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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
gemeinsamen Volksüberzeugung angemessener ist, als einem
willkührlichen Entschluß Einzelner zu einzelnen wiederkeh-
renden Handlungen. Dann aber bewährt sich die Rich-
tigkeit jener Erklärung auch in den Bedingungen und
Kennzeichen, die uns für das Gewohnheitsrecht angege-
ben werden.

Es soll nämlich ein Gewohnheitsrecht erkannt werden
in der gemeinsamen Uberzeugung der Rechtskundigen, der
Prudentium auctoritas (g). Diese können nun sehr wohl
das Organ seyn, worin das gemeinsame Volksbewußtseyn
in besonderer Kraft und Bestimmtheit lebt und wirkt
(§ 14), dagegen würde es sehr unpassend seyn, durch ihren
willkührlichen Entschluß die ganze Nation binden zu lassen.
Und doch soll für diese, und nicht für die Juristen allein,
das Gewohnheitsrecht gelten. -- Ferner wird uns als ein
vorzügliches Erkenntnißmittel des Gewohnheitsrechts an-
gegeben die Übereinstimmung richterlicher Erkenntnisse (h).
Auch hierin liegt eine Bestätigung unsrer Erklärung, indem
diese Erkenntnisse ein besonders glaubwürdiges Zeugniß
für das Daseyn einer Volksüberzeugung ablegen können,
während der willkührliche Entschluß der Richter unmög-

efurit necesse scripto id com-
prehendere."
(g) L. 2 § 5. 6. 8. 12. de orig.
jur.
(1. 2.).
(h) L. 38 de leg. (1. 3.), L.
1 C. quae sit l. consu.
(8. 53.).
Ganz vorzüglich bey dem parti-
culären Gewohnheitsrecht L. 34
de leg.
(1. 3.) (Puchta I S.
96). -- Es ist merkwürdig, daß
die res judicatae in der allge-
meinen Aufzählung der Rechts-
quellen bey den rhetorischen
Schriftstellern ganz gewöhnlich
vorkommen, bey den alten Ju-
risten nicht (§ 22). Anerkannt
übrigens waren sie zu allen Zei-
ten (§ 12 Note b.).

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
gemeinſamen Volksüberzeugung angemeſſener iſt, als einem
willkührlichen Entſchluß Einzelner zu einzelnen wiederkeh-
renden Handlungen. Dann aber bewährt ſich die Rich-
tigkeit jener Erklärung auch in den Bedingungen und
Kennzeichen, die uns für das Gewohnheitsrecht angege-
ben werden.

Es ſoll nämlich ein Gewohnheitsrecht erkannt werden
in der gemeinſamen Uberzeugung der Rechtskundigen, der
Prudentium auctoritas (g). Dieſe können nun ſehr wohl
das Organ ſeyn, worin das gemeinſame Volksbewußtſeyn
in beſonderer Kraft und Beſtimmtheit lebt und wirkt
(§ 14), dagegen würde es ſehr unpaſſend ſeyn, durch ihren
willkührlichen Entſchluß die ganze Nation binden zu laſſen.
Und doch ſoll für dieſe, und nicht für die Juriſten allein,
das Gewohnheitsrecht gelten. — Ferner wird uns als ein
vorzügliches Erkenntnißmittel des Gewohnheitsrechts an-
gegeben die Übereinſtimmung richterlicher Erkenntniſſe (h).
Auch hierin liegt eine Beſtätigung unſrer Erklärung, indem
dieſe Erkenntniſſe ein beſonders glaubwürdiges Zeugniß
für das Daſeyn einer Volksüberzeugung ablegen können,
während der willkührliche Entſchluß der Richter unmög-

efurit necesse scripto id com-
prehendere.”
(g) L. 2 § 5. 6. 8. 12. de orig.
jur.
(1. 2.).
(h) L. 38 de leg. (1. 3.), L.
1 C. quae sit l. consu.
(8. 53.).
Ganz vorzüglich bey dem parti-
culären Gewohnheitsrecht L. 34
de leg.
(1. 3.) (Puchta I S.
96). — Es iſt merkwürdig, daß
die res judicatae in der allge-
meinen Aufzählung der Rechts-
quellen bey den rhetoriſchen
Schriftſtellern ganz gewöhnlich
vorkommen, bey den alten Ju-
riſten nicht (§ 22). Anerkannt
übrigens waren ſie zu allen Zei-
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[148/0204] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. gemeinſamen Volksüberzeugung angemeſſener iſt, als einem willkührlichen Entſchluß Einzelner zu einzelnen wiederkeh- renden Handlungen. Dann aber bewährt ſich die Rich- tigkeit jener Erklärung auch in den Bedingungen und Kennzeichen, die uns für das Gewohnheitsrecht angege- ben werden. Es ſoll nämlich ein Gewohnheitsrecht erkannt werden in der gemeinſamen Uberzeugung der Rechtskundigen, der Prudentium auctoritas (g). Dieſe können nun ſehr wohl das Organ ſeyn, worin das gemeinſame Volksbewußtſeyn in beſonderer Kraft und Beſtimmtheit lebt und wirkt (§ 14), dagegen würde es ſehr unpaſſend ſeyn, durch ihren willkührlichen Entſchluß die ganze Nation binden zu laſſen. Und doch ſoll für dieſe, und nicht für die Juriſten allein, das Gewohnheitsrecht gelten. — Ferner wird uns als ein vorzügliches Erkenntnißmittel des Gewohnheitsrechts an- gegeben die Übereinſtimmung richterlicher Erkenntniſſe (h). Auch hierin liegt eine Beſtätigung unſrer Erklärung, indem dieſe Erkenntniſſe ein beſonders glaubwürdiges Zeugniß für das Daſeyn einer Volksüberzeugung ablegen können, während der willkührliche Entſchluß der Richter unmög- (f) (g) L. 2 § 5. 6. 8. 12. de orig. jur. (1. 2.). (h) L. 38 de leg. (1. 3.), L. 1 C. quae sit l. consu. (8. 53.). Ganz vorzüglich bey dem parti- culären Gewohnheitsrecht L. 34 de leg. (1. 3.) (Puchta I S. 96). — Es iſt merkwürdig, daß die res judicatae in der allge- meinen Aufzählung der Rechts- quellen bey den rhetoriſchen Schriftſtellern ganz gewöhnlich vorkommen, bey den alten Ju- riſten nicht (§ 22). Anerkannt übrigens waren ſie zu allen Zei- ten (§ 12 Note b.). (f) efurit necesse scripto id com- prehendere.”

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/204>, abgerufen am 19.05.2024.