Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. ses Alles hat man nicht selten von einer allgemeinen Auf-hebung aller Corporationen verstanden; allein Niemand dachte daran, z. B. die uralten Handwerkerzünfte, oder gar die Priestercollegien zu verbieten. Man meynte die factiösen, politisch gefährlichen Clubbs, und fand vielleicht eine genauere Bezeichnung des verbotenen Gegenstandes nicht nöthig, weil ohnehin jeder wußte, wovon die Rede fey (p). Es hatten aber jene Regeln unsrer Rechtsquel- len einen doppelten Sinn, der nur in den Worten nicht deutlich unterschieden wird: erstlich, daß überhaupt ein Verein nicht ohne öffentliche Genehmigung zur juristischen Person werde, und dieser, noch in dem heutigen Recht bestehende wichtige Rechtssatz ist ganz unabhängig von dem unschuldigen oder bedenklichen Character des Vereins: zwey- wieder zurücknehmen, also unter sich vertheilen. L. 3 de coll. et corp. ".. permittitur eis, cum dissolvuntur, pecunias commu- nes, si quas habent, dividere" ... Mit Unrecht haben hieraus Man- che gefolgert, daß auch wenn eine Corporation wirklich bestanden habe, und nachher sich auflöse, ihr Vermögen stets unter die Mit- glieder vertheilt werden müsse; in dem Fall jener Stelle war blos die factische Vereinigung Einzel- ner dissolvirt worden, eine Cor- poration hatte niemals angefan- gen. Vgl. Marezoll in Grol- mans und Löhrs Magazin B. 4 S. 207. (p) Vgl. über das Geschichtli-
che dieser Verbote Dirksen S. 34 -- 47. -- Nach Asconius (Note n) könnte man glauben, daß nur einige wenige Collegieen von dem Verbot namentlich aus- genommen, die übrigen alle auf- gehoben worden wären. Zu buch- stäblich ist das aber wohl nicht zu nehmen, denn es ist kaum denk- bar, daß irgend eine der alten Handwerkszünfte verboten seyn sollte, von den Societäten der Zollpächter ist es noch unwahr- scheinlicher, und von den Prie- stercollegien (die doch auch unter den Buchstaben jener Erzählung fallen würden) ist es völlig un- denkbar. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. ſes Alles hat man nicht ſelten von einer allgemeinen Auf-hebung aller Corporationen verſtanden; allein Niemand dachte daran, z. B. die uralten Handwerkerzünfte, oder gar die Prieſtercollegien zu verbieten. Man meynte die factiöſen, politiſch gefährlichen Clubbs, und fand vielleicht eine genauere Bezeichnung des verbotenen Gegenſtandes nicht nöthig, weil ohnehin jeder wußte, wovon die Rede fey (p). Es hatten aber jene Regeln unſrer Rechtsquel- len einen doppelten Sinn, der nur in den Worten nicht deutlich unterſchieden wird: erſtlich, daß überhaupt ein Verein nicht ohne oͤffentliche Genehmigung zur juriſtiſchen Perſon werde, und dieſer, noch in dem heutigen Recht beſtehende wichtige Rechtsſatz iſt ganz unabhängig von dem unſchuldigen oder bedenklichen Character des Vereins: zwey- wieder zurücknehmen, alſo unter ſich vertheilen. L. 3 de coll. et corp. „.. permittitur eis, cum dissolvuntur, pecunias commu- nes, si quas habent, dividere” … Mit Unrecht haben hieraus Man- che gefolgert, daß auch wenn eine Corporation wirklich beſtanden habe, und nachher ſich auflöſe, ihr Vermögen ſtets unter die Mit- glieder vertheilt werden müſſe; in dem Fall jener Stelle war blos die factiſche Vereinigung Einzel- ner diſſolvirt worden, eine Cor- poration hatte niemals angefan- gen. Vgl. Marezoll in Grol- mans und Löhrs Magazin B. 4 S. 207. (p) Vgl. über das Geſchichtli-
che dieſer Verbote Dirkſen S. 34 — 47. — Nach Asconius (Note n) könnte man glauben, daß nur einige wenige Collegieen von dem Verbot namentlich aus- genommen, die übrigen alle auf- gehoben worden wären. Zu buch- ſtäblich iſt das aber wohl nicht zu nehmen, denn es iſt kaum denk- bar, daß irgend eine der alten Handwerkszünfte verboten ſeyn ſollte, von den Societäten der Zollpächter iſt es noch unwahr- ſcheinlicher, und von den Prie- ſtercollegien (die doch auch unter den Buchſtaben jener Erzählung fallen würden) iſt es völlig un- denkbar. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0272" n="258"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/> ſes Alles hat man nicht ſelten von einer allgemeinen Auf-<lb/> hebung aller Corporationen verſtanden; allein Niemand<lb/> dachte daran, z. B. die uralten Handwerkerzünfte, oder<lb/> gar die Prieſtercollegien zu verbieten. Man meynte die<lb/> factiöſen, politiſch gefährlichen Clubbs, und fand vielleicht<lb/> eine genauere Bezeichnung des verbotenen Gegenſtandes<lb/> nicht nöthig, weil ohnehin jeder wußte, wovon die Rede<lb/> fey <note place="foot" n="(p)">Vgl. über das Geſchichtli-<lb/> che dieſer Verbote <hi rendition="#g">Dirkſen</hi><lb/> S. 34 — 47. — Nach <hi rendition="#g">Asconius</hi><lb/> (Note <hi rendition="#aq">n</hi>) könnte man glauben,<lb/> daß nur einige wenige Collegieen<lb/> von dem Verbot namentlich aus-<lb/> genommen, die übrigen alle auf-<lb/> gehoben worden wären. Zu buch-<lb/> ſtäblich iſt das aber wohl nicht<lb/> zu nehmen, denn es iſt kaum denk-<lb/> bar, daß irgend eine der alten<lb/> Handwerkszünfte verboten ſeyn<lb/> ſollte, von den Societäten der<lb/> Zollpächter iſt es noch unwahr-<lb/> ſcheinlicher, und von den Prie-<lb/> ſtercollegien (die doch auch unter<lb/> den Buchſtaben jener Erzählung<lb/> fallen würden) iſt es völlig un-<lb/> denkbar.</note>. Es hatten aber jene Regeln unſrer Rechtsquel-<lb/> len einen doppelten Sinn, der nur in den Worten nicht<lb/> deutlich unterſchieden wird: erſtlich, daß überhaupt ein<lb/> Verein nicht ohne oͤffentliche Genehmigung zur juriſtiſchen<lb/> Perſon werde, und dieſer, noch in dem heutigen Recht<lb/> beſtehende wichtige Rechtsſatz iſt ganz unabhängig von dem<lb/> unſchuldigen oder bedenklichen Character des Vereins: zwey-<lb/><note xml:id="seg2pn_51_2" prev="#seg2pn_51_1" place="foot" n="(o)">wieder zurücknehmen, alſo unter<lb/> ſich vertheilen. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3 <hi rendition="#i">de coll. et<lb/> corp.</hi> „.. permittitur eis, cum<lb/> dissolvuntur, pecunias commu-<lb/> nes, si quas habent, dividere”</hi> …<lb/> Mit Unrecht haben hieraus Man-<lb/> che gefolgert, daß auch wenn eine<lb/> Corporation wirklich beſtanden<lb/> habe, und nachher ſich auflöſe,<lb/> ihr Vermögen ſtets unter die Mit-<lb/> glieder vertheilt werden müſſe; in<lb/> dem Fall jener Stelle war blos<lb/> die factiſche Vereinigung Einzel-<lb/> ner diſſolvirt worden, eine Cor-<lb/> poration hatte niemals angefan-<lb/> gen. Vgl. <hi rendition="#g">Marezoll</hi> in Grol-<lb/> mans und Löhrs Magazin B. 4<lb/> S. 207.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [258/0272]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
ſes Alles hat man nicht ſelten von einer allgemeinen Auf-
hebung aller Corporationen verſtanden; allein Niemand
dachte daran, z. B. die uralten Handwerkerzünfte, oder
gar die Prieſtercollegien zu verbieten. Man meynte die
factiöſen, politiſch gefährlichen Clubbs, und fand vielleicht
eine genauere Bezeichnung des verbotenen Gegenſtandes
nicht nöthig, weil ohnehin jeder wußte, wovon die Rede
fey (p). Es hatten aber jene Regeln unſrer Rechtsquel-
len einen doppelten Sinn, der nur in den Worten nicht
deutlich unterſchieden wird: erſtlich, daß überhaupt ein
Verein nicht ohne oͤffentliche Genehmigung zur juriſtiſchen
Perſon werde, und dieſer, noch in dem heutigen Recht
beſtehende wichtige Rechtsſatz iſt ganz unabhängig von dem
unſchuldigen oder bedenklichen Character des Vereins: zwey-
(o)
(p) Vgl. über das Geſchichtli-
che dieſer Verbote Dirkſen
S. 34 — 47. — Nach Asconius
(Note n) könnte man glauben,
daß nur einige wenige Collegieen
von dem Verbot namentlich aus-
genommen, die übrigen alle auf-
gehoben worden wären. Zu buch-
ſtäblich iſt das aber wohl nicht
zu nehmen, denn es iſt kaum denk-
bar, daß irgend eine der alten
Handwerkszünfte verboten ſeyn
ſollte, von den Societäten der
Zollpächter iſt es noch unwahr-
ſcheinlicher, und von den Prie-
ſtercollegien (die doch auch unter
den Buchſtaben jener Erzählung
fallen würden) iſt es völlig un-
denkbar.
(o) wieder zurücknehmen, alſo unter
ſich vertheilen. L. 3 de coll. et
corp. „.. permittitur eis, cum
dissolvuntur, pecunias commu-
nes, si quas habent, dividere” …
Mit Unrecht haben hieraus Man-
che gefolgert, daß auch wenn eine
Corporation wirklich beſtanden
habe, und nachher ſich auflöſe,
ihr Vermögen ſtets unter die Mit-
glieder vertheilt werden müſſe; in
dem Fall jener Stelle war blos
die factiſche Vereinigung Einzel-
ner diſſolvirt worden, eine Cor-
poration hatte niemals angefan-
gen. Vgl. Marezoll in Grol-
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