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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Jus naturale, gentium, civile.

Die dreygliedrige Eintheilung hat am vollständigsten
Ulpian (l): neben ihm Tryphonin (m) und Hermo-
genian
(n). Sie beruht auf folgender Ansicht. Es gab
eine Zeit, worin die Menschen nur diejenigen Verhält-
nisse unter sich anerkannten, welche ihnen mit den Thieren
gemein sind: das der Geschlechter, und das der Fortpflan-
zung und Erziehung. Darauf folgte ein zweytes Zeital-
ter, welches Staaten gründete, Sklaverey, Privateigen-
thum, Obligationen einführte, und zwar unter allen Men-
schen auf gleiche Weise. Zuletzt bildete sich in jedem ein-
zelnen Staate das Recht auf eigenthümliche Weise aus,
theils durch abweichende Bestimmung jener allgemeinen In-
stitute, theils durch neu hinzugefügte Institute.

Das erste, was an dieser Eintheilung auffällt, und
weshalb man sie oft hart getadelt hat, ist das den Thie-
ren zugeschriebene Recht und Rechtsbewußtseyn (o). Allein

(l) L. 1 § 2. 3. 4. L. 4. L. 6
pr. de J. et J.
(1. 1.).
(m) L. 64 de cond. indeb.
(12. 6.), über die Entstehung
der Sklaverey, ganz mit Ulpian
übereinstimmend. Weniger be-
stimmt ist L. 31 pr. depos. (16. 3.).
"Si tantum naturale et gentium
jus intuemur,"
wo das naturale
et gentium
auch so verstanden
werden kann: naturale id est
gentium,
ja wo ein Unterschied
beider Rechte selbst nach dieser
Ansicht nicht passen würde.
(n) L. 5 de J. et J. (1. 1.). Zwar
nennt die hier excerpirte Stelle
nur das Jus gentium, aber mit
so sichtbarer Rücksicht auf das
früher vorhandene Jus naturale
(was er ohne Zweifel unmittel-
bar vorher genannt hatte), daß
wir unbedenklich eine völlige Über-
einstimmung mit Ulpian anneh-
men können. Auch habe ich die
im Text gegebene Darstellung der
ganzen Ansicht großentheils aus
dieser Stelle geschöpft.
(o) L. 1 § 3 de J. et J. (1. 1.)
"jus istud ... omnium anima-
lium .. commune est."
Und nach-
her: "videmus etenim cetera
quoque animalia, feras etiam,
istius juris peritia censeri."
Jus naturale, gentium, civile.

Die dreygliedrige Eintheilung hat am vollſtändigſten
Ulpian (l): neben ihm Tryphonin (m) und Hermo-
genian
(n). Sie beruht auf folgender Anſicht. Es gab
eine Zeit, worin die Menſchen nur diejenigen Verhält-
niſſe unter ſich anerkannten, welche ihnen mit den Thieren
gemein ſind: das der Geſchlechter, und das der Fortpflan-
zung und Erziehung. Darauf folgte ein zweytes Zeital-
ter, welches Staaten gründete, Sklaverey, Privateigen-
thum, Obligationen einführte, und zwar unter allen Men-
ſchen auf gleiche Weiſe. Zuletzt bildete ſich in jedem ein-
zelnen Staate das Recht auf eigenthümliche Weiſe aus,
theils durch abweichende Beſtimmung jener allgemeinen In-
ſtitute, theils durch neu hinzugefügte Inſtitute.

Das erſte, was an dieſer Eintheilung auffällt, und
weshalb man ſie oft hart getadelt hat, iſt das den Thie-
ren zugeſchriebene Recht und Rechtsbewußtſeyn (o). Allein

(l) L. 1 § 2. 3. 4. L. 4. L. 6
pr. de J. et J.
(1. 1.).
(m) L. 64 de cond. indeb.
(12. 6.), über die Entſtehung
der Sklaverey, ganz mit Ulpian
übereinſtimmend. Weniger be-
ſtimmt iſt L. 31 pr. depos. (16. 3.).
„Si tantum naturale et gentium
jus intuemur,”
wo das naturale
et gentium
auch ſo verſtanden
werden kann: naturale id est
gentium,
ja wo ein Unterſchied
beider Rechte ſelbſt nach dieſer
Anſicht nicht paſſen würde.
(n) L. 5 de J. et J. (1. 1.). Zwar
nennt die hier excerpirte Stelle
nur das Jus gentium, aber mit
ſo ſichtbarer Rückſicht auf das
früher vorhandene Jus naturale
(was er ohne Zweifel unmittel-
bar vorher genannt hatte), daß
wir unbedenklich eine völlige Über-
einſtimmung mit Ulpian anneh-
men können. Auch habe ich die
im Text gegebene Darſtellung der
ganzen Anſicht großentheils aus
dieſer Stelle geſchöpft.
(o) L. 1 § 3 de J. et J. (1. 1.)
„jus istud … omnium anima-
lium .. commune est.”
Und nach-
her: „videmus etenim cetera
quoque animalia, feras etiam,
istius juris peritia censeri.”
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[415/0471] Jus naturale, gentium, civile. Die dreygliedrige Eintheilung hat am vollſtändigſten Ulpian (l): neben ihm Tryphonin (m) und Hermo- genian (n). Sie beruht auf folgender Anſicht. Es gab eine Zeit, worin die Menſchen nur diejenigen Verhält- niſſe unter ſich anerkannten, welche ihnen mit den Thieren gemein ſind: das der Geſchlechter, und das der Fortpflan- zung und Erziehung. Darauf folgte ein zweytes Zeital- ter, welches Staaten gründete, Sklaverey, Privateigen- thum, Obligationen einführte, und zwar unter allen Men- ſchen auf gleiche Weiſe. Zuletzt bildete ſich in jedem ein- zelnen Staate das Recht auf eigenthümliche Weiſe aus, theils durch abweichende Beſtimmung jener allgemeinen In- ſtitute, theils durch neu hinzugefügte Inſtitute. Das erſte, was an dieſer Eintheilung auffällt, und weshalb man ſie oft hart getadelt hat, iſt das den Thie- ren zugeſchriebene Recht und Rechtsbewußtſeyn (o). Allein (l) L. 1 § 2. 3. 4. L. 4. L. 6 pr. de J. et J. (1. 1.). (m) L. 64 de cond. indeb. (12. 6.), über die Entſtehung der Sklaverey, ganz mit Ulpian übereinſtimmend. Weniger be- ſtimmt iſt L. 31 pr. depos. (16. 3.). „Si tantum naturale et gentium jus intuemur,” wo das naturale et gentium auch ſo verſtanden werden kann: naturale id est gentium, ja wo ein Unterſchied beider Rechte ſelbſt nach dieſer Anſicht nicht paſſen würde. (n) L. 5 de J. et J. (1. 1.). Zwar nennt die hier excerpirte Stelle nur das Jus gentium, aber mit ſo ſichtbarer Rückſicht auf das früher vorhandene Jus naturale (was er ohne Zweifel unmittel- bar vorher genannt hatte), daß wir unbedenklich eine völlige Über- einſtimmung mit Ulpian anneh- men können. Auch habe ich die im Text gegebene Darſtellung der ganzen Anſicht großentheils aus dieſer Stelle geſchöpft. (o) L. 1 § 3 de J. et J. (1. 1.) „jus istud … omnium anima- lium .. commune est.” Und nach- her: „videmus etenim cetera quoque animalia, feras etiam, istius juris peritia censeri.”

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/471>, abgerufen am 21.11.2024.