Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. Zeitalter seinen Anspruch auf Fortbildung des Rechtsdurch innere Kraft eben so geltend machen könnte, wie es in jener früheren Zeit geschehen war. Man pflegt sich dann unwillkührlich unser Verhältniß zu jener früheren Zeit in ähnlicher Weise zu denken, wie es durch Valenti- nian III. zu seiner Vorzeit wirklich festgestellt war. Allein diese Feststellung war eine völlig positive, die sich in keiner Zeit von selbst verstehen kann: ganz besonders aber hatte sie einen inneren Grund in dem wirklichen Absterben der Rechtswissenschaft, wie des geistigen Lebens überhaupt, anstatt daß unserer Zeit, wie man auch sonst von ihr denken mag, eine große Regsamkeit gewiß nicht abzu- sprechen ist. Bey dem Gewohnheitsrecht würde eine so summa- Nach der herrschenden Ansicht ist das Gewohnheits- Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. Zeitalter ſeinen Anſpruch auf Fortbildung des Rechtsdurch innere Kraft eben ſo geltend machen könnte, wie es in jener früheren Zeit geſchehen war. Man pflegt ſich dann unwillkührlich unſer Verhältniß zu jener früheren Zeit in ähnlicher Weiſe zu denken, wie es durch Valenti- nian III. zu ſeiner Vorzeit wirklich feſtgeſtellt war. Allein dieſe Feſtſtellung war eine völlig poſitive, die ſich in keiner Zeit von ſelbſt verſtehen kann: ganz beſonders aber hatte ſie einen inneren Grund in dem wirklichen Abſterben der Rechtswiſſenſchaft, wie des geiſtigen Lebens überhaupt, anſtatt daß unſerer Zeit, wie man auch ſonſt von ihr denken mag, eine große Regſamkeit gewiß nicht abzu- ſprechen iſt. Bey dem Gewohnheitsrecht würde eine ſo ſumma- Nach der herrſchenden Anſicht iſt das Gewohnheits- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0224" n="168"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Quellen des heutigen R. R.</fw><lb/> Zeitalter ſeinen Anſpruch auf Fortbildung des Rechts<lb/> durch innere Kraft eben ſo geltend machen könnte, wie es<lb/> in jener früheren Zeit geſchehen war. Man pflegt ſich<lb/> dann unwillkührlich unſer Verhältniß zu jener früheren<lb/> Zeit in ähnlicher Weiſe zu denken, wie es durch Valenti-<lb/> nian <hi rendition="#aq">III.</hi> zu ſeiner Vorzeit wirklich feſtgeſtellt war. Allein<lb/> dieſe Feſtſtellung war eine völlig poſitive, die ſich in keiner<lb/> Zeit von ſelbſt verſtehen kann: ganz beſonders aber hatte<lb/> ſie einen inneren Grund in dem wirklichen Abſterben der<lb/> Rechtswiſſenſchaft, wie des geiſtigen Lebens überhaupt,<lb/> anſtatt daß unſerer Zeit, wie man auch ſonſt von ihr<lb/> denken mag, eine große Regſamkeit gewiß nicht abzu-<lb/> ſprechen iſt.</p><lb/> <p>Bey dem <hi rendition="#g">Gewohnheitsrecht</hi> würde eine ſo ſumma-<lb/> riſche Überſicht der herrſchenden neueren Meynungen nicht<lb/> genügen. Ich habe vielmehr die genauere Darſtellung<lb/> meiner eigenen Meynung über unſer praktiſches Gewohn-<lb/> heitsrecht (§ 18) bis an dieſen Ort aufgeſchoben, weil ſie<lb/> nur in Verbindung mit den anderwärts herrſchenden Mey-<lb/> nungen verſtändlich werden kann.</p><lb/> <p>Nach der herrſchenden Anſicht iſt das Gewohnheits-<lb/> recht eine nicht natürliche Art der Rechtserzeugung, die<lb/> alſo, um anerkannt zu werden, einer ganz beſonderen<lb/> Rechtfertigung bedarf. Dieſe ſoll in Republiken in dem<lb/> Umſtand liegen, daß derſelbe <hi rendition="#aq">populus</hi> (§ 10), der in einer<lb/> beſtimmten Weiſe gleichförmig handelt, zugleich auch der<lb/> Träger der geſetzgebenden Gewalt iſt. Darum führt alſo<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0224]
Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
Zeitalter ſeinen Anſpruch auf Fortbildung des Rechts
durch innere Kraft eben ſo geltend machen könnte, wie es
in jener früheren Zeit geſchehen war. Man pflegt ſich
dann unwillkührlich unſer Verhältniß zu jener früheren
Zeit in ähnlicher Weiſe zu denken, wie es durch Valenti-
nian III. zu ſeiner Vorzeit wirklich feſtgeſtellt war. Allein
dieſe Feſtſtellung war eine völlig poſitive, die ſich in keiner
Zeit von ſelbſt verſtehen kann: ganz beſonders aber hatte
ſie einen inneren Grund in dem wirklichen Abſterben der
Rechtswiſſenſchaft, wie des geiſtigen Lebens überhaupt,
anſtatt daß unſerer Zeit, wie man auch ſonſt von ihr
denken mag, eine große Regſamkeit gewiß nicht abzu-
ſprechen iſt.
Bey dem Gewohnheitsrecht würde eine ſo ſumma-
riſche Überſicht der herrſchenden neueren Meynungen nicht
genügen. Ich habe vielmehr die genauere Darſtellung
meiner eigenen Meynung über unſer praktiſches Gewohn-
heitsrecht (§ 18) bis an dieſen Ort aufgeſchoben, weil ſie
nur in Verbindung mit den anderwärts herrſchenden Mey-
nungen verſtändlich werden kann.
Nach der herrſchenden Anſicht iſt das Gewohnheits-
recht eine nicht natürliche Art der Rechtserzeugung, die
alſo, um anerkannt zu werden, einer ganz beſonderen
Rechtfertigung bedarf. Dieſe ſoll in Republiken in dem
Umſtand liegen, daß derſelbe populus (§ 10), der in einer
beſtimmten Weiſe gleichförmig handelt, zugleich auch der
Träger der geſetzgebenden Gewalt iſt. Darum führt alſo
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