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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 84. Einschränkung der Rechtsfähigkeit durch Religion.
bald alle, so daß also der Name Apostata, wie es Ver-
anlassung und Bedürfniß gerade mit sich brachte, in ver-
schiedenen Bedeutungen gebraucht wurde. Hier, wie bey
der Ketzerey, kam häufig die Beschränkung der Rechts-
fähigkeit vor, und besonders das Verbot Erbe zu werden
und zu testiren (e).

Von allen diesen Bestimmungen ist in dem heutigen
Römischen Recht, und namentlich in dem gemeinen Recht
von Deutschland, nur eine einzige übrig geblieben: das
Eheverbot zwischen Juden und Christen. Heiden, so wie
Ketzer im Sinn der Römischen Kaisergesetze, also auch
Apostaten in dieser Beziehung, sind in unsren Staaten
nicht mehr vorhanden, so daß insofern selbst die Möglich-
keit der Anwendung fehlen würde. Eine solche Unmög-
lichkeit läßt sich für die Apostasie zum Judenthum aller-
dings nicht behaupten: dennoch wird schwerlich Jemand
die Anwendung der Römischen Gesetze auf diesen Fall,
vom Standpunkt des heutigen Römischen Rechts aus, in
Schutz nehmen.

Andere Gegensätze haben seit der Reformation Europa
entzweyt, und hier sind ähnliche Härten und Ausschlie-
ßungen, wie jene Römischen, erfolgt, je nachdem die eine
oder andere Partey siegreich wurde. In Deutschland allein
kam es schon sehr früh zu einem gewissen Gleichgewicht,
welches in festen, gesetzlichen Regeln ausgebildet wurde.

(e) L. 2. 3. 4 C. de apost. (1. 7.). L. 1. 2. 4. 7 C. Th. de apost.
(16. 7.).

§. 84. Einſchränkung der Rechtsfähigkeit durch Religion.
bald alle, ſo daß alſo der Name Apostata, wie es Ver-
anlaſſung und Bedürfniß gerade mit ſich brachte, in ver-
ſchiedenen Bedeutungen gebraucht wurde. Hier, wie bey
der Ketzerey, kam häufig die Beſchränkung der Rechts-
fähigkeit vor, und beſonders das Verbot Erbe zu werden
und zu teſtiren (e).

Von allen dieſen Beſtimmungen iſt in dem heutigen
Römiſchen Recht, und namentlich in dem gemeinen Recht
von Deutſchland, nur eine einzige übrig geblieben: das
Eheverbot zwiſchen Juden und Chriſten. Heiden, ſo wie
Ketzer im Sinn der Römiſchen Kaiſergeſetze, alſo auch
Apoſtaten in dieſer Beziehung, ſind in unſren Staaten
nicht mehr vorhanden, ſo daß inſofern ſelbſt die Möglich-
keit der Anwendung fehlen würde. Eine ſolche Unmoͤg-
lichkeit läßt ſich für die Apoſtaſie zum Judenthum aller-
dings nicht behaupten: dennoch wird ſchwerlich Jemand
die Anwendung der Römiſchen Geſetze auf dieſen Fall,
vom Standpunkt des heutigen Römiſchen Rechts aus, in
Schutz nehmen.

Andere Gegenſätze haben ſeit der Reformation Europa
entzweyt, und hier ſind ähnliche Härten und Ausſchlie-
ßungen, wie jene Römiſchen, erfolgt, je nachdem die eine
oder andere Partey ſiegreich wurde. In Deutſchland allein
kam es ſchon ſehr früh zu einem gewiſſen Gleichgewicht,
welches in feſten, geſetzlichen Regeln ausgebildet wurde.

(e) L. 2. 3. 4 C. de apost. (1. 7.). L. 1. 2. 4. 7 C. Th. de apost.
(16. 7.).
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[233/0247] §. 84. Einſchränkung der Rechtsfähigkeit durch Religion. bald alle, ſo daß alſo der Name Apostata, wie es Ver- anlaſſung und Bedürfniß gerade mit ſich brachte, in ver- ſchiedenen Bedeutungen gebraucht wurde. Hier, wie bey der Ketzerey, kam häufig die Beſchränkung der Rechts- fähigkeit vor, und beſonders das Verbot Erbe zu werden und zu teſtiren (e). Von allen dieſen Beſtimmungen iſt in dem heutigen Römiſchen Recht, und namentlich in dem gemeinen Recht von Deutſchland, nur eine einzige übrig geblieben: das Eheverbot zwiſchen Juden und Chriſten. Heiden, ſo wie Ketzer im Sinn der Römiſchen Kaiſergeſetze, alſo auch Apoſtaten in dieſer Beziehung, ſind in unſren Staaten nicht mehr vorhanden, ſo daß inſofern ſelbſt die Möglich- keit der Anwendung fehlen würde. Eine ſolche Unmoͤg- lichkeit läßt ſich für die Apoſtaſie zum Judenthum aller- dings nicht behaupten: dennoch wird ſchwerlich Jemand die Anwendung der Römiſchen Geſetze auf dieſen Fall, vom Standpunkt des heutigen Römiſchen Rechts aus, in Schutz nehmen. Andere Gegenſätze haben ſeit der Reformation Europa entzweyt, und hier ſind ähnliche Härten und Ausſchlie- ßungen, wie jene Römiſchen, erfolgt, je nachdem die eine oder andere Partey ſiegreich wurde. In Deutſchland allein kam es ſchon ſehr früh zu einem gewiſſen Gleichgewicht, welches in feſten, geſetzlichen Regeln ausgebildet wurde. (e) L. 2. 3. 4 C. de apost. (1. 7.). L. 1. 2. 4. 7 C. Th. de apost. (16. 7.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/247>, abgerufen am 21.11.2024.