Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 31. Aussprüche der neueren Gesetzbücher über die Rechtsq. schiedenen in einem einfachen Frankreich sollte nun auchvon Seiten des Privatrechts vollzogen werden; das war der Hauptzweck des Code. Nun hatte vor der Revolu- tion zwar die gelehrte Seite der Rechtswissenschaft weit niedriger gestanden als in Deutschland, die praktische Seite dagegen höher. Die gerichtliche Beredsamkeit, die Ver- bindung mit der geselligen Bildung der großen Haupt- stadt, der Glanz und Einfluß der Parlamente -- Alles hatte zusammen gewirkt, um dem Stand und der Thä- tigkeit der Richter und Advokaten höhere Vildung, und durch diese auch bedeutendes Ansehen zu erhalten. Die so entstandene Jurisprudence zu verdrängen, dachte man bey der Abfassung des Code nicht, man rechnete vielmehr auf ihre ungestörte Fortdauer, und eben in dieser Vor- aussetzung konnte man oft die wichtigsten Rechtsinstitute so kurz abfertigen. Der wirkliche Erfolg stimmt damit ganz überein. Die neuere juristische Literatur steht mit der früheren in so ununterbrochenem Zusammenhang, daß man kaum glauben sollte, es liege zwischen ihnen eine so wichtige Thatsache, wie die Erscheinung des Code. Ja es ist vielleicht keine Seite des öffentlichen Lebens in Frankreich, die durch die Revolution so wenig von Grund aus erschüttert und verändert worden wäre, als die bür- gerliche Rechtspflege. So hat sich also auch hierin der verschiedene Geist §. 31. Ausſprüche der neueren Geſetzbücher über die Rechtsq. ſchiedenen in einem einfachen Frankreich ſollte nun auchvon Seiten des Privatrechts vollzogen werden; das war der Hauptzweck des Code. Nun hatte vor der Revolu- tion zwar die gelehrte Seite der Rechtswiſſenſchaft weit niedriger geſtanden als in Deutſchland, die praktiſche Seite dagegen höher. Die gerichtliche Beredſamkeit, die Ver- bindung mit der geſelligen Bildung der großen Haupt- ſtadt, der Glanz und Einfluß der Parlamente — Alles hatte zuſammen gewirkt, um dem Stand und der Thä- tigkeit der Richter und Advokaten höhere Vildung, und durch dieſe auch bedeutendes Anſehen zu erhalten. Die ſo entſtandene Jurisprudence zu verdrängen, dachte man bey der Abfaſſung des Code nicht, man rechnete vielmehr auf ihre ungeſtörte Fortdauer, und eben in dieſer Vor- ausſetzung konnte man oft die wichtigſten Rechtsinſtitute ſo kurz abfertigen. Der wirkliche Erfolg ſtimmt damit ganz überein. Die neuere juriſtiſche Literatur ſteht mit der früheren in ſo ununterbrochenem Zuſammenhang, daß man kaum glauben ſollte, es liege zwiſchen ihnen eine ſo wichtige Thatſache, wie die Erſcheinung des Code. Ja es iſt vielleicht keine Seite des öffentlichen Lebens in Frankreich, die durch die Revolution ſo wenig von Grund aus erſchüttert und verändert worden wäre, als die bür- gerliche Rechtspflege. So hat ſich alſo auch hierin der verſchiedene Geiſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0259" n="203"/><fw place="top" type="header">§. 31. Ausſprüche der neueren Geſetzbücher über die Rechtsq.</fw><lb/> ſchiedenen in einem einfachen Frankreich ſollte nun auch<lb/> von Seiten des Privatrechts vollzogen werden; das war<lb/> der Hauptzweck des Code. Nun hatte vor der Revolu-<lb/> tion zwar die gelehrte Seite der Rechtswiſſenſchaft weit<lb/> niedriger geſtanden als in Deutſchland, die praktiſche Seite<lb/> dagegen höher. Die gerichtliche Beredſamkeit, die Ver-<lb/> bindung mit der geſelligen Bildung der großen Haupt-<lb/> ſtadt, der Glanz und Einfluß der Parlamente — Alles<lb/> hatte zuſammen gewirkt, um dem Stand und der Thä-<lb/> tigkeit der Richter und Advokaten höhere Vildung, und<lb/> durch dieſe auch bedeutendes Anſehen zu erhalten. Die<lb/> ſo entſtandene <hi rendition="#aq">Jurisprudence</hi> zu verdrängen, dachte man<lb/> bey der Abfaſſung des Code nicht, man rechnete vielmehr<lb/> auf ihre ungeſtörte Fortdauer, und eben in dieſer Vor-<lb/> ausſetzung konnte man oft die wichtigſten Rechtsinſtitute<lb/> ſo kurz abfertigen. Der wirkliche Erfolg ſtimmt damit<lb/> ganz überein. Die neuere juriſtiſche Literatur ſteht mit<lb/> der früheren in ſo ununterbrochenem Zuſammenhang, daß<lb/> man kaum glauben ſollte, es liege zwiſchen ihnen eine ſo<lb/> wichtige Thatſache, wie die Erſcheinung des Code. Ja<lb/> es iſt vielleicht keine Seite des öffentlichen Lebens in<lb/> Frankreich, die durch die Revolution ſo wenig von Grund<lb/> aus erſchüttert und verändert worden wäre, als die bür-<lb/> gerliche Rechtspflege.</p><lb/> <p>So hat ſich alſo auch hierin der verſchiedene Geiſt<lb/> der Nationen, mit ihren eigenthümlichen Vorzügen und<lb/> Schwächen, bewährt. Gewiß alſo werden Diejenigen,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0259]
§. 31. Ausſprüche der neueren Geſetzbücher über die Rechtsq.
ſchiedenen in einem einfachen Frankreich ſollte nun auch
von Seiten des Privatrechts vollzogen werden; das war
der Hauptzweck des Code. Nun hatte vor der Revolu-
tion zwar die gelehrte Seite der Rechtswiſſenſchaft weit
niedriger geſtanden als in Deutſchland, die praktiſche Seite
dagegen höher. Die gerichtliche Beredſamkeit, die Ver-
bindung mit der geſelligen Bildung der großen Haupt-
ſtadt, der Glanz und Einfluß der Parlamente — Alles
hatte zuſammen gewirkt, um dem Stand und der Thä-
tigkeit der Richter und Advokaten höhere Vildung, und
durch dieſe auch bedeutendes Anſehen zu erhalten. Die
ſo entſtandene Jurisprudence zu verdrängen, dachte man
bey der Abfaſſung des Code nicht, man rechnete vielmehr
auf ihre ungeſtörte Fortdauer, und eben in dieſer Vor-
ausſetzung konnte man oft die wichtigſten Rechtsinſtitute
ſo kurz abfertigen. Der wirkliche Erfolg ſtimmt damit
ganz überein. Die neuere juriſtiſche Literatur ſteht mit
der früheren in ſo ununterbrochenem Zuſammenhang, daß
man kaum glauben ſollte, es liege zwiſchen ihnen eine ſo
wichtige Thatſache, wie die Erſcheinung des Code. Ja
es iſt vielleicht keine Seite des öffentlichen Lebens in
Frankreich, die durch die Revolution ſo wenig von Grund
aus erſchüttert und verändert worden wäre, als die bür-
gerliche Rechtspflege.
So hat ſich alſo auch hierin der verſchiedene Geiſt
der Nationen, mit ihren eigenthümlichen Vorzügen und
Schwächen, bewährt. Gewiß alſo werden Diejenigen,
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