Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 43. Rechtsquellen als Ganzes. Widerspruch. Fortsetzung. abzuändern und fortzubilden; zu einer Sammlung sind sievon dem Gesetzgeber niemals vereinigt worden. Daher muß im Fall eines Widerspruchs jede Novelle nicht nur den drey Rechtsbüchern, sondern auch jeder anderen älte- ren Novelle, unbedingt vorgezogen werden (b). Auch ist hier die Voraussetzung eines Widerspruchs unbedenklicher, also der Versuch der Vereinigung weniger strenge nöthig, als bey den Rechtsbüchern, da es gerade die Bestimmung der Novellen war, das Recht abzuändern. -- Zwar sind alle Novellen gleichzeitig mit den Rechtsbüchern bey uns recipirt worden, und man könnte glauben, daß dadurch der natürliche Vorzug, der ihnen als neueren Gesetzen zukam, wieder vernichtet wäre (c). Allein jene Reception geschah doch im Sinne von Justinian, als eines von ihm hinterlassenen Vermächtnisses von Gesetzen, folglich ganz in der Art, wie sich die Gültigkeit derselben am Ende seiner langen Regierung von selbst festgestellt hatte. Da- mals nun hatten bereits die Novellen das ihnen entge- (b) Für diesen Zweck ist daher auch praktisch wichtig, ja unent- behrlich, das chronologische Ver- zeichniß in Bieners Geschichte der Novellen Anhang Num. IV. Man wende nicht ein, daß die Glossatoren ein solches Verzeich- niß nicht besessen haben. Das Princip haben sie auch anerkannt und nach ihrer Einsicht angewen- det, eine andere, irrige, chrono- logische Reihe aber haben sie nicht festgestellt; sie haben also von die- ser Seite eben so wenig der bes- seren Einsicht den Weg versperrt, als von Seiten der Kritik des Textes (§ 17. 38.). (c) Überflüssige Noth mit die-
sem Einwurf macht sich (Hüb- ner) Berichtigungen und Zusätze zu Höpfner S. 8--14. Am Ende läßt er zwar die hier angenom- mene Auskunft auch zu, aber nur als Nothbehelf, was ganz un- richtig ist. §. 43. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung. abzuändern und fortzubilden; zu einer Sammlung ſind ſievon dem Geſetzgeber niemals vereinigt worden. Daher muß im Fall eines Widerſpruchs jede Novelle nicht nur den drey Rechtsbüchern, ſondern auch jeder anderen älte- ren Novelle, unbedingt vorgezogen werden (b). Auch iſt hier die Vorausſetzung eines Widerſpruchs unbedenklicher, alſo der Verſuch der Vereinigung weniger ſtrenge nöthig, als bey den Rechtsbüchern, da es gerade die Beſtimmung der Novellen war, das Recht abzuändern. — Zwar ſind alle Novellen gleichzeitig mit den Rechtsbüchern bey uns recipirt worden, und man könnte glauben, daß dadurch der natürliche Vorzug, der ihnen als neueren Geſetzen zukam, wieder vernichtet wäre (c). Allein jene Reception geſchah doch im Sinne von Juſtinian, als eines von ihm hinterlaſſenen Vermächtniſſes von Geſetzen, folglich ganz in der Art, wie ſich die Gültigkeit derſelben am Ende ſeiner langen Regierung von ſelbſt feſtgeſtellt hatte. Da- mals nun hatten bereits die Novellen das ihnen entge- (b) Für dieſen Zweck iſt daher auch praktiſch wichtig, ja unent- behrlich, das chronologiſche Ver- zeichniß in Bieners Geſchichte der Novellen Anhang Num. IV. Man wende nicht ein, daß die Gloſſatoren ein ſolches Verzeich- niß nicht beſeſſen haben. Das Princip haben ſie auch anerkannt und nach ihrer Einſicht angewen- det, eine andere, irrige, chrono- logiſche Reihe aber haben ſie nicht feſtgeſtellt; ſie haben alſo von die- ſer Seite eben ſo wenig der beſ- ſeren Einſicht den Weg verſperrt, als von Seiten der Kritik des Textes (§ 17. 38.). (c) Überflüſſige Noth mit die-
ſem Einwurf macht ſich (Hüb- ner) Berichtigungen und Zuſätze zu Höpfner S. 8—14. Am Ende läßt er zwar die hier angenom- mene Auskunft auch zu, aber nur als Nothbehelf, was ganz un- richtig iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0325" n="269"/><fw place="top" type="header">§. 43. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung.</fw><lb/> abzuändern und fortzubilden; zu einer Sammlung ſind ſie<lb/> von dem Geſetzgeber niemals vereinigt worden. Daher<lb/> muß im Fall eines Widerſpruchs jede Novelle nicht nur<lb/> den drey Rechtsbüchern, ſondern auch jeder anderen älte-<lb/> ren Novelle, unbedingt vorgezogen werden <note place="foot" n="(b)">Für dieſen Zweck iſt daher<lb/> auch praktiſch wichtig, ja unent-<lb/> behrlich, das chronologiſche Ver-<lb/> zeichniß in <hi rendition="#g">Bieners</hi> Geſchichte<lb/> der Novellen Anhang Num. <hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/> Man wende nicht ein, daß die<lb/> Gloſſatoren ein ſolches Verzeich-<lb/> niß nicht beſeſſen haben. Das<lb/> Princip haben ſie auch anerkannt<lb/> und nach ihrer Einſicht angewen-<lb/> det, eine andere, irrige, chrono-<lb/> logiſche Reihe aber haben ſie nicht<lb/> feſtgeſtellt; ſie haben alſo von die-<lb/> ſer Seite eben ſo wenig der beſ-<lb/> ſeren Einſicht den Weg verſperrt,<lb/> als von Seiten der Kritik des<lb/> Textes (§ 17. 38.).</note>. Auch iſt<lb/> hier die Vorausſetzung eines Widerſpruchs unbedenklicher,<lb/> alſo der Verſuch der Vereinigung weniger ſtrenge nöthig,<lb/> als bey den Rechtsbüchern, da es gerade die Beſtimmung<lb/> der Novellen war, das Recht abzuändern. — Zwar ſind<lb/> alle Novellen gleichzeitig mit den Rechtsbüchern bey uns<lb/> recipirt worden, und man könnte glauben, daß dadurch<lb/> der natürliche Vorzug, der ihnen als neueren Geſetzen<lb/> zukam, wieder vernichtet wäre <note place="foot" n="(c)">Überflüſſige Noth mit die-<lb/> ſem Einwurf macht ſich (<hi rendition="#g">Hüb-<lb/> ner</hi>) Berichtigungen und Zuſätze<lb/> zu Höpfner S. 8—14. Am Ende<lb/> läßt er zwar die hier angenom-<lb/> mene Auskunft auch zu, aber nur<lb/> als Nothbehelf, was ganz un-<lb/> richtig iſt.</note>. Allein jene Reception<lb/> geſchah doch im Sinne von Juſtinian, als eines von ihm<lb/> hinterlaſſenen Vermächtniſſes von Geſetzen, folglich ganz<lb/> in der Art, wie ſich die Gültigkeit derſelben am Ende<lb/> ſeiner langen Regierung von ſelbſt feſtgeſtellt hatte. Da-<lb/> mals nun hatten bereits die Novellen das ihnen entge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [269/0325]
§. 43. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung.
abzuändern und fortzubilden; zu einer Sammlung ſind ſie
von dem Geſetzgeber niemals vereinigt worden. Daher
muß im Fall eines Widerſpruchs jede Novelle nicht nur
den drey Rechtsbüchern, ſondern auch jeder anderen älte-
ren Novelle, unbedingt vorgezogen werden (b). Auch iſt
hier die Vorausſetzung eines Widerſpruchs unbedenklicher,
alſo der Verſuch der Vereinigung weniger ſtrenge nöthig,
als bey den Rechtsbüchern, da es gerade die Beſtimmung
der Novellen war, das Recht abzuändern. — Zwar ſind
alle Novellen gleichzeitig mit den Rechtsbüchern bey uns
recipirt worden, und man könnte glauben, daß dadurch
der natürliche Vorzug, der ihnen als neueren Geſetzen
zukam, wieder vernichtet wäre (c). Allein jene Reception
geſchah doch im Sinne von Juſtinian, als eines von ihm
hinterlaſſenen Vermächtniſſes von Geſetzen, folglich ganz
in der Art, wie ſich die Gültigkeit derſelben am Ende
ſeiner langen Regierung von ſelbſt feſtgeſtellt hatte. Da-
mals nun hatten bereits die Novellen das ihnen entge-
(b) Für dieſen Zweck iſt daher
auch praktiſch wichtig, ja unent-
behrlich, das chronologiſche Ver-
zeichniß in Bieners Geſchichte
der Novellen Anhang Num. IV.
Man wende nicht ein, daß die
Gloſſatoren ein ſolches Verzeich-
niß nicht beſeſſen haben. Das
Princip haben ſie auch anerkannt
und nach ihrer Einſicht angewen-
det, eine andere, irrige, chrono-
logiſche Reihe aber haben ſie nicht
feſtgeſtellt; ſie haben alſo von die-
ſer Seite eben ſo wenig der beſ-
ſeren Einſicht den Weg verſperrt,
als von Seiten der Kritik des
Textes (§ 17. 38.).
(c) Überflüſſige Noth mit die-
ſem Einwurf macht ſich (Hüb-
ner) Berichtigungen und Zuſätze
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