Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. tungen zu betrachten sind, gar nicht geändert; nur sindsie mannichfaltiger geworden, und haben eben dadurch eine andere Stellung zum Staate eingenommen. Anstatt daß sie im Justinianischen Recht lediglich als Mittel er- scheinen, die Armuth in ihren verschiedenen Gestalten zu mildern, sind sie seit dem Mittelalter großentheils auf die Befriedigung geistiger Bedürfnisse der verschiedensten Art gerichtet. Schon dadurch mußte das ausschließende Ver- hältniß der Stiftungen zur Kirche, wie wir es im Justi- nianischen Recht wahrnehmen, sehr beschränkt werden. Allein auch das Armenwesen ist zu einer wichtigen und ausgebildeten Thätigkeit des Staats geworden, so daß selbst der darauf gerichtete Theil der Stiftungen eine an- dere Stellung gegen Staat und Kirche eingenommen hat, als die welche in der Justinianischen Gesetzgebung erscheint. Aus diesem Allen geht hervor, daß auch im heutigen IV. Fiscus. -- Zur Zeit der Republik wurde der Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. tungen zu betrachten ſind, gar nicht geändert; nur ſindſie mannichfaltiger geworden, und haben eben dadurch eine andere Stellung zum Staate eingenommen. Anſtatt daß ſie im Juſtinianiſchen Recht lediglich als Mittel er- ſcheinen, die Armuth in ihren verſchiedenen Geſtalten zu mildern, ſind ſie ſeit dem Mittelalter großentheils auf die Befriedigung geiſtiger Bedürfniſſe der verſchiedenſten Art gerichtet. Schon dadurch mußte das ausſchließende Ver- hältniß der Stiftungen zur Kirche, wie wir es im Juſti- nianiſchen Recht wahrnehmen, ſehr beſchränkt werden. Allein auch das Armenweſen iſt zu einer wichtigen und ausgebildeten Thätigkeit des Staats geworden, ſo daß ſelbſt der darauf gerichtete Theil der Stiftungen eine an- dere Stellung gegen Staat und Kirche eingenommen hat, als die welche in der Juſtinianiſchen Geſetzgebung erſcheint. Aus dieſem Allen geht hervor, daß auch im heutigen IV. Fiscus. — Zur Zeit der Republik wurde der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0286" n="272"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/> tungen zu betrachten ſind, gar nicht geändert; nur ſind<lb/> ſie mannichfaltiger geworden, und haben eben dadurch<lb/> eine andere Stellung zum Staate eingenommen. Anſtatt<lb/> daß ſie im Juſtinianiſchen Recht lediglich als Mittel er-<lb/> ſcheinen, die Armuth in ihren verſchiedenen Geſtalten zu<lb/> mildern, ſind ſie ſeit dem Mittelalter großentheils auf die<lb/> Befriedigung geiſtiger Bedürfniſſe der verſchiedenſten Art<lb/> gerichtet. Schon dadurch mußte das ausſchließende Ver-<lb/> hältniß der Stiftungen zur Kirche, wie wir es im Juſti-<lb/> nianiſchen Recht wahrnehmen, ſehr beſchränkt werden.<lb/> Allein auch das Armenweſen iſt zu einer wichtigen und<lb/> ausgebildeten Thätigkeit des Staats geworden, ſo daß<lb/> ſelbſt der darauf gerichtete Theil der Stiftungen eine an-<lb/> dere Stellung gegen Staat und Kirche eingenommen hat,<lb/> als die welche in der Juſtinianiſchen Geſetzgebung erſcheint.</p><lb/> <p>Aus dieſem Allen geht hervor, daß auch im heutigen<lb/> Recht die milden Stiftungen eben ſo individuelle juriſti-<lb/> ſche Perſonen bilden, wie die Corporationen; daß es aber<lb/> irrig wäre, ſie ſelbſt als Corporationen auzuſehen, oder<lb/> auch die den Corporationen angemeſſenen Einrichtungen<lb/> ſchlechthin auf ſie anwenden zu wollen.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#g">Fiscus</hi>. — Zur Zeit der Republik wurde der<lb/> Staat, als Inhaber von Vermögensrechten, durch den<lb/> Namen <hi rendition="#aq">aerarium</hi> bezeichnet, indem ſich alle jene Rechte,<lb/> inſoweit ſie in den lebendigen Verkehr fielen, zuletzt in<lb/> Einnahmen oder Ausgaben der Staatskaſſe aufloͤſten.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [272/0286]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
tungen zu betrachten ſind, gar nicht geändert; nur ſind
ſie mannichfaltiger geworden, und haben eben dadurch
eine andere Stellung zum Staate eingenommen. Anſtatt
daß ſie im Juſtinianiſchen Recht lediglich als Mittel er-
ſcheinen, die Armuth in ihren verſchiedenen Geſtalten zu
mildern, ſind ſie ſeit dem Mittelalter großentheils auf die
Befriedigung geiſtiger Bedürfniſſe der verſchiedenſten Art
gerichtet. Schon dadurch mußte das ausſchließende Ver-
hältniß der Stiftungen zur Kirche, wie wir es im Juſti-
nianiſchen Recht wahrnehmen, ſehr beſchränkt werden.
Allein auch das Armenweſen iſt zu einer wichtigen und
ausgebildeten Thätigkeit des Staats geworden, ſo daß
ſelbſt der darauf gerichtete Theil der Stiftungen eine an-
dere Stellung gegen Staat und Kirche eingenommen hat,
als die welche in der Juſtinianiſchen Geſetzgebung erſcheint.
Aus dieſem Allen geht hervor, daß auch im heutigen
Recht die milden Stiftungen eben ſo individuelle juriſti-
ſche Perſonen bilden, wie die Corporationen; daß es aber
irrig wäre, ſie ſelbſt als Corporationen auzuſehen, oder
auch die den Corporationen angemeſſenen Einrichtungen
ſchlechthin auf ſie anwenden zu wollen.
IV. Fiscus. — Zur Zeit der Republik wurde der
Staat, als Inhaber von Vermögensrechten, durch den
Namen aerarium bezeichnet, indem ſich alle jene Rechte,
inſoweit ſie in den lebendigen Verkehr fielen, zuletzt in
Einnahmen oder Ausgaben der Staatskaſſe aufloͤſten.
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