Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 72. Anomalische Rechte. Lebensversorgung. (annuum, menstruum legatum) hat die Natur jedes ande-ren Geldlegats, da es dem Legatar, ganz verschieden von den Alimenten, die freyeste Verfügung über die jedesmalige Geldsumme giebt. Daher gehört es nicht zu unsren anoma- lischen Rechten, und ein Sklave war dazu nicht fähig (g). Dennoch wird auch von einem solchen Legat gesagt, daß es durch capitis deminutio nicht untergehe (h). Dieses aber hat einen ganz andren Grund, als bey den Alimenten. Eine solche Jahresrente nämlich wurde betrachtet als ob es verschiedene, von einander unabhängige Legate wären, und deswegen sollte z. B. die Emancipation des Legatars demselben nicht den Anspruch auf das künftige, noch gar nicht deferirte Legat entziehen (i). Der Fall wurde als ganz gleichartig behandelt mit dem eines Ususfructus, wel- (g) Nach L. 3 de his quae pro non scr. (Note d) ist Alles ungültig, was dem servus poenae außer den Alimenten legirt wird; also auch das annuum le- gatum. -- Eben so muß in dem Fall der L. 16 de ann. leg. (Note e) das annuum legatum erst in ein Alimentenlegat ver- wandelt werden, um auf den Sklaven anwendbar zu seyn. (h) L. 10 de cap. min. (4. 5.). L. 8 L. 4 de ann. leg. (33.1.) (i) Ob nicht zuweilen selbst von
den Römischen Juristen dieser Un- terschied übersehen worden ist, mag dahin gestellt bleiben. Man könnte es glauben nach L. 10 de cap. min. (4. 5.) "Legatum in annos singulos, vel menses singulos relictum, vel si habitatio lege- tur, ... capitis deminutione ... interveniente perseverat, quia tale legatum in facto potius quam in jure consistit." Dieser Grund bezeichnet recht eigentlich unsre anomalischen Rechte (§ 71). Er paßt auch in der That, wie sich sogleich zeigen wird, auf die habitatio, und würde eben so auf ein Alimentenlegat gepaßt ha- ben, auf das annuum legatum paßt er nicht. Ob aber wirklich den alten Juristen deshalb ein Vorwurf trifft, läßt sich nicht be- stimmt behaupten, da dieser Schein vielleicht nur aus der Art entstan- den ist, wie das Excerpt aus sei- nem Zusammenhang abgetrennt wurde. §. 72. Anomaliſche Rechte. Lebensverſorgung. (annuum, menstruum legatum) hat die Natur jedes ande-ren Geldlegats, da es dem Legatar, ganz verſchieden von den Alimenten, die freyeſte Verfügung über die jedesmalige Geldſumme giebt. Daher gehört es nicht zu unſren anoma- liſchen Rechten, und ein Sklave war dazu nicht fähig (g). Dennoch wird auch von einem ſolchen Legat geſagt, daß es durch capitis deminutio nicht untergehe (h). Dieſes aber hat einen ganz andren Grund, als bey den Alimenten. Eine ſolche Jahresrente nämlich wurde betrachtet als ob es verſchiedene, von einander unabhängige Legate wären, und deswegen ſollte z. B. die Emancipation des Legatars demſelben nicht den Anſpruch auf das künftige, noch gar nicht deferirte Legat entziehen (i). Der Fall wurde als ganz gleichartig behandelt mit dem eines Uſusfructus, wel- (g) Nach L. 3 de his quae pro non scr. (Note d) iſt Alles ungültig, was dem servus poenae außer den Alimenten legirt wird; alſo auch das annuum le- gatum. — Eben ſo muß in dem Fall der L. 16 de ann. leg. (Note e) das annuum legatum erſt in ein Alimentenlegat ver- wandelt werden, um auf den Sklaven anwendbar zu ſeyn. (h) L. 10 de cap. min. (4. 5.). L. 8 L. 4 de ann. leg. (33.1.) (i) Ob nicht zuweilen ſelbſt von
den Römiſchen Juriſten dieſer Un- terſchied überſehen worden iſt, mag dahin geſtellt bleiben. Man könnte es glauben nach L. 10 de cap. min. (4. 5.) „Legatum in annos singulos, vel menses singulos relictum, vel si habitatio lege- tur, … capitis deminutione … interveniente perseverat, quia tale legatum in facto potius quam in jure consistit.” Dieſer Grund bezeichnet recht eigentlich unſre anomaliſchen Rechte (§ 71). Er paßt auch in der That, wie ſich ſogleich zeigen wird, auf die habitatio, und würde eben ſo auf ein Alimentenlegat gepaßt ha- ben, auf das annuum legatum paßt er nicht. Ob aber wirklich den alten Juriſten deshalb ein Vorwurf trifft, läßt ſich nicht be- ſtimmt behaupten, da dieſer Schein vielleicht nur aus der Art entſtan- den iſt, wie das Excerpt aus ſei- nem Zuſammenhang abgetrennt wurde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0123" n="109"/><fw place="top" type="header">§. 72. Anomaliſche Rechte. Lebensverſorgung.</fw><lb/> (<hi rendition="#aq">annuum, menstruum legatum</hi>) hat die Natur jedes ande-<lb/> ren Geldlegats, da es dem Legatar, ganz verſchieden von<lb/> den Alimenten, die freyeſte Verfügung über die jedesmalige<lb/> Geldſumme giebt. Daher gehört es nicht zu unſren anoma-<lb/> liſchen Rechten, und ein Sklave war dazu nicht fähig <note place="foot" n="(g)">Nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3 <hi rendition="#i">de his quae<lb/> pro non scr.</hi></hi> (Note <hi rendition="#aq">d</hi>) iſt <hi rendition="#g">Alles</hi><lb/> ungültig, was dem <hi rendition="#aq">servus poenae</hi><lb/><hi rendition="#g">außer den Alimenten</hi> legirt<lb/> wird; alſo auch das <hi rendition="#aq">annuum le-<lb/> gatum.</hi> — Eben ſo muß in dem<lb/> Fall der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 16 <hi rendition="#i">de ann. leg.</hi></hi><lb/> (Note <hi rendition="#aq">e</hi>) das <hi rendition="#aq">annuum legatum</hi><lb/> erſt in ein Alimentenlegat ver-<lb/> wandelt werden, um auf den<lb/> Sklaven anwendbar zu ſeyn.</note>.<lb/> Dennoch wird auch von einem ſolchen Legat geſagt, daß<lb/> es durch <hi rendition="#aq">capitis deminutio</hi> nicht untergehe <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 10 <hi rendition="#i">de cap. min.</hi> (4. 5.).<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 8 <hi rendition="#i">L.</hi> 4 <hi rendition="#i">de ann. leg.</hi></hi> (33.1.)</note>. Dieſes aber<lb/> hat einen ganz andren Grund, als bey den Alimenten.<lb/> Eine ſolche Jahresrente nämlich wurde betrachtet als ob<lb/> es verſchiedene, von einander unabhängige Legate wären,<lb/> und deswegen ſollte z. B. die Emancipation des Legatars<lb/> demſelben nicht den Anſpruch auf das künftige, noch gar<lb/> nicht deferirte Legat entziehen <note place="foot" n="(i)">Ob nicht zuweilen ſelbſt von<lb/> den Römiſchen Juriſten dieſer Un-<lb/> terſchied überſehen worden iſt, mag<lb/> dahin geſtellt bleiben. Man könnte<lb/> es glauben nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 10 <hi rendition="#i">de cap.<lb/> min.</hi> (4. 5.) „Legatum in annos<lb/> singulos, vel menses singulos<lb/> relictum, vel si habitatio lege-<lb/> tur, … capitis deminutione …<lb/> interveniente perseverat, <hi rendition="#i">quia<lb/> tale legatum in facto potius<lb/> quam in jure consistit.”</hi></hi> Dieſer<lb/> Grund bezeichnet recht eigentlich<lb/> unſre anomaliſchen Rechte (§ 71).<lb/> Er paßt auch in der That, wie<lb/> ſich ſogleich zeigen wird, auf die<lb/><hi rendition="#aq">habitatio,</hi> und würde eben ſo<lb/> auf ein Alimentenlegat gepaßt ha-<lb/> ben, auf das <hi rendition="#aq">annuum legatum</hi><lb/> paßt er nicht. Ob aber wirklich<lb/> den alten Juriſten deshalb ein<lb/> Vorwurf trifft, läßt ſich nicht be-<lb/> ſtimmt behaupten, da dieſer Schein<lb/> vielleicht nur aus der Art entſtan-<lb/> den iſt, wie das Excerpt aus ſei-<lb/> nem Zuſammenhang abgetrennt<lb/> wurde.</note>. Der Fall wurde als<lb/> ganz gleichartig behandelt mit dem eines Uſusfructus, wel-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0123]
§. 72. Anomaliſche Rechte. Lebensverſorgung.
(annuum, menstruum legatum) hat die Natur jedes ande-
ren Geldlegats, da es dem Legatar, ganz verſchieden von
den Alimenten, die freyeſte Verfügung über die jedesmalige
Geldſumme giebt. Daher gehört es nicht zu unſren anoma-
liſchen Rechten, und ein Sklave war dazu nicht fähig (g).
Dennoch wird auch von einem ſolchen Legat geſagt, daß
es durch capitis deminutio nicht untergehe (h). Dieſes aber
hat einen ganz andren Grund, als bey den Alimenten.
Eine ſolche Jahresrente nämlich wurde betrachtet als ob
es verſchiedene, von einander unabhängige Legate wären,
und deswegen ſollte z. B. die Emancipation des Legatars
demſelben nicht den Anſpruch auf das künftige, noch gar
nicht deferirte Legat entziehen (i). Der Fall wurde als
ganz gleichartig behandelt mit dem eines Uſusfructus, wel-
(g) Nach L. 3 de his quae
pro non scr. (Note d) iſt Alles
ungültig, was dem servus poenae
außer den Alimenten legirt
wird; alſo auch das annuum le-
gatum. — Eben ſo muß in dem
Fall der L. 16 de ann. leg.
(Note e) das annuum legatum
erſt in ein Alimentenlegat ver-
wandelt werden, um auf den
Sklaven anwendbar zu ſeyn.
(h) L. 10 de cap. min. (4. 5.).
L. 8 L. 4 de ann. leg. (33.1.)
(i) Ob nicht zuweilen ſelbſt von
den Römiſchen Juriſten dieſer Un-
terſchied überſehen worden iſt, mag
dahin geſtellt bleiben. Man könnte
es glauben nach L. 10 de cap.
min. (4. 5.) „Legatum in annos
singulos, vel menses singulos
relictum, vel si habitatio lege-
tur, … capitis deminutione …
interveniente perseverat, quia
tale legatum in facto potius
quam in jure consistit.” Dieſer
Grund bezeichnet recht eigentlich
unſre anomaliſchen Rechte (§ 71).
Er paßt auch in der That, wie
ſich ſogleich zeigen wird, auf die
habitatio, und würde eben ſo
auf ein Alimentenlegat gepaßt ha-
ben, auf das annuum legatum
paßt er nicht. Ob aber wirklich
den alten Juriſten deshalb ein
Vorwurf trifft, läßt ſich nicht be-
ſtimmt behaupten, da dieſer Schein
vielleicht nur aus der Art entſtan-
den iſt, wie das Excerpt aus ſei-
nem Zuſammenhang abgetrennt
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/123>, abgerufen am 16.02.2025. |