Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 54, Familienrecht. in Rom (g), und daß eine wirklich knechtische, herabwür-digende Behandlung der Söhne undenkbar war neben ei- nem Staatsrecht, welches denselben den Genuß aller politi- schen Rechte, und selbst die Fähigkeit zu den höchsten Ma- gistraturen, unbeschadet der väterlichen Gewalt einräumte. tigsten Momente, den weltge- schichtlichen Charakter der Römer und ihre Richtung auf den Rechts- Formalismus zu verstehen." Bey ihm ist das Misverständniß um so unbegreiflicher, als er § 161 in der Ehe das nothwendige Zu- sammenwirken sittlicher und recht- licher Elemente sehr wohl aner- kennt, woraus von selbst folgt, daß bey jedem Volk das Ehe- recht nur ein unvollständiges Bild der Ehe selbst giebt. Warum soll denn aber nicht dasselbe für die väterliche Gewalt gelten? -- Noch weiter führt diesen Irrthum Adam H. Müller Elemente der Staats- kunst Th. 2 S. 59 -- 65. Er spricht von einer "väterlichen und ehemännlichen Gewalt, so wie sie in unsern Gesetzbüchern nach Römischem Zuschnitt verordnet wird," und vermißt deshalb in den Römischen (und unsern) Fa- milienverhältnissen alle Gegensei- tigkeit. Nach ihm möchte man glauben, wir schlössen noch unsre Ehen durch Confarreation, da doch schon in früher Zeit bey den Römern die freye Ehe (ohne die geringste Spur von Gewalt) die häufigste war, und da diese allein mit dem Römischen Recht zu uns herüber gekommen ist. Ferner möchte man nach ihm glauben, als spielten blos die Römischen Gesetze eine traurige Rolle, "wenn sie ein unsichtbarer Geist der Liebe oder des Zutrauens nicht ergän- zen oder stützen will" (S. 59). Als ob je ein Gesetz in der Welt diesen unsichtbaren Geist entbehr- lich gemacht oder hervorgebracht hätte! Was also dieser Schrift- steller als eine Schwäche der Rö- mischen Gesetze mit Verachtung darstellt, ist vielmehr eine Ein- richtung, die Gott der menschli- chen Natur im Allgemeinen zu geben gut gefunden hat. (g) Dahin gehört auch die schöne
Beschreibung des Familienlebens früherer Zeiten bey Columella de re rust. Lib. 12 praef. § 7. 8: "Erat enim summa reverentia cum concordia et diligentia mix- ta .., Nihil conspiciebatur in domo dividuum, nihil quod aut maritus aut foemina proprium esse juris sui diceret, sed in com- mune conspicabatur ab utro- que." Und gerade in der guten alten Zeit, die er schildert, kam noch die in manum conventio, also die strenge Gewalt des Ehe- mannes, häufiger vor, als in spä- terer Zeit, worin sie immer sel- tener wurde. §. 54, Familienrecht. in Rom (g), und daß eine wirklich knechtiſche, herabwür-digende Behandlung der Söhne undenkbar war neben ei- nem Staatsrecht, welches denſelben den Genuß aller politi- ſchen Rechte, und ſelbſt die Fähigkeit zu den höchſten Ma- giſtraturen, unbeſchadet der väterlichen Gewalt einräumte. tigſten Momente, den weltge- ſchichtlichen Charakter der Römer und ihre Richtung auf den Rechts- Formalismus zu verſtehen.“ Bey ihm iſt das Misverſtändniß um ſo unbegreiflicher, als er § 161 in der Ehe das nothwendige Zu- ſammenwirken ſittlicher und recht- licher Elemente ſehr wohl aner- kennt, woraus von ſelbſt folgt, daß bey jedem Volk das Ehe- recht nur ein unvollſtändiges Bild der Ehe ſelbſt giebt. Warum ſoll denn aber nicht daſſelbe für die väterliche Gewalt gelten? — Noch weiter führt dieſen Irrthum Adam H. Müller Elemente der Staats- kunſt Th. 2 S. 59 — 65. Er ſpricht von einer „väterlichen und ehemännlichen Gewalt, ſo wie ſie in unſern Geſetzbüchern nach Römiſchem Zuſchnitt verordnet wird,“ und vermißt deshalb in den Römiſchen (und unſern) Fa- milienverhältniſſen alle Gegenſei- tigkeit. Nach ihm möchte man glauben, wir ſchlöſſen noch unſre Ehen durch Confarreation, da doch ſchon in früher Zeit bey den Römern die freye Ehe (ohne die geringſte Spur von Gewalt) die häufigſte war, und da dieſe allein mit dem Römiſchen Recht zu uns herüber gekommen iſt. Ferner möchte man nach ihm glauben, als ſpielten blos die Römiſchen Geſetze eine traurige Rolle, „wenn ſie ein unſichtbarer Geiſt der Liebe oder des Zutrauens nicht ergän- zen oder ſtützen will“ (S. 59). Als ob je ein Geſetz in der Welt dieſen unſichtbaren Geiſt entbehr- lich gemacht oder hervorgebracht hätte! Was alſo dieſer Schrift- ſteller als eine Schwäche der Rö- miſchen Geſetze mit Verachtung darſtellt, iſt vielmehr eine Ein- richtung, die Gott der menſchli- chen Natur im Allgemeinen zu geben gut gefunden hat. (g) Dahin gehört auch die ſchöne
Beſchreibung des Familienlebens früherer Zeiten bey Columella de re rust. Lib. 12 praef. § 7. 8: „Erat enim summa reverentia cum concordia et diligentia mix- ta .., Nihil conspiciebatur in domo dividuum, nihil quod aut maritus aut foemina proprium esse juris sui diceret, sed in com- mune conspicabatur ab utro- que.” Und gerade in der guten alten Zeit, die er ſchildert, kam noch die in manum conventio, alſo die ſtrenge Gewalt des Ehe- mannes, häufiger vor, als in ſpä- terer Zeit, worin ſie immer ſel- tener wurde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0407" n="351"/><fw place="top" type="header">§. 54, Familienrecht.</fw><lb/> in Rom <note place="foot" n="(g)">Dahin gehört auch die ſchöne<lb/> Beſchreibung des Familienlebens<lb/> früherer Zeiten bey <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Columella</hi><lb/> de re rust. Lib. 12 praef. § 7. 8:<lb/> „Erat enim summa reverentia<lb/> cum concordia et diligentia mix-<lb/> ta .., Nihil conspiciebatur in<lb/> domo dividuum, nihil quod aut<lb/> maritus aut foemina proprium<lb/> esse juris sui diceret, sed in com-<lb/> mune conspicabatur ab utro-<lb/> que.”</hi> Und gerade in der guten<lb/> alten Zeit, die er ſchildert, kam<lb/> noch die <hi rendition="#aq">in manum conventio,</hi><lb/> alſo die ſtrenge Gewalt des Ehe-<lb/> mannes, häufiger vor, als in ſpä-<lb/> terer Zeit, worin ſie immer ſel-<lb/> tener wurde.</note>, und daß eine wirklich knechtiſche, herabwür-<lb/> digende Behandlung der Söhne undenkbar war neben ei-<lb/> nem Staatsrecht, welches denſelben den Genuß aller politi-<lb/> ſchen Rechte, und ſelbſt die Fähigkeit zu den höchſten Ma-<lb/> giſtraturen, unbeſchadet der väterlichen Gewalt einräumte.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_46_2" prev="#seg2pn_46_1" place="foot" n="(f)">tigſten Momente, den weltge-<lb/> ſchichtlichen Charakter der Römer<lb/> und ihre Richtung auf den Rechts-<lb/> Formalismus zu verſtehen.“ Bey<lb/> ihm iſt das Misverſtändniß um<lb/> ſo unbegreiflicher, als er § 161<lb/> in der Ehe das nothwendige Zu-<lb/> ſammenwirken ſittlicher und recht-<lb/> licher Elemente ſehr wohl aner-<lb/> kennt, woraus von ſelbſt folgt,<lb/> daß bey jedem Volk das <hi rendition="#g">Ehe-<lb/> recht</hi> nur ein unvollſtändiges Bild<lb/> der Ehe ſelbſt giebt. Warum ſoll<lb/> denn aber nicht daſſelbe für die<lb/> väterliche Gewalt gelten? — Noch<lb/> weiter führt dieſen Irrthum Adam<lb/> H. <hi rendition="#g">Müller</hi> Elemente der Staats-<lb/> kunſt Th. 2 S. 59 — 65. Er<lb/> ſpricht von einer „väterlichen und<lb/><hi rendition="#g">ehemännlichen</hi> Gewalt, ſo wie<lb/> ſie in unſern Geſetzbüchern nach<lb/> Römiſchem Zuſchnitt verordnet<lb/> wird,“ und vermißt deshalb in<lb/> den Römiſchen (und unſern) Fa-<lb/> milienverhältniſſen alle Gegenſei-<lb/> tigkeit. Nach ihm möchte man<lb/> glauben, wir ſchlöſſen noch unſre<lb/> Ehen durch Confarreation, da<lb/> doch ſchon in früher Zeit bey den<lb/> Römern die freye Ehe (ohne die<lb/> geringſte Spur von Gewalt) die<lb/> häufigſte war, und da dieſe allein<lb/> mit dem Römiſchen Recht zu uns<lb/> herüber gekommen iſt. Ferner<lb/> möchte man nach ihm glauben,<lb/> als ſpielten blos die Römiſchen<lb/> Geſetze eine traurige Rolle, „wenn<lb/> ſie ein unſichtbarer Geiſt der Liebe<lb/> oder des Zutrauens nicht ergän-<lb/> zen oder ſtützen will“ (S. 59).<lb/> Als ob je ein Geſetz in der Welt<lb/> dieſen unſichtbaren Geiſt entbehr-<lb/> lich gemacht oder hervorgebracht<lb/> hätte! Was alſo dieſer Schrift-<lb/> ſteller als eine Schwäche der Rö-<lb/> miſchen Geſetze mit Verachtung<lb/> darſtellt, iſt vielmehr eine Ein-<lb/> richtung, die Gott der menſchli-<lb/> chen Natur im Allgemeinen zu<lb/> geben gut gefunden hat.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [351/0407]
§. 54, Familienrecht.
in Rom (g), und daß eine wirklich knechtiſche, herabwür-
digende Behandlung der Söhne undenkbar war neben ei-
nem Staatsrecht, welches denſelben den Genuß aller politi-
ſchen Rechte, und ſelbſt die Fähigkeit zu den höchſten Ma-
giſtraturen, unbeſchadet der väterlichen Gewalt einräumte.
(f)
(g) Dahin gehört auch die ſchöne
Beſchreibung des Familienlebens
früherer Zeiten bey Columella
de re rust. Lib. 12 praef. § 7. 8:
„Erat enim summa reverentia
cum concordia et diligentia mix-
ta .., Nihil conspiciebatur in
domo dividuum, nihil quod aut
maritus aut foemina proprium
esse juris sui diceret, sed in com-
mune conspicabatur ab utro-
que.” Und gerade in der guten
alten Zeit, die er ſchildert, kam
noch die in manum conventio,
alſo die ſtrenge Gewalt des Ehe-
mannes, häufiger vor, als in ſpä-
terer Zeit, worin ſie immer ſel-
tener wurde.
(f) tigſten Momente, den weltge-
ſchichtlichen Charakter der Römer
und ihre Richtung auf den Rechts-
Formalismus zu verſtehen.“ Bey
ihm iſt das Misverſtändniß um
ſo unbegreiflicher, als er § 161
in der Ehe das nothwendige Zu-
ſammenwirken ſittlicher und recht-
licher Elemente ſehr wohl aner-
kennt, woraus von ſelbſt folgt,
daß bey jedem Volk das Ehe-
recht nur ein unvollſtändiges Bild
der Ehe ſelbſt giebt. Warum ſoll
denn aber nicht daſſelbe für die
väterliche Gewalt gelten? — Noch
weiter führt dieſen Irrthum Adam
H. Müller Elemente der Staats-
kunſt Th. 2 S. 59 — 65. Er
ſpricht von einer „väterlichen und
ehemännlichen Gewalt, ſo wie
ſie in unſern Geſetzbüchern nach
Römiſchem Zuſchnitt verordnet
wird,“ und vermißt deshalb in
den Römiſchen (und unſern) Fa-
milienverhältniſſen alle Gegenſei-
tigkeit. Nach ihm möchte man
glauben, wir ſchlöſſen noch unſre
Ehen durch Confarreation, da
doch ſchon in früher Zeit bey den
Römern die freye Ehe (ohne die
geringſte Spur von Gewalt) die
häufigſte war, und da dieſe allein
mit dem Römiſchen Recht zu uns
herüber gekommen iſt. Ferner
möchte man nach ihm glauben,
als ſpielten blos die Römiſchen
Geſetze eine traurige Rolle, „wenn
ſie ein unſichtbarer Geiſt der Liebe
oder des Zutrauens nicht ergän-
zen oder ſtützen will“ (S. 59).
Als ob je ein Geſetz in der Welt
dieſen unſichtbaren Geiſt entbehr-
lich gemacht oder hervorgebracht
hätte! Was alſo dieſer Schrift-
ſteller als eine Schwäche der Rö-
miſchen Geſetze mit Verachtung
darſtellt, iſt vielmehr eine Ein-
richtung, die Gott der menſchli-
chen Natur im Allgemeinen zu
geben gut gefunden hat.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |