Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 82. Infamie. Nebenwirkungen. Procurator zu ernennen, welche Beschränkung gleichfallsJustinian aufhebt. Das mag seinen Grund etwa darin gehabt haben, daß der Beklagte die Unzuverlässigkeit des ehrlosen Klägers mit mehr Erfolg für sich geltend machen konnte, wenn dieser persönlich vor Gericht erschien. Die Amtswürde der Obrigkeit hatte dabey kein Interesse, und es war ihr daher nicht, wie bey der vorhergehenden Ein- schränkung, überlassen, den von einem Infamen ernann- ten Procurator von Amtswegen zurück zu weisen. Daher mußte denn mit der Aufhebung dieser zweyten procurato- ria exceptio zugleich auch der ganze ihr zum Grund lie- gende Rechtssatz völlig verschwinden: hierin liegt der na- türliche Grund, warum sich in den übrigen Theilen der Justinianischen Rechtsbücher keine Spur dieser zweyten Einschränkung erhalten hat. Sehr wichtig war dieselbe im älteren Recht, indem dadurch der Infame verhindert wurde, irgend eine ihm zustehende Schuldforderung zu veräußern, welches damals nur durch eine förmliche Ces- sion, also nur durch die Bestellung eines Procurators oder Cognitors, geschehen konnte. 2) Die zweyte privatrechtliche Wirkung der Infamie (i) Die vollständige Darstellung dieser Sätze, durch Quellenzeug-
§. 82. Infamie. Nebenwirkungen. Procurator zu ernennen, welche Beſchränkung gleichfallsJuſtinian aufhebt. Das mag ſeinen Grund etwa darin gehabt haben, daß der Beklagte die Unzuverläſſigkeit des ehrloſen Klägers mit mehr Erfolg für ſich geltend machen konnte, wenn dieſer perſönlich vor Gericht erſchien. Die Amtswürde der Obrigkeit hatte dabey kein Intereſſe, und es war ihr daher nicht, wie bey der vorhergehenden Ein- ſchränkung, überlaſſen, den von einem Infamen ernann- ten Procurator von Amtswegen zurück zu weiſen. Daher mußte denn mit der Aufhebung dieſer zweyten procurato- ria exceptio zugleich auch der ganze ihr zum Grund lie- gende Rechtsſatz völlig verſchwinden: hierin liegt der na- türliche Grund, warum ſich in den übrigen Theilen der Juſtinianiſchen Rechtsbücher keine Spur dieſer zweyten Einſchränkung erhalten hat. Sehr wichtig war dieſelbe im älteren Recht, indem dadurch der Infame verhindert wurde, irgend eine ihm zuſtehende Schuldforderung zu veräußern, welches damals nur durch eine foͤrmliche Ceſ- ſion, alſo nur durch die Beſtellung eines Procurators oder Cognitors, geſchehen konnte. 2) Die zweyte privatrechtliche Wirkung der Infamie (i) Die vollſtändige Darſtellung dieſer Sätze, durch Quellenzeug-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0233" n="219"/><fw place="top" type="header">§. 82. Infamie. Nebenwirkungen.</fw><lb/> Procurator zu ernennen, welche Beſchränkung gleichfalls<lb/> Juſtinian aufhebt. Das mag ſeinen Grund etwa darin<lb/> gehabt haben, daß der Beklagte die Unzuverläſſigkeit des<lb/> ehrloſen Klägers mit mehr Erfolg für ſich geltend machen<lb/> konnte, wenn dieſer perſönlich vor Gericht erſchien. Die<lb/> Amtswürde der Obrigkeit hatte dabey kein Intereſſe, und<lb/> es war ihr daher nicht, wie bey der vorhergehenden Ein-<lb/> ſchränkung, überlaſſen, den von einem Infamen ernann-<lb/> ten Procurator von Amtswegen zurück zu weiſen. Daher<lb/> mußte denn mit der Aufhebung dieſer zweyten <hi rendition="#aq">procurato-<lb/> ria exceptio</hi> zugleich auch der ganze ihr zum Grund lie-<lb/> gende Rechtsſatz völlig verſchwinden: hierin liegt der na-<lb/> türliche Grund, warum ſich in den übrigen Theilen der<lb/> Juſtinianiſchen Rechtsbücher keine Spur dieſer zweyten<lb/> Einſchränkung erhalten hat. Sehr wichtig war dieſelbe<lb/> im älteren Recht, indem dadurch der Infame verhindert<lb/> wurde, irgend eine ihm zuſtehende Schuldforderung zu<lb/> veräußern, welches damals nur durch eine foͤrmliche Ceſ-<lb/> ſion, alſo nur durch die Beſtellung eines Procurators oder<lb/> Cognitors, geſchehen konnte.</p><lb/> <p>2) Die <hi rendition="#g">zweyte</hi> privatrechtliche Wirkung der Infamie<lb/> beſtand in einer Beſchränkung der Fähigkeit zur Ehe. Dem<lb/> älteren Recht war dieſelbe fremd, die <hi rendition="#aq">Lex Julia</hi> legte dazu<lb/> den Grund, aber erſt die Interpretation der Juriſten<lb/> brachte ſie zur Ausbildung <note xml:id="seg2pn_44_1" next="#seg2pn_44_2" place="foot" n="(i)">Die vollſtändige Darſtellung dieſer Sätze, durch Quellenzeug-</note>. Der Entwicklungsgang<lb/> dieſes Rechtsſatzes war aber folgender.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0233]
§. 82. Infamie. Nebenwirkungen.
Procurator zu ernennen, welche Beſchränkung gleichfalls
Juſtinian aufhebt. Das mag ſeinen Grund etwa darin
gehabt haben, daß der Beklagte die Unzuverläſſigkeit des
ehrloſen Klägers mit mehr Erfolg für ſich geltend machen
konnte, wenn dieſer perſönlich vor Gericht erſchien. Die
Amtswürde der Obrigkeit hatte dabey kein Intereſſe, und
es war ihr daher nicht, wie bey der vorhergehenden Ein-
ſchränkung, überlaſſen, den von einem Infamen ernann-
ten Procurator von Amtswegen zurück zu weiſen. Daher
mußte denn mit der Aufhebung dieſer zweyten procurato-
ria exceptio zugleich auch der ganze ihr zum Grund lie-
gende Rechtsſatz völlig verſchwinden: hierin liegt der na-
türliche Grund, warum ſich in den übrigen Theilen der
Juſtinianiſchen Rechtsbücher keine Spur dieſer zweyten
Einſchränkung erhalten hat. Sehr wichtig war dieſelbe
im älteren Recht, indem dadurch der Infame verhindert
wurde, irgend eine ihm zuſtehende Schuldforderung zu
veräußern, welches damals nur durch eine foͤrmliche Ceſ-
ſion, alſo nur durch die Beſtellung eines Procurators oder
Cognitors, geſchehen konnte.
2) Die zweyte privatrechtliche Wirkung der Infamie
beſtand in einer Beſchränkung der Fähigkeit zur Ehe. Dem
älteren Recht war dieſelbe fremd, die Lex Julia legte dazu
den Grund, aber erſt die Interpretation der Juriſten
brachte ſie zur Ausbildung (i). Der Entwicklungsgang
dieſes Rechtsſatzes war aber folgender.
(i) Die vollſtändige Darſtellung dieſer Sätze, durch Quellenzeug-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |