Studium
und für die Citate betrachtet
wurde, wenn man ſich nach Be-
lieben an den Text oder an den
Auszug wenden konnte. Es
würde daher dem Sinne der
Aufnahme der Authentiken völlig
entgegen ſeyn, wenn man aus
ihnen einen Widerſtreit gegen
den Novellentext begründen wollte.
(e) Im Gegenſatz gegen dieſe
Behauptung iſt die Meynung
aufgeſtellt worden, wir hätten
überhaupt nicht das von den
Gloſſatoren begränzte Corpus
Juris, ſondern vielmehr die in
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