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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 37. Mangelhafte Gesetze. Unrichtiger Ausdruck.
drucks auf wahrscheinliche Weise erklären: etwa indem
ein concreter Ausdruck gebraucht ist, weil es an einem
entsprechenden abstracten fehlte, oder wegen der größeren
Anschaulichkeit, die jener mit sich führt. Dadurch allein
kann der Zweifel sicher entfernt werden, ob in der That
der Gedanke, der aus unsrer Auslegung hervorgeht, der
wirkliche Gedanke des Gesetzgebers ist, oder ob er es nur
hätte consequenterweise seyn sollen. In diesem letzten
Falle aber würden wir durch unsre Auslegung nicht mehr
den Ausdruck berichtigen, sondern den Gedanken selbst,
und daß dieses nicht in der Befugniß des Auslegers ent-
halten ist, wird weiter unten gezeigt werden (§ 50). --
Folgende Beyspiele werden das hier Gesagte anschaulich
machen. Das Edict drohte die Infamie für den Fall,
da eine Wittwe noch in der Trauerzeit wieder heirathen
würde. Der Zweck war lediglich Verhütung aller Zwei-
fel über die Paternität eines nachher gebornen Kindes.
Hätte man dieses unmittelbar aussprechen und zugleich
genau begränzen wollen, so wäre eine weitläufige, ab-
stracte Bestimmung, und zugleich eine Entscheidung schwie-
riger Fragen (über die mögliche Dauer der Schwanger-
schaft) nöthig gewesen. Das wurde vermieden durch die
völlig anschauliche Angabe der Trauerzeit, die auch für
die allermeisten Fälle ganz zutreffend war, und zugleich
jene schwierige Fragen durch weites Hinausgreifen besei-
tigte. Nun kamen aber Fälle vor, da die Wittwe bald
nach des Mannes Tod ein Kind geboren hatte; dadurch

§. 37. Mangelhafte Geſetze. Unrichtiger Ausdruck.
drucks auf wahrſcheinliche Weiſe erklären: etwa indem
ein concreter Ausdruck gebraucht iſt, weil es an einem
entſprechenden abſtracten fehlte, oder wegen der größeren
Anſchaulichkeit, die jener mit ſich führt. Dadurch allein
kann der Zweifel ſicher entfernt werden, ob in der That
der Gedanke, der aus unſrer Auslegung hervorgeht, der
wirkliche Gedanke des Geſetzgebers iſt, oder ob er es nur
hätte conſequenterweiſe ſeyn ſollen. In dieſem letzten
Falle aber würden wir durch unſre Auslegung nicht mehr
den Ausdruck berichtigen, ſondern den Gedanken ſelbſt,
und daß dieſes nicht in der Befugniß des Auslegers ent-
halten iſt, wird weiter unten gezeigt werden (§ 50). —
Folgende Beyſpiele werden das hier Geſagte anſchaulich
machen. Das Edict drohte die Infamie für den Fall,
da eine Wittwe noch in der Trauerzeit wieder heirathen
würde. Der Zweck war lediglich Verhütung aller Zwei-
fel über die Paternität eines nachher gebornen Kindes.
Hätte man dieſes unmittelbar ausſprechen und zugleich
genau begränzen wollen, ſo wäre eine weitläufige, ab-
ſtracte Beſtimmung, und zugleich eine Entſcheidung ſchwie-
riger Fragen (über die mögliche Dauer der Schwanger-
ſchaft) nöthig geweſen. Das wurde vermieden durch die
völlig anſchauliche Angabe der Trauerzeit, die auch für
die allermeiſten Fälle ganz zutreffend war, und zugleich
jene ſchwierige Fragen durch weites Hinausgreifen beſei-
tigte. Nun kamen aber Fälle vor, da die Wittwe bald
nach des Mannes Tod ein Kind geboren hatte; dadurch

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[235/0291] §. 37. Mangelhafte Geſetze. Unrichtiger Ausdruck. drucks auf wahrſcheinliche Weiſe erklären: etwa indem ein concreter Ausdruck gebraucht iſt, weil es an einem entſprechenden abſtracten fehlte, oder wegen der größeren Anſchaulichkeit, die jener mit ſich führt. Dadurch allein kann der Zweifel ſicher entfernt werden, ob in der That der Gedanke, der aus unſrer Auslegung hervorgeht, der wirkliche Gedanke des Geſetzgebers iſt, oder ob er es nur hätte conſequenterweiſe ſeyn ſollen. In dieſem letzten Falle aber würden wir durch unſre Auslegung nicht mehr den Ausdruck berichtigen, ſondern den Gedanken ſelbſt, und daß dieſes nicht in der Befugniß des Auslegers ent- halten iſt, wird weiter unten gezeigt werden (§ 50). — Folgende Beyſpiele werden das hier Geſagte anſchaulich machen. Das Edict drohte die Infamie für den Fall, da eine Wittwe noch in der Trauerzeit wieder heirathen würde. Der Zweck war lediglich Verhütung aller Zwei- fel über die Paternität eines nachher gebornen Kindes. Hätte man dieſes unmittelbar ausſprechen und zugleich genau begränzen wollen, ſo wäre eine weitläufige, ab- ſtracte Beſtimmung, und zugleich eine Entſcheidung ſchwie- riger Fragen (über die mögliche Dauer der Schwanger- ſchaft) nöthig geweſen. Das wurde vermieden durch die völlig anſchauliche Angabe der Trauerzeit, die auch für die allermeiſten Fälle ganz zutreffend war, und zugleich jene ſchwierige Fragen durch weites Hinausgreifen beſei- tigte. Nun kamen aber Fälle vor, da die Wittwe bald nach des Mannes Tod ein Kind geboren hatte; dadurch

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/291>, abgerufen am 21.11.2024.