die Emancipation der Praxis von einer unächten Theo- rie hingewirkt werden.
Allerdings finden diese Gedanken ihre unmittelbarste Anwendung in den Ländern, worin noch jetzt das Rö- mische Recht die Grundlage der Rechtspraxis bildet; dennoch sind sie auch anwendbar da wo neue Gesetzbü- cher an die Stelle des Römischen Rechts getreten sind. Denn die Mängel des Rechtszustandes sind hier und dort wesentlich dieselben, und eben so ist das Bedürfniß und die Art der Abhülfe weniger verschieden, als man glauben möchte. Auch in den Ländern also, die mit einheimischen Gesetzbüchern versehen sind, wird durch die hier dargestellte Benutzungsweise des Römischen Rechts die Theorie theils neu belebt, theils vor ganz subjectiven und willkührlichen Abirrungen bewahrt, besonders aber der Praxis wieder näher gebracht werden, worauf überall das Meiste ankommt. Schwerer freylich ist hier eine solche Umwandlung als in den Ländern des gemeinen Rechts, aber unmöglich ist sie nicht. Das zeigt uns be- sonders das Beyspiel der neueren Französischen Juri- sten, die oft auf recht verständige Weise ihr Gesetzbuch aus dem Römischen Recht erläutern und ergänzen. Hierin verfahren sie ganz im wahren Sinn dieses Ge- setzbuchs, und wo sie fehl greifen, da geschieht es weni-
Vorrede.
die Emancipation der Praxis von einer unächten Theo- rie hingewirkt werden.
Allerdings finden dieſe Gedanken ihre unmittelbarſte Anwendung in den Ländern, worin noch jetzt das Rö- miſche Recht die Grundlage der Rechtspraxis bildet; dennoch ſind ſie auch anwendbar da wo neue Geſetzbü- cher an die Stelle des Römiſchen Rechts getreten ſind. Denn die Mängel des Rechtszuſtandes ſind hier und dort weſentlich dieſelben, und eben ſo iſt das Bedürfniß und die Art der Abhülfe weniger verſchieden, als man glauben möchte. Auch in den Ländern alſo, die mit einheimiſchen Geſetzbüchern verſehen ſind, wird durch die hier dargeſtellte Benutzungsweiſe des Römiſchen Rechts die Theorie theils neu belebt, theils vor ganz ſubjectiven und willkührlichen Abirrungen bewahrt, beſonders aber der Praxis wieder näher gebracht werden, worauf überall das Meiſte ankommt. Schwerer freylich iſt hier eine ſolche Umwandlung als in den Ländern des gemeinen Rechts, aber unmöglich iſt ſie nicht. Das zeigt uns be- ſonders das Beyſpiel der neueren Franzöſiſchen Juri- ſten, die oft auf recht verſtändige Weiſe ihr Geſetzbuch aus dem Römiſchen Recht erläutern und ergänzen. Hierin verfahren ſie ganz im wahren Sinn dieſes Ge- ſetzbuchs, und wo ſie fehl greifen, da geſchieht es weni-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0034"n="XXVIII"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/>
die Emancipation der Praxis von einer unächten Theo-<lb/>
rie hingewirkt werden.</p><lb/><p>Allerdings finden dieſe Gedanken ihre unmittelbarſte<lb/>
Anwendung in den Ländern, worin noch jetzt das Rö-<lb/>
miſche Recht die Grundlage der Rechtspraxis bildet;<lb/>
dennoch ſind ſie auch anwendbar da wo neue Geſetzbü-<lb/>
cher an die Stelle des Römiſchen Rechts getreten ſind.<lb/>
Denn die Mängel des Rechtszuſtandes ſind hier und<lb/>
dort weſentlich dieſelben, und eben ſo iſt das Bedürfniß<lb/>
und die Art der Abhülfe weniger verſchieden, als man<lb/>
glauben möchte. Auch in den Ländern alſo, die mit<lb/>
einheimiſchen Geſetzbüchern verſehen ſind, wird durch die<lb/>
hier dargeſtellte Benutzungsweiſe des Römiſchen Rechts<lb/>
die Theorie theils neu belebt, theils vor ganz ſubjectiven<lb/>
und willkührlichen Abirrungen bewahrt, beſonders aber<lb/>
der Praxis wieder näher gebracht werden, worauf überall<lb/>
das Meiſte ankommt. Schwerer freylich iſt hier eine<lb/>ſolche Umwandlung als in den Ländern des gemeinen<lb/>
Rechts, aber unmöglich iſt ſie nicht. Das zeigt uns be-<lb/>ſonders das Beyſpiel der neueren Franzöſiſchen Juri-<lb/>ſten, die oft auf recht verſtändige Weiſe ihr Geſetzbuch<lb/>
aus dem Römiſchen Recht erläutern und ergänzen.<lb/>
Hierin verfahren ſie ganz im wahren Sinn dieſes Ge-<lb/>ſetzbuchs, und wo ſie fehl greifen, da geſchieht es weni-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[XXVIII/0034]
Vorrede.
die Emancipation der Praxis von einer unächten Theo-
rie hingewirkt werden.
Allerdings finden dieſe Gedanken ihre unmittelbarſte
Anwendung in den Ländern, worin noch jetzt das Rö-
miſche Recht die Grundlage der Rechtspraxis bildet;
dennoch ſind ſie auch anwendbar da wo neue Geſetzbü-
cher an die Stelle des Römiſchen Rechts getreten ſind.
Denn die Mängel des Rechtszuſtandes ſind hier und
dort weſentlich dieſelben, und eben ſo iſt das Bedürfniß
und die Art der Abhülfe weniger verſchieden, als man
glauben möchte. Auch in den Ländern alſo, die mit
einheimiſchen Geſetzbüchern verſehen ſind, wird durch die
hier dargeſtellte Benutzungsweiſe des Römiſchen Rechts
die Theorie theils neu belebt, theils vor ganz ſubjectiven
und willkührlichen Abirrungen bewahrt, beſonders aber
der Praxis wieder näher gebracht werden, worauf überall
das Meiſte ankommt. Schwerer freylich iſt hier eine
ſolche Umwandlung als in den Ländern des gemeinen
Rechts, aber unmöglich iſt ſie nicht. Das zeigt uns be-
ſonders das Beyſpiel der neueren Franzöſiſchen Juri-
ſten, die oft auf recht verſtändige Weiſe ihr Geſetzbuch
aus dem Römiſchen Recht erläutern und ergänzen.
Hierin verfahren ſie ganz im wahren Sinn dieſes Ge-
ſetzbuchs, und wo ſie fehl greifen, da geſchieht es weni-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. XXVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/34>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.