Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. werden, indem sie vielmehr theilweise erst allmälig zuvollendeter Entwicklung kam. Dieses gilt namentlich von der materiellen Begränzung, durch welche ein bedeutender Theil des Inhalts des Römischen Rechts von der Re- ception ausgeschlossen ist. -- In dieser großen Erschei- nung eines allgemeinen Gewohnheitsrechts, in vielen Staa- ten gleichmäßig (wenngleich nicht zu derselben Zeit) vor- kommend, offenbart sich zugleich die eigenthümliche Natur der ganzen neuern Zeit. Diese Staaten nahmen im Gan- zen ein Recht auf, das nicht in ihnen, sondern in einem fremden Volke entstanden war, in einem Volke, mit wel- chem einige unter ihnen nicht einmal Stammverwandtschaft hatten. Es zeigt sich hierin, daß die neueren Nationen nicht in dem Maaße wie die alten, zu einer abgeschlosse- nen Nationalität berufen waren, daß vielmehr der gemein- same christliche Glaube um sie alle ein unsichtbares Band geschlungen hatte, ohne doch die nationale Eigenthümlich- keit aufzuheben (b). Hierin liegt der große Entwickelungs- gang der neueren Zeit, deren letztes Ziel vor unsren Au- gen noch verborgen ist. Neben dem allgemeinen aber kam stets auch ein par- (b) Savigny Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 3 § 33.
Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. werden, indem ſie vielmehr theilweiſe erſt allmälig zuvollendeter Entwicklung kam. Dieſes gilt namentlich von der materiellen Begränzung, durch welche ein bedeutender Theil des Inhalts des Römiſchen Rechts von der Re- ception ausgeſchloſſen iſt. — In dieſer großen Erſchei- nung eines allgemeinen Gewohnheitsrechts, in vielen Staa- ten gleichmäßig (wenngleich nicht zu derſelben Zeit) vor- kommend, offenbart ſich zugleich die eigenthümliche Natur der ganzen neuern Zeit. Dieſe Staaten nahmen im Gan- zen ein Recht auf, das nicht in ihnen, ſondern in einem fremden Volke entſtanden war, in einem Volke, mit wel- chem einige unter ihnen nicht einmal Stammverwandtſchaft hatten. Es zeigt ſich hierin, daß die neueren Nationen nicht in dem Maaße wie die alten, zu einer abgeſchloſſe- nen Nationalität berufen waren, daß vielmehr der gemein- ſame chriſtliche Glaube um ſie alle ein unſichtbares Band geſchlungen hatte, ohne doch die nationale Eigenthümlich- keit aufzuheben (b). Hierin liegt der große Entwickelungs- gang der neueren Zeit, deren letztes Ziel vor unſren Au- gen noch verborgen iſt. Neben dem allgemeinen aber kam ſtets auch ein par- (b) Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 3 § 33.
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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
werden, indem ſie vielmehr theilweiſe erſt allmälig zu
vollendeter Entwicklung kam. Dieſes gilt namentlich von
der materiellen Begränzung, durch welche ein bedeutender
Theil des Inhalts des Römiſchen Rechts von der Re-
ception ausgeſchloſſen iſt. — In dieſer großen Erſchei-
nung eines allgemeinen Gewohnheitsrechts, in vielen Staa-
ten gleichmäßig (wenngleich nicht zu derſelben Zeit) vor-
kommend, offenbart ſich zugleich die eigenthümliche Natur
der ganzen neuern Zeit. Dieſe Staaten nahmen im Gan-
zen ein Recht auf, das nicht in ihnen, ſondern in einem
fremden Volke entſtanden war, in einem Volke, mit wel-
chem einige unter ihnen nicht einmal Stammverwandtſchaft
hatten. Es zeigt ſich hierin, daß die neueren Nationen
nicht in dem Maaße wie die alten, zu einer abgeſchloſſe-
nen Nationalität berufen waren, daß vielmehr der gemein-
ſame chriſtliche Glaube um ſie alle ein unſichtbares Band
geſchlungen hatte, ohne doch die nationale Eigenthümlich-
keit aufzuheben (b). Hierin liegt der große Entwickelungs-
gang der neueren Zeit, deren letztes Ziel vor unſren Au-
gen noch verborgen iſt.
Neben dem allgemeinen aber kam ſtets auch ein par-
ticuläres Gewohnheitsrecht in der neueren Zeit vor, und
deſſen Entſtehung in engeren Kreiſen hatte, eben ſo wie
vormals im Römiſchen Staate, weit geringere Schwie-
rigkeit. Es konnte in dieſen engeren Kreiſen durch ein
(b) Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 3 § 33.
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