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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 27. Prakt. Werth der Röm. Bestimmungen über die Rechtsq.
Rechtsquellen enthaltenen Vorschriften ganz willkührlich
bald annehmen, bald mit Stillschweigen übergehen. Da
nun eine unbedingte Anwendung aller dieser Vorschriften
ganz unmöglich seyn würde, so entsteht schon daraus ein
zwiefaches Bedenken gegen jede Anwendung überhaupt.
Denn erstlich ist dieses Verfahren inconsequent, und gegen
diesen Vorwurf könnte man sich nur dadurch retten, daß
man annähme, durch ein neueres Gewohnheitsrecht sey
z. B. das Verbot der juristischen Bücher wieder abgeschafft
worden. Zweytens aber ist zu erwägen, daß diejenigen
Vorschriften, die man als noch jetzt gültig annimmt, ab-
getrennt von dem Zusammenhang mit den verworfenen,
vielleicht eine ganz andere Natur annehmen, und selbst
unpassend werden dürften.

Geht man aber der Sache mehr auf den Grund, und
fragt man, warum einige dieser Vorschriften, besonders
welche die Gesetze betreffen, entschieden für unanwendbar
gehalten werden müssen, so erkennt man bald den Grund
darin, daß sie dem Staatsrecht angehören, welches
überhaupt nicht unter die recipirten Theile des fremden
Rechts gehört (§ 1. 17.). Dieser Grund aber paßt nicht
nur auf die Gesetzgebung, sondern eben so auch auf jede
andere Bildungsweise des allgemeinen Rechts, so daß,
wer den Grundsatz festhalten will, auch anerkennen muß,
daß das Römische Recht auf die Rechtsquellen überhaupt
nicht anzuwenden ist. Dadurch wird denn unter andern
die Streitfrage über den Sinn der L. 2 C. quae si

§. 27. Prakt. Werth der Röm. Beſtimmungen über die Rechtsq.
Rechtsquellen enthaltenen Vorſchriften ganz willkührlich
bald annehmen, bald mit Stillſchweigen übergehen. Da
nun eine unbedingte Anwendung aller dieſer Vorſchriften
ganz unmöglich ſeyn würde, ſo entſteht ſchon daraus ein
zwiefaches Bedenken gegen jede Anwendung überhaupt.
Denn erſtlich iſt dieſes Verfahren inconſequent, und gegen
dieſen Vorwurf könnte man ſich nur dadurch retten, daß
man annähme, durch ein neueres Gewohnheitsrecht ſey
z. B. das Verbot der juriſtiſchen Bücher wieder abgeſchafft
worden. Zweytens aber iſt zu erwägen, daß diejenigen
Vorſchriften, die man als noch jetzt gültig annimmt, ab-
getrennt von dem Zuſammenhang mit den verworfenen,
vielleicht eine ganz andere Natur annehmen, und ſelbſt
unpaſſend werden dürften.

Geht man aber der Sache mehr auf den Grund, und
fragt man, warum einige dieſer Vorſchriften, beſonders
welche die Geſetze betreffen, entſchieden für unanwendbar
gehalten werden müſſen, ſo erkennt man bald den Grund
darin, daß ſie dem Staatsrecht angehören, welches
überhaupt nicht unter die recipirten Theile des fremden
Rechts gehört (§ 1. 17.). Dieſer Grund aber paßt nicht
nur auf die Geſetzgebung, ſondern eben ſo auch auf jede
andere Bildungsweiſe des allgemeinen Rechts, ſo daß,
wer den Grundſatz feſthalten will, auch anerkennen muß,
daß das Römiſche Recht auf die Rechtsquellen überhaupt
nicht anzuwenden iſt. Dadurch wird denn unter andern
die Streitfrage über den Sinn der L. 2 C. quae si

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[165/0221] §. 27. Prakt. Werth der Röm. Beſtimmungen über die Rechtsq. Rechtsquellen enthaltenen Vorſchriften ganz willkührlich bald annehmen, bald mit Stillſchweigen übergehen. Da nun eine unbedingte Anwendung aller dieſer Vorſchriften ganz unmöglich ſeyn würde, ſo entſteht ſchon daraus ein zwiefaches Bedenken gegen jede Anwendung überhaupt. Denn erſtlich iſt dieſes Verfahren inconſequent, und gegen dieſen Vorwurf könnte man ſich nur dadurch retten, daß man annähme, durch ein neueres Gewohnheitsrecht ſey z. B. das Verbot der juriſtiſchen Bücher wieder abgeſchafft worden. Zweytens aber iſt zu erwägen, daß diejenigen Vorſchriften, die man als noch jetzt gültig annimmt, ab- getrennt von dem Zuſammenhang mit den verworfenen, vielleicht eine ganz andere Natur annehmen, und ſelbſt unpaſſend werden dürften. Geht man aber der Sache mehr auf den Grund, und fragt man, warum einige dieſer Vorſchriften, beſonders welche die Geſetze betreffen, entſchieden für unanwendbar gehalten werden müſſen, ſo erkennt man bald den Grund darin, daß ſie dem Staatsrecht angehören, welches überhaupt nicht unter die recipirten Theile des fremden Rechts gehört (§ 1. 17.). Dieſer Grund aber paßt nicht nur auf die Geſetzgebung, ſondern eben ſo auch auf jede andere Bildungsweiſe des allgemeinen Rechts, ſo daß, wer den Grundſatz feſthalten will, auch anerkennen muß, daß das Römiſche Recht auf die Rechtsquellen überhaupt nicht anzuwenden iſt. Dadurch wird denn unter andern die Streitfrage über den Sinn der L. 2 C. quae si

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/221>, abgerufen am 21.11.2024.