Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. Zeit, worin Wissenschaft und Kunst im Allgemeinen schonsichtbar im Verfall waren. Diese Abweichung in den Bildungsperioden aber brachte der Römischen Rechtswis- senschaft großen Vortheil, indem ihre langsamere Entwick- lung zugleich gründlicher und eigenthümlicher war, wo- durch ihr ein bleibender Einfluß auf fremde Nationen und spätere Zeitalter gesichert wurde, wie ihn die Römer in keinem andern wissenschaftlichen Kreise erlangt haben. Diese Entstehung der Rechtswissenschaft in Folge eines allgemeinen wissenschaftlichen Triebes der Nation gehörte mit zu der natürlichen, von fremden und zufälligen Ein- flüssen nicht gestörten Entwicklung, wodurch sich überhaupt die Römer in ihrer Rechtsgeschichte vor anderen Nationen auszeichnen. -- Von der Art, wie die Römischen Juri- sten auf die Fortbildung des Rechts einwirkten (nicht auf die bloße Erkenntniß desselben), wird es uns schwer eine richtige Vorstellung zu erlangen, weil es so natürlich ist, die Anschauung unsrer Zustände unvermerkt in jene durch- aus verschiedene Zeit hinein zu tragen. Bey den Römern hatten die Juristen eine sehr ausgezeichnete Stellung durch die freye, blos wohlthätige Übung ihres Berufs, durch ihre mäßige Zahl, großentheils auch durch ihren Geburts- stand. Sie lebten meist zusammen in der Hauptstadt der Welt, in der Nähe der Prätoren, später der Kaiser, also auch mit unausbleiblichem Einfluß auf diese. Nichts war natürlicher, als daß die gemeinsamen Meynungen dieses Standes die Fortbildung des Rechts großentheils bestimm- Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. Zeit, worin Wiſſenſchaft und Kunſt im Allgemeinen ſchonſichtbar im Verfall waren. Dieſe Abweichung in den Bildungsperioden aber brachte der Römiſchen Rechtswiſ- ſenſchaft großen Vortheil, indem ihre langſamere Entwick- lung zugleich gründlicher und eigenthümlicher war, wo- durch ihr ein bleibender Einfluß auf fremde Nationen und ſpätere Zeitalter geſichert wurde, wie ihn die Römer in keinem andern wiſſenſchaftlichen Kreiſe erlangt haben. Dieſe Entſtehung der Rechtswiſſenſchaft in Folge eines allgemeinen wiſſenſchaftlichen Triebes der Nation gehörte mit zu der natürlichen, von fremden und zufälligen Ein- flüſſen nicht geſtörten Entwicklung, wodurch ſich überhaupt die Römer in ihrer Rechtsgeſchichte vor anderen Nationen auszeichnen. — Von der Art, wie die Römiſchen Juri- ſten auf die Fortbildung des Rechts einwirkten (nicht auf die bloße Erkenntniß deſſelben), wird es uns ſchwer eine richtige Vorſtellung zu erlangen, weil es ſo natürlich iſt, die Anſchauung unſrer Zuſtände unvermerkt in jene durch- aus verſchiedene Zeit hinein zu tragen. Bey den Römern hatten die Juriſten eine ſehr ausgezeichnete Stellung durch die freye, blos wohlthätige Übung ihres Berufs, durch ihre mäßige Zahl, großentheils auch durch ihren Geburts- ſtand. Sie lebten meiſt zuſammen in der Hauptſtadt der Welt, in der Nähe der Prätoren, ſpäter der Kaiſer, alſo auch mit unausbleiblichem Einfluß auf dieſe. Nichts war natürlicher, als daß die gemeinſamen Meynungen dieſes Standes die Fortbildung des Rechts großentheils beſtimm- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0140" n="84"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Quellen des heutigen R. R.</fw><lb/> Zeit, worin Wiſſenſchaft und Kunſt im Allgemeinen ſchon<lb/> ſichtbar im Verfall waren. 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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
Zeit, worin Wiſſenſchaft und Kunſt im Allgemeinen ſchon
ſichtbar im Verfall waren. Dieſe Abweichung in den
Bildungsperioden aber brachte der Römiſchen Rechtswiſ-
ſenſchaft großen Vortheil, indem ihre langſamere Entwick-
lung zugleich gründlicher und eigenthümlicher war, wo-
durch ihr ein bleibender Einfluß auf fremde Nationen und
ſpätere Zeitalter geſichert wurde, wie ihn die Römer in
keinem andern wiſſenſchaftlichen Kreiſe erlangt haben.
Dieſe Entſtehung der Rechtswiſſenſchaft in Folge eines
allgemeinen wiſſenſchaftlichen Triebes der Nation gehörte
mit zu der natürlichen, von fremden und zufälligen Ein-
flüſſen nicht geſtörten Entwicklung, wodurch ſich überhaupt
die Römer in ihrer Rechtsgeſchichte vor anderen Nationen
auszeichnen. — Von der Art, wie die Römiſchen Juri-
ſten auf die Fortbildung des Rechts einwirkten (nicht auf
die bloße Erkenntniß deſſelben), wird es uns ſchwer eine
richtige Vorſtellung zu erlangen, weil es ſo natürlich iſt,
die Anſchauung unſrer Zuſtände unvermerkt in jene durch-
aus verſchiedene Zeit hinein zu tragen. Bey den Römern
hatten die Juriſten eine ſehr ausgezeichnete Stellung durch
die freye, blos wohlthätige Übung ihres Berufs, durch
ihre mäßige Zahl, großentheils auch durch ihren Geburts-
ſtand. Sie lebten meiſt zuſammen in der Hauptſtadt der
Welt, in der Nähe der Prätoren, ſpäter der Kaiſer, alſo
auch mit unausbleiblichem Einfluß auf dieſe. Nichts war
natürlicher, als daß die gemeinſamen Meynungen dieſes
Standes die Fortbildung des Rechts großentheils beſtimm-
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