ben diesen wichtigen Einfluß: namentlich findet er sich nicht bey der Ehe als solcher, der Verwandtschaft, dem Pa- tronat, und der Vormundschaft. Das Familienrecht geht also viel weiter als diese Lehre, und darf mit ihr nicht für identisch gehalten werden.
Die Rechtsfähigkeit (welche in den §§ 64 fg. ausführ- lich dargestellt werden wird) beruht auf drey Klassifica- tionen der Menschen, womit drey Stufen der capitis de- minutio zusammenhängen. Die Unterschiede der liberi und servi, der sui juris und alieni juris, sind völlig in eini- gen der oben angegebenen Familienverhältnisse begründet; dagegen liegt der dritte Unterschied (cives, latini, pere- grini) ganz außer den Gränzen des Familienrechts, ja des Privatrechts überhaupt; auf der andern Seite aber haben mehrere Familienverhältnisse -- Ehe als solche, Verwandt- schaft, Patronat, Vormundschaft -- gar keinen Einfluß auf die Rechtsfähigkeit. Also ist auch die Lehre von der Rechtsfähigkeit durchaus nicht identisch mit dem Familien- recht, vielmehr haben beide ganz verschiedene Gränzen.
Zuletzt ist noch die historische Entwicklung der zum Fa- milienrecht gehörenden Institute zu erwähnen. Schon zu Justinians Zeit waren gänzlich verschwunden die manus und die mancipii causa. Bey dem Übergang des Römi- schen Rechts nach dem neueren Europa sind ferner ver- schwunden die Sklaverey und das Patronat. Eben so konnte das Römische Colonat im neueren Europa nicht bleibende Anerkennung finden, weil die ihm sehr ähnliche
§. 55. Familienrecht. Fortſetzung.
ben dieſen wichtigen Einfluß: namentlich findet er ſich nicht bey der Ehe als ſolcher, der Verwandtſchaft, dem Pa- tronat, und der Vormundſchaft. Das Familienrecht geht alſo viel weiter als dieſe Lehre, und darf mit ihr nicht für identiſch gehalten werden.
Die Rechtsfähigkeit (welche in den §§ 64 fg. ausführ- lich dargeſtellt werden wird) beruht auf drey Klaſſifica- tionen der Menſchen, womit drey Stufen der capitis de- minutio zuſammenhängen. Die Unterſchiede der liberi und servi, der sui juris und alieni juris, ſind voͤllig in eini- gen der oben angegebenen Familienverhältniſſe begründet; dagegen liegt der dritte Unterſchied (cives, latini, pere- grini) ganz außer den Gränzen des Familienrechts, ja des Privatrechts überhaupt; auf der andern Seite aber haben mehrere Familienverhältniſſe — Ehe als ſolche, Verwandt- ſchaft, Patronat, Vormundſchaft — gar keinen Einfluß auf die Rechtsfähigkeit. Alſo iſt auch die Lehre von der Rechtsfähigkeit durchaus nicht identiſch mit dem Familien- recht, vielmehr haben beide ganz verſchiedene Gränzen.
Zuletzt iſt noch die hiſtoriſche Entwicklung der zum Fa- milienrecht gehörenden Inſtitute zu erwähnen. Schon zu Juſtinians Zeit waren gänzlich verſchwunden die manus und die mancipii causa. Bey dem Übergang des Römi- ſchen Rechts nach dem neueren Europa ſind ferner ver- ſchwunden die Sklaverey und das Patronat. Eben ſo konnte das Römiſche Colonat im neueren Europa nicht bleibende Anerkennung finden, weil die ihm ſehr ähnliche
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§. 55. Familienrecht. Fortſetzung.
ben dieſen wichtigen Einfluß: namentlich findet er ſich nicht
bey der Ehe als ſolcher, der Verwandtſchaft, dem Pa-
tronat, und der Vormundſchaft. Das Familienrecht geht
alſo viel weiter als dieſe Lehre, und darf mit ihr nicht
für identiſch gehalten werden.
Die Rechtsfähigkeit (welche in den §§ 64 fg. ausführ-
lich dargeſtellt werden wird) beruht auf drey Klaſſifica-
tionen der Menſchen, womit drey Stufen der capitis de-
minutio zuſammenhängen. Die Unterſchiede der liberi und
servi, der sui juris und alieni juris, ſind voͤllig in eini-
gen der oben angegebenen Familienverhältniſſe begründet;
dagegen liegt der dritte Unterſchied (cives, latini, pere-
grini) ganz außer den Gränzen des Familienrechts, ja des
Privatrechts überhaupt; auf der andern Seite aber haben
mehrere Familienverhältniſſe — Ehe als ſolche, Verwandt-
ſchaft, Patronat, Vormundſchaft — gar keinen Einfluß
auf die Rechtsfähigkeit. Alſo iſt auch die Lehre von der
Rechtsfähigkeit durchaus nicht identiſch mit dem Familien-
recht, vielmehr haben beide ganz verſchiedene Gränzen.
Zuletzt iſt noch die hiſtoriſche Entwicklung der zum Fa-
milienrecht gehörenden Inſtitute zu erwähnen. Schon zu
Juſtinians Zeit waren gänzlich verſchwunden die manus
und die mancipii causa. Bey dem Übergang des Römi-
ſchen Rechts nach dem neueren Europa ſind ferner ver-
ſchwunden die Sklaverey und das Patronat. Eben ſo
konnte das Römiſche Colonat im neueren Europa nicht
bleibende Anerkennung finden, weil die ihm ſehr ähnliche
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/421>, abgerufen am 26.11.2024.
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