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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
davon ist, daß durch den Wechsel einzelner, ja selbst aller,
individuellen Mitglieder das Wesen und die Einheit der
Corporation nicht afficirt wird (a).

Die zweyten pflegt man mit dem allgemeinen Namen
Stiftungen zu bezeichnen. Die hauptsächlichsten Zwecke
derselben bestehen in: Religionsübung (wohin die höchst
mannichfaltigen kirchlichen Institute gehören), Geistesbil-
dung, Wohlthätigkeit (b).

Auch hier aber finden sich nicht selten Übergänge, die
eine scharfe Begränzung beider Klassen ausschließen; ja
sogar Institute derselben Art haben in verschiedenen Zei-
ten bald der einen, bald der anderen Klasse angehört.
So z. B. sind die Domkapitel und Chorherrenstifter zwar

(a) L. 7 § 2 quod cuj. un.
(3. 4.). "In decurionibus vel
aliis universitatibus nihil re-
fert, utrum omnes iidem ma-
neant, an pars maneat, vel om-
nes immutati sint."
Das iidem
ist eine ganz unbedenkliche Emen-
dation von Jensius stricturae
p. 12 ed. L. B.
1764; Handschrif-
ten und Ausgaben lesen idem.
Noch vollständiger entwickelt fin-
det sich derselbe Satz in L. 76
de jud.
(5. 1.), obgleich nicht in
Anwendung auf juristische Per-
sonen, sondern auf mehrere für
dieselbe Rechtssache ernannte ju-
dices,
deren individuelle Erneue-
rung kein Grund seyn soll, es für
ein anderes judicium zu halten.
(b) Wie unpassend es ist, den
Namen der Corporationen für
alle juristische Personen zu ge-
brauchen, läßt sich leicht an man-
chen Stiftungen recht auffallend
wahrnehmen. Wollte man z. B.
ein Hospital als eine Corporation
ansehen, wer wären denn die ein-
zelnen Mitglieder, deren collective
Einheit als Subject des Vermö-
gens betrachtet werden könnte?
Die in dem Hospital verpflegten
Kranken gewiß nicht, denn diese
sind blos Gegenstände der Wohl-
thätigkeit, nicht Theilhaber an
dem Vermögen der Anstalt. Das
wahre Subject der Rechte ist also
ein als Person anerkannter Be-
griff, nämlich der Zweck der Men-
schenliebe, der an diesem Orte,
auf bestimmte Weise, durch be-
stimmte Mittel, erreicht wer-
den soll.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
davon iſt, daß durch den Wechſel einzelner, ja ſelbſt aller,
individuellen Mitglieder das Weſen und die Einheit der
Corporation nicht afficirt wird (a).

Die zweyten pflegt man mit dem allgemeinen Namen
Stiftungen zu bezeichnen. Die hauptſächlichſten Zwecke
derſelben beſtehen in: Religionsübung (wohin die hoͤchſt
mannichfaltigen kirchlichen Inſtitute gehören), Geiſtesbil-
dung, Wohlthätigkeit (b).

Auch hier aber finden ſich nicht ſelten Übergänge, die
eine ſcharfe Begränzung beider Klaſſen ausſchließen; ja
ſogar Inſtitute derſelben Art haben in verſchiedenen Zei-
ten bald der einen, bald der anderen Klaſſe angehoͤrt.
So z. B. ſind die Domkapitel und Chorherrenſtifter zwar

(a) L. 7 § 2 quod cuj. un.
(3. 4.). „In decurionibus vel
aliis universitatibus nihil re-
fert, utrum omnes iidem ma-
neant, an pars maneat, vel om-
nes immutati sint.”
Das iidem
iſt eine ganz unbedenkliche Emen-
dation von Jensius stricturae
p. 12 ed. L. B.
1764; Handſchrif-
ten und Ausgaben leſen idem.
Noch vollſtändiger entwickelt fin-
det ſich derſelbe Satz in L. 76
de jud.
(5. 1.), obgleich nicht in
Anwendung auf juriſtiſche Per-
ſonen, ſondern auf mehrere für
dieſelbe Rechtsſache ernannte ju-
dices,
deren individuelle Erneue-
rung kein Grund ſeyn ſoll, es für
ein anderes judicium zu halten.
(b) Wie unpaſſend es iſt, den
Namen der Corporationen für
alle juriſtiſche Perſonen zu ge-
brauchen, läßt ſich leicht an man-
chen Stiftungen recht auffallend
wahrnehmen. Wollte man z. B.
ein Hoſpital als eine Corporation
anſehen, wer wären denn die ein-
zelnen Mitglieder, deren collective
Einheit als Subject des Vermö-
gens betrachtet werden könnte?
Die in dem Hoſpital verpflegten
Kranken gewiß nicht, denn dieſe
ſind blos Gegenſtände der Wohl-
thätigkeit, nicht Theilhaber an
dem Vermögen der Anſtalt. Das
wahre Subject der Rechte iſt alſo
ein als Perſon anerkannter Be-
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auf beſtimmte Weiſe, durch be-
ſtimmte Mittel, erreicht wer-
den ſoll.
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[244/0258] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. davon iſt, daß durch den Wechſel einzelner, ja ſelbſt aller, individuellen Mitglieder das Weſen und die Einheit der Corporation nicht afficirt wird (a). Die zweyten pflegt man mit dem allgemeinen Namen Stiftungen zu bezeichnen. Die hauptſächlichſten Zwecke derſelben beſtehen in: Religionsübung (wohin die hoͤchſt mannichfaltigen kirchlichen Inſtitute gehören), Geiſtesbil- dung, Wohlthätigkeit (b). Auch hier aber finden ſich nicht ſelten Übergänge, die eine ſcharfe Begränzung beider Klaſſen ausſchließen; ja ſogar Inſtitute derſelben Art haben in verſchiedenen Zei- ten bald der einen, bald der anderen Klaſſe angehoͤrt. So z. B. ſind die Domkapitel und Chorherrenſtifter zwar (a) L. 7 § 2 quod cuj. un. (3. 4.). „In decurionibus vel aliis universitatibus nihil re- fert, utrum omnes iidem ma- neant, an pars maneat, vel om- nes immutati sint.” Das iidem iſt eine ganz unbedenkliche Emen- dation von Jensius stricturae p. 12 ed. L. B. 1764; Handſchrif- ten und Ausgaben leſen idem. Noch vollſtändiger entwickelt fin- det ſich derſelbe Satz in L. 76 de jud. (5. 1.), obgleich nicht in Anwendung auf juriſtiſche Per- ſonen, ſondern auf mehrere für dieſelbe Rechtsſache ernannte ju- dices, deren individuelle Erneue- rung kein Grund ſeyn ſoll, es für ein anderes judicium zu halten. (b) Wie unpaſſend es iſt, den Namen der Corporationen für alle juriſtiſche Perſonen zu ge- brauchen, läßt ſich leicht an man- chen Stiftungen recht auffallend wahrnehmen. Wollte man z. B. ein Hoſpital als eine Corporation anſehen, wer wären denn die ein- zelnen Mitglieder, deren collective Einheit als Subject des Vermö- gens betrachtet werden könnte? Die in dem Hoſpital verpflegten Kranken gewiß nicht, denn dieſe ſind blos Gegenſtände der Wohl- thätigkeit, nicht Theilhaber an dem Vermögen der Anſtalt. Das wahre Subject der Rechte iſt alſo ein als Perſon anerkannter Be- griff, nämlich der Zweck der Men- ſchenliebe, der an dieſem Orte, auf beſtimmte Weiſe, durch be- ſtimmte Mittel, erreicht wer- den ſoll.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/258>, abgerufen am 21.11.2024.