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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 18. Gewohnheitsrecht.
wahrhaft gemeinsames Rechtsbewußtseyn, also auf rein
volksmäßige Weise, entstehen, ohne erst durch Wissenschaft
vorbereitet und vermittelt zu seyn. In diesem partikulä-
ren Gewohnheitsrecht haben sich besonders die ursprüng-
lich Germanischen Rechtsverhältnisse des ländlichen Grund-
besitzes (Lehen, Stammgüter, Bauergüter) nebst dem damit
zusammenhängenden Erbrecht auf die ausgedehnteste Weise
erhalten und fortgebildet; Verhältnisse, die über die Dauer
des einzelnen Menschenlebens hinauszureichen bestimmt sind,
und die in zahlreichen Ständen mit dauernden und gleich-
artigen Sitten und Beschäftigungen zusammen zu hängen
pflegen. Auf ähnliche Weise zeigt es sich in den Städten,
daß die Gemeinschaft gewerblicher Verhältnisse bey Kauf-
leuten und Handwerkern überall besondere Gewohnheits-
rechte hervorgetrieben hat, welche besonders auch die Erb-
folge (durch Gütergemeinschaft in mancherley Formen)
modificirten; jedoch blieb hier daneben ein freyerer Raum
für die Anwendung des Römischen Rechts. Dagegen fin-
det sich eine weit beschränktere Einwirkung partikulärer
Gewohnheiten auf die schon im Römischen Recht vorkom-
menden Rechtsinstitute, unter welchen nur wenige, durch
das täglich wiederkehrende gleichförmige Bedürfniß, neue
Bestimmungen auf dem Wege der Gewohnheit erhielten,
wie z. B. das Baurecht im Verhältniß zu den Hausnach-
baren, das Recht der Miethwohnungen, und das Dienst-
botenverhältniß. So ist also das partikuläre Gewohn-
heitsrecht stets sehr wichtig geblieben für das ursprüng-

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§. 18. Gewohnheitsrecht.
wahrhaft gemeinſames Rechtsbewußtſeyn, alſo auf rein
volksmäßige Weiſe, entſtehen, ohne erſt durch Wiſſenſchaft
vorbereitet und vermittelt zu ſeyn. In dieſem partikulä-
ren Gewohnheitsrecht haben ſich beſonders die urſprüng-
lich Germaniſchen Rechtsverhältniſſe des ländlichen Grund-
beſitzes (Lehen, Stammgüter, Bauergüter) nebſt dem damit
zuſammenhängenden Erbrecht auf die ausgedehnteſte Weiſe
erhalten und fortgebildet; Verhältniſſe, die über die Dauer
des einzelnen Menſchenlebens hinauszureichen beſtimmt ſind,
und die in zahlreichen Ständen mit dauernden und gleich-
artigen Sitten und Beſchäftigungen zuſammen zu hängen
pflegen. Auf ähnliche Weiſe zeigt es ſich in den Städten,
daß die Gemeinſchaft gewerblicher Verhältniſſe bey Kauf-
leuten und Handwerkern überall beſondere Gewohnheits-
rechte hervorgetrieben hat, welche beſonders auch die Erb-
folge (durch Gütergemeinſchaft in mancherley Formen)
modificirten; jedoch blieb hier daneben ein freyerer Raum
für die Anwendung des Römiſchen Rechts. Dagegen fin-
det ſich eine weit beſchränktere Einwirkung partikulärer
Gewohnheiten auf die ſchon im Römiſchen Recht vorkom-
menden Rechtsinſtitute, unter welchen nur wenige, durch
das täglich wiederkehrende gleichförmige Bedürfniß, neue
Beſtimmungen auf dem Wege der Gewohnheit erhielten,
wie z. B. das Baurecht im Verhältniß zu den Hausnach-
baren, das Recht der Miethwohnungen, und das Dienſt-
botenverhältniß. So iſt alſo das partikuläre Gewohn-
heitsrecht ſtets ſehr wichtig geblieben für das urſprüng-

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[81/0137] §. 18. Gewohnheitsrecht. wahrhaft gemeinſames Rechtsbewußtſeyn, alſo auf rein volksmäßige Weiſe, entſtehen, ohne erſt durch Wiſſenſchaft vorbereitet und vermittelt zu ſeyn. In dieſem partikulä- ren Gewohnheitsrecht haben ſich beſonders die urſprüng- lich Germaniſchen Rechtsverhältniſſe des ländlichen Grund- beſitzes (Lehen, Stammgüter, Bauergüter) nebſt dem damit zuſammenhängenden Erbrecht auf die ausgedehnteſte Weiſe erhalten und fortgebildet; Verhältniſſe, die über die Dauer des einzelnen Menſchenlebens hinauszureichen beſtimmt ſind, und die in zahlreichen Ständen mit dauernden und gleich- artigen Sitten und Beſchäftigungen zuſammen zu hängen pflegen. Auf ähnliche Weiſe zeigt es ſich in den Städten, daß die Gemeinſchaft gewerblicher Verhältniſſe bey Kauf- leuten und Handwerkern überall beſondere Gewohnheits- rechte hervorgetrieben hat, welche beſonders auch die Erb- folge (durch Gütergemeinſchaft in mancherley Formen) modificirten; jedoch blieb hier daneben ein freyerer Raum für die Anwendung des Römiſchen Rechts. Dagegen fin- det ſich eine weit beſchränktere Einwirkung partikulärer Gewohnheiten auf die ſchon im Römiſchen Recht vorkom- menden Rechtsinſtitute, unter welchen nur wenige, durch das täglich wiederkehrende gleichförmige Bedürfniß, neue Beſtimmungen auf dem Wege der Gewohnheit erhielten, wie z. B. das Baurecht im Verhältniß zu den Hausnach- baren, das Recht der Miethwohnungen, und das Dienſt- botenverhältniß. So iſt alſo das partikuläre Gewohn- heitsrecht ſtets ſehr wichtig geblieben für das urſprüng- 6

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/137>, abgerufen am 04.12.2024.