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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
er in ihm eigene Rechte zu ehren, jeder Richter, daß er in
ihm solche Rechte zu schützen hat. Wird nun die natürliche
Rechtsfähigkeit des einzelnen Menschen durch Fiction auf ein
ideales Subject übertragen, so fehlt jene natürliche Be-
glaubigung gänzlich; nur der Wille der höchsten Gewalt
kann dieselbe ersetzen, indem er künstliche Rechtssubjecte
schafft, und wollte man dieselbe Macht der Privatwillkühr
überlassen, so würde unvermeidlich die höchste Ungewißheit
des Rechtszustandes entstehen, selbst abgesehen von dem
großen Misbrauch, der durch unredlichen Willen möglich
wäre. Zu diesem durchgreifenden juristischen Grund treten
aber noch politische und staatswirthschaftliche Gründe hinzu.
Die mögliche Gefährlichkeit der Corporationen giebt man
zu; allein die Stiftungen, in der eben erwähnten Ausdeh-
nung, sind keinesweges unbedingt heilsam und unbedenklich.
Wenn eine reiche Stiftung zur Verbreitung staatsgefähr-
licher, irreligiöser, sittenloser Lehren oder Bücher gemacht
würde, sollte der Staat diese dulden? (e) Ja selbst die
Errichtung von Armenanstalten dürfte nicht unter allen
Umständen der bloßen Willkühr zu überlassen sein. Wenn
z. B. in einer Stadt, deren Armenwesen wohl geordnet
und hinreichend dotirt ist, ein reicher Testator, aus mis-

(e) In unseren Tagen wird
Niemand sagen, daß dergleichen
unmöglich sey. Es gab reiche
Leute unter den Saint-Simoni-
sten, und warum sollte nicht Ei-
ner derselben auf den Gedanken
kommen, eine große Stiftung zur
Beförderung seiner Lehre zu ma-
chen? Vielleicht war es niemals
nöthig, durch Gesetz oder Rich-
teramt gegen solches Treiben zu
kämpfen; aber gewiß sollte doch
nicht der Staat seine Macht zur
Beförderung desselben herleihen.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
er in ihm eigene Rechte zu ehren, jeder Richter, daß er in
ihm ſolche Rechte zu ſchützen hat. Wird nun die natürliche
Rechtsfähigkeit des einzelnen Menſchen durch Fiction auf ein
ideales Subject übertragen, ſo fehlt jene natürliche Be-
glaubigung gänzlich; nur der Wille der höchſten Gewalt
kann dieſelbe erſetzen, indem er künſtliche Rechtsſubjecte
ſchafft, und wollte man dieſelbe Macht der Privatwillkühr
überlaſſen, ſo würde unvermeidlich die höchſte Ungewißheit
des Rechtszuſtandes entſtehen, ſelbſt abgeſehen von dem
großen Misbrauch, der durch unredlichen Willen möglich
wäre. Zu dieſem durchgreifenden juriſtiſchen Grund treten
aber noch politiſche und ſtaatswirthſchaftliche Gründe hinzu.
Die mögliche Gefährlichkeit der Corporationen giebt man
zu; allein die Stiftungen, in der eben erwähnten Ausdeh-
nung, ſind keinesweges unbedingt heilſam und unbedenklich.
Wenn eine reiche Stiftung zur Verbreitung ſtaatsgefähr-
licher, irreligiöſer, ſittenloſer Lehren oder Buͤcher gemacht
würde, ſollte der Staat dieſe dulden? (e) Ja ſelbſt die
Errichtung von Armenanſtalten dürfte nicht unter allen
Umſtänden der bloßen Willkühr zu überlaſſen ſein. Wenn
z. B. in einer Stadt, deren Armenweſen wohl geordnet
und hinreichend dotirt iſt, ein reicher Teſtator, aus mis-

(e) In unſeren Tagen wird
Niemand ſagen, daß dergleichen
unmöglich ſey. Es gab reiche
Leute unter den Saint-Simoni-
ſten, und warum ſollte nicht Ei-
ner derſelben auf den Gedanken
kommen, eine große Stiftung zur
Beförderung ſeiner Lehre zu ma-
chen? Vielleicht war es niemals
nöthig, durch Geſetz oder Rich-
teramt gegen ſolches Treiben zu
kämpfen; aber gewiß ſollte doch
nicht der Staat ſeine Macht zur
Beförderung deſſelben herleihen.
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[278/0292] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. er in ihm eigene Rechte zu ehren, jeder Richter, daß er in ihm ſolche Rechte zu ſchützen hat. Wird nun die natürliche Rechtsfähigkeit des einzelnen Menſchen durch Fiction auf ein ideales Subject übertragen, ſo fehlt jene natürliche Be- glaubigung gänzlich; nur der Wille der höchſten Gewalt kann dieſelbe erſetzen, indem er künſtliche Rechtsſubjecte ſchafft, und wollte man dieſelbe Macht der Privatwillkühr überlaſſen, ſo würde unvermeidlich die höchſte Ungewißheit des Rechtszuſtandes entſtehen, ſelbſt abgeſehen von dem großen Misbrauch, der durch unredlichen Willen möglich wäre. Zu dieſem durchgreifenden juriſtiſchen Grund treten aber noch politiſche und ſtaatswirthſchaftliche Gründe hinzu. Die mögliche Gefährlichkeit der Corporationen giebt man zu; allein die Stiftungen, in der eben erwähnten Ausdeh- nung, ſind keinesweges unbedingt heilſam und unbedenklich. Wenn eine reiche Stiftung zur Verbreitung ſtaatsgefähr- licher, irreligiöſer, ſittenloſer Lehren oder Buͤcher gemacht würde, ſollte der Staat dieſe dulden? (e) Ja ſelbſt die Errichtung von Armenanſtalten dürfte nicht unter allen Umſtänden der bloßen Willkühr zu überlaſſen ſein. Wenn z. B. in einer Stadt, deren Armenweſen wohl geordnet und hinreichend dotirt iſt, ein reicher Teſtator, aus mis- (e) In unſeren Tagen wird Niemand ſagen, daß dergleichen unmöglich ſey. Es gab reiche Leute unter den Saint-Simoni- ſten, und warum ſollte nicht Ei- ner derſelben auf den Gedanken kommen, eine große Stiftung zur Beförderung ſeiner Lehre zu ma- chen? Vielleicht war es niemals nöthig, durch Geſetz oder Rich- teramt gegen ſolches Treiben zu kämpfen; aber gewiß ſollte doch nicht der Staat ſeine Macht zur Beförderung deſſelben herleihen.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/292>, abgerufen am 21.11.2024.