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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 25. Aussprüche der Römer über das Gewohnheitsrecht.
ten Stellen gesagt werde, die Gewohnheit gelte in Er-
mangelung eines Gesetzes, was so viel heiße als nur in
dieser Ermangelung. Diese überall bedenkliche Erklärungs-
weise wird im vorliegenden Fall durch den Zusammen-
hang vollständig widerlegt (x). Mehr Schein hat zwey-
tens der Ausspruch einer Stelle des Codex, die Gewohn-
heit könne nie ein Gesetz überwinden. Allein hier ist nicht
von Gewohnheiten überhaupt, sondern von partikulären
allein die Rede, und diese sollen allerdings im Conflict
mit einem absoluten Landesgesetz zurück stehen (y).

Alles dieses hatte nun keine Bedeutung mehr für die
vor Justinian entstandenen Sätze eines allgemein Römi-
schen Gewohnheitsrechts. Denn diese sollten gewiß nach
seiner Absicht entweder in die Rechtsbücher aufgenommen
seyn, oder gar nicht mehr gelten. Dagegen war es an-
wendbar auf jedes künftig entstehende Gewohnheitsrecht,
ja auch auf das schon vorhandene partikuläre, soweit
dieses überhaupt nach der eben erwähnten Einschränkung
Gültigkeit haben konnte. Denn da ein solches in den
Plan der neuen Rechtssammlungen gar nicht gehörte, so
konnte auch deren ausschließende Natur das Fortbestehen
desselben nicht hindern.



(x) L. 32 pr. L. 33 de leg.
(1. 3.). Vgl. Puchta I. S. 88. --
Besonders bey der ersten dieser
Stellen ist ein solches argumen-
tum a contrario
ganz unbegreif-
lich, da der Verfasser in den
gleich folgenden Worten (§ 1)
gerade das Gegentheil sagt.
(y) L. 2 C. quae sit l. consu.
(8. 53.). S. hierüber die Bey-
lage II zu diesem Bande.

§. 25. Ausſprüche der Römer über das Gewohnheitsrecht.
ten Stellen geſagt werde, die Gewohnheit gelte in Er-
mangelung eines Geſetzes, was ſo viel heiße als nur in
dieſer Ermangelung. Dieſe überall bedenkliche Erklärungs-
weiſe wird im vorliegenden Fall durch den Zuſammen-
hang vollſtändig widerlegt (x). Mehr Schein hat zwey-
tens der Ausſpruch einer Stelle des Codex, die Gewohn-
heit könne nie ein Geſetz überwinden. Allein hier iſt nicht
von Gewohnheiten überhaupt, ſondern von partikulären
allein die Rede, und dieſe ſollen allerdings im Conflict
mit einem abſoluten Landesgeſetz zurück ſtehen (y).

Alles dieſes hatte nun keine Bedeutung mehr für die
vor Juſtinian entſtandenen Sätze eines allgemein Römi-
ſchen Gewohnheitsrechts. Denn dieſe ſollten gewiß nach
ſeiner Abſicht entweder in die Rechtsbücher aufgenommen
ſeyn, oder gar nicht mehr gelten. Dagegen war es an-
wendbar auf jedes künftig entſtehende Gewohnheitsrecht,
ja auch auf das ſchon vorhandene partikuläre, ſoweit
dieſes überhaupt nach der eben erwähnten Einſchränkung
Gültigkeit haben konnte. Denn da ein ſolches in den
Plan der neuen Rechtsſammlungen gar nicht gehörte, ſo
konnte auch deren ausſchließende Natur das Fortbeſtehen
deſſelben nicht hindern.



(x) L. 32 pr. L. 33 de leg.
(1. 3.). Vgl. Puchta I. S. 88. —
Beſonders bey der erſten dieſer
Stellen iſt ein ſolches argumen-
tum a contrario
ganz unbegreif-
lich, da der Verfaſſer in den
gleich folgenden Worten (§ 1)
gerade das Gegentheil ſagt.
(y) L. 2 C. quae sit l. consu.
(8. 53.). S. hierüber die Bey-
lage II zu dieſem Bande.
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[153/0209] §. 25. Ausſprüche der Römer über das Gewohnheitsrecht. ten Stellen geſagt werde, die Gewohnheit gelte in Er- mangelung eines Geſetzes, was ſo viel heiße als nur in dieſer Ermangelung. Dieſe überall bedenkliche Erklärungs- weiſe wird im vorliegenden Fall durch den Zuſammen- hang vollſtändig widerlegt (x). Mehr Schein hat zwey- tens der Ausſpruch einer Stelle des Codex, die Gewohn- heit könne nie ein Geſetz überwinden. Allein hier iſt nicht von Gewohnheiten überhaupt, ſondern von partikulären allein die Rede, und dieſe ſollen allerdings im Conflict mit einem abſoluten Landesgeſetz zurück ſtehen (y). Alles dieſes hatte nun keine Bedeutung mehr für die vor Juſtinian entſtandenen Sätze eines allgemein Römi- ſchen Gewohnheitsrechts. Denn dieſe ſollten gewiß nach ſeiner Abſicht entweder in die Rechtsbücher aufgenommen ſeyn, oder gar nicht mehr gelten. Dagegen war es an- wendbar auf jedes künftig entſtehende Gewohnheitsrecht, ja auch auf das ſchon vorhandene partikuläre, ſoweit dieſes überhaupt nach der eben erwähnten Einſchränkung Gültigkeit haben konnte. Denn da ein ſolches in den Plan der neuen Rechtsſammlungen gar nicht gehörte, ſo konnte auch deren ausſchließende Natur das Fortbeſtehen deſſelben nicht hindern. (x) L. 32 pr. L. 33 de leg. (1. 3.). Vgl. Puchta I. S. 88. — Beſonders bey der erſten dieſer Stellen iſt ein ſolches argumen- tum a contrario ganz unbegreif- lich, da der Verfaſſer in den gleich folgenden Worten (§ 1) gerade das Gegentheil ſagt. (y) L. 2 C. quae sit l. consu. (8. 53.). S. hierüber die Bey- lage II zu dieſem Bande.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/209>, abgerufen am 20.05.2024.