Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze. durch ein rein logisches Verfahren erlangt wird. Ebendarum aber endigt sie mit der deutlichen Einsicht in die Natur des vorliegenden Zweifels, und schließt nicht zu- gleich dessen Auflösung in sich. Diese muß vielmehr an- derwärts aufgesucht werden, und dazu dienen die bereits aufgestellten drey Klassen der Hülfsmittel (§ 35). Sie alle sind dazu anwendbar, und ihr verschiedener Werth kommt nur insoferne in Betracht, als eine Klasse vor der andern anzuwenden ist. Zuerst also ist wo möglich die Unbestimmtheit aufzu- Zweytens ist zu diesem Zweck anzuwenden der Grund (f) So ist zu verstehen L. 8.
C. de jud. (3. 1.) vom J. 314: "Placuit, in omnibus rebus praecipuam esse justitiae aequi- tatisque [scriptae], quam stricti juris rationem." Das heißt: wenn bey einem zweydeutigen Gesetze die eine Erklärung dem Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. durch ein rein logiſches Verfahren erlangt wird. Ebendarum aber endigt ſie mit der deutlichen Einſicht in die Natur des vorliegenden Zweifels, und ſchließt nicht zu- gleich deſſen Auflöſung in ſich. Dieſe muß vielmehr an- derwärts aufgeſucht werden, und dazu dienen die bereits aufgeſtellten drey Klaſſen der Hülfsmittel (§ 35). Sie alle ſind dazu anwendbar, und ihr verſchiedener Werth kommt nur inſoferne in Betracht, als eine Klaſſe vor der andern anzuwenden iſt. Zuerſt alſo iſt wo möglich die Unbeſtimmtheit aufzu- Zweytens iſt zu dieſem Zweck anzuwenden der Grund (f) So iſt zu verſtehen L. 8.
C. de jud. (3. 1.) vom J. 314: „Placuit, in omnibus rebus praecipuam esse justitiae aequi- tatisque [scriptae], quam stricti juris rationem.” Das heißt: wenn bey einem zweydeutigen Geſetze die eine Erklärung dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0284" n="228"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Auslegung der Geſetze.</fw><lb/> durch ein rein logiſches Verfahren erlangt wird. Eben<lb/> darum aber endigt ſie mit der deutlichen Einſicht in die<lb/> Natur des vorliegenden Zweifels, und ſchließt nicht zu-<lb/> gleich deſſen Auflöſung in ſich. Dieſe muß vielmehr an-<lb/> derwärts aufgeſucht werden, und dazu dienen die bereits<lb/> aufgeſtellten drey Klaſſen der Hülfsmittel (§ 35). Sie<lb/> alle ſind dazu anwendbar, und ihr verſchiedener Werth<lb/> kommt nur inſoferne in Betracht, als eine Klaſſe vor der<lb/> andern anzuwenden iſt.</p><lb/> <p>Zuerſt alſo iſt wo möglich die Unbeſtimmtheit aufzu-<lb/> heben durch den Zuſammenhang der Geſetzgebung, und<lb/> wo dieſes Mittel ausreicht, wird jedes andere als weni-<lb/> ger ſicher, und zugleich als überflüſſig, ausgeſchloſſen.</p><lb/> <p>Zweytens iſt zu dieſem Zweck anzuwenden der Grund<lb/> des Geſetzes, und zwar wo möglich der ſpecielle, mit dem<lb/> Inhalt des Geſetzes unmittelbar verwandte Grund (§ 35),<lb/> wenn wir einen ſolchen nachzuweiſen vermögen. Verläßt<lb/> uns dieſer, ſo iſt auch ſchon ein allgemeinerer Grund zu-<lb/> läſſig. So z. B. wenn der Inhalt des Geſetzes nur über-<lb/> haupt auf <hi rendition="#aq">aequitas</hi> beruht, was bey dem regelmäßigen<lb/> Recht (§ 16) der neueren Zeit durchaus angenommen wer-<lb/> den muß, ſo iſt unter zwey an ſich möglichen Erklärun-<lb/> gen diejenige vorzuziehen, welche durch dieſe <hi rendition="#aq">aequitas</hi> ge-<lb/> rechtfertigt wird <note xml:id="seg2pn_30_1" next="#seg2pn_30_2" place="foot" n="(f)">So iſt zu verſtehen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 8.<lb/><hi rendition="#i">C. de jud.</hi></hi> (3. 1.) vom J. 314:<lb/><hi rendition="#aq">„Placuit, in omnibus rebus<lb/> praecipuam esse justitiae aequi-<lb/> tatisque [scriptae], quam stricti<lb/> juris rationem.”</hi> Das heißt:<lb/> wenn bey einem zweydeutigen<lb/> Geſetze die eine Erklärung dem</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228/0284]
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
durch ein rein logiſches Verfahren erlangt wird. Eben
darum aber endigt ſie mit der deutlichen Einſicht in die
Natur des vorliegenden Zweifels, und ſchließt nicht zu-
gleich deſſen Auflöſung in ſich. Dieſe muß vielmehr an-
derwärts aufgeſucht werden, und dazu dienen die bereits
aufgeſtellten drey Klaſſen der Hülfsmittel (§ 35). Sie
alle ſind dazu anwendbar, und ihr verſchiedener Werth
kommt nur inſoferne in Betracht, als eine Klaſſe vor der
andern anzuwenden iſt.
Zuerſt alſo iſt wo möglich die Unbeſtimmtheit aufzu-
heben durch den Zuſammenhang der Geſetzgebung, und
wo dieſes Mittel ausreicht, wird jedes andere als weni-
ger ſicher, und zugleich als überflüſſig, ausgeſchloſſen.
Zweytens iſt zu dieſem Zweck anzuwenden der Grund
des Geſetzes, und zwar wo möglich der ſpecielle, mit dem
Inhalt des Geſetzes unmittelbar verwandte Grund (§ 35),
wenn wir einen ſolchen nachzuweiſen vermögen. Verläßt
uns dieſer, ſo iſt auch ſchon ein allgemeinerer Grund zu-
läſſig. So z. B. wenn der Inhalt des Geſetzes nur über-
haupt auf aequitas beruht, was bey dem regelmäßigen
Recht (§ 16) der neueren Zeit durchaus angenommen wer-
den muß, ſo iſt unter zwey an ſich möglichen Erklärun-
gen diejenige vorzuziehen, welche durch dieſe aequitas ge-
rechtfertigt wird (f).
(f) So iſt zu verſtehen L. 8.
C. de jud. (3. 1.) vom J. 314:
„Placuit, in omnibus rebus
praecipuam esse justitiae aequi-
tatisque [scriptae], quam stricti
juris rationem.” Das heißt:
wenn bey einem zweydeutigen
Geſetze die eine Erklärung dem
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